Lerbitz Ruins Match:

Mike Müller vs. Kriss Dalmi

Referee: Peter Cleven

Peter Cleven: „Herr Lerbitz! Sehen sie nur! Es geht los.“

 

Als Ringrichter in der GFCW erlebt man zwangsläufig so einiges. Ob jüngere Referees wie beispielsweise Karo Herzog gesegnet oder verflucht sind, weil sie nie als Offizielle bei einem der seltsameren Matches aus längst vergangenen, aber keinesfalls vergessenen Tagen eingesetzt wurden bleibt wohl Interpretationssache.

 

Peter Cleven ist kein junger Referee. Er ist ein Veteran. Er ist schon ewig hier. Er hat schon eine ganze Menge seltsamer Matches geleitet.

 

Aber ein Duell in den Ruinen einer Ehe ist etwas Neues. Die GFCW übertrifft/unterbietet sich eben immer wieder selbst.

 

Markus Lerbitz: „Ich… kann ihn sehen.“

 

Schweißgebadet steht Markus Lerbitz da. Er ist nicht wie gewohnt im Anzug, sondern in Shorts, adidas Predators und einem Trikot von Delron Buckley mit einem Krombacher-Schriftzug darauf zu sehen. Er wird sich hier selbstverständlich nicht die Klamotten ruinieren lassen.

 

Die waren ihm noch geblieben, anders als seine Ehe.

 

Mike Müller: „Pööööööh!“

 

Da kommt er – der einzige Mensch aus diesem Planeten, der noch nicht weiß, was hier gleich passieren wird, und wohl auch der einzige Mensch auf diesem Planeten, der nicht fest davon ausgeht, dass Kriss Dalmi dieses Match locker gewinnen wird.

 

Peter Cleven ist ein neutraler Referee. Er wird sich zu keinem Statement bezüglich des Ausgangs dieses Matches hinreißen lassen, nicht seit Robert Hoyzer. Markus Lerbitz kann dem Jungen einfach nicht ins Gesicht sagen, wie die harte Realität aussieht. Er hat es sich lieber schöngeredet.

 

Und so ist er in dieser Katastrophe geendet. Sowohl was sein trautes Heim selbst als auch die Beziehung mit Eheluder Lerbitz angeht. Seit er sie vom Hockenheimer Boxenluder zum Hoffenheimer Eheluder gemacht hatte und anschließend mit ihr in ihre Traum-Stadt Oer-Erkenschwick gezogen ging er davon aus, dass das genug wäre.

 

Doch das war es nicht.

 

Nicht für Eheluder Lerbitz, dass die beiden Kinder Jessica und Dirk mitgenommen hatte, um „den Kopf freizukriegen“. Was sie damit eigentlich meinte wusste Lerbitz, aber er konnte es sich einfach nicht eingestehen. Er konnte dem echten Leben nicht ins Gesicht blicken, solange es sich noch durch eine rosarote Brille betrachten ließ, so beschlagen und verdreckt sie auch war.

 

Selbst jetzt ringt er sich ein Lächeln ab, als Mike Müller auf ihn zuswaggt, die Beine breit, das Grinsen noch breiter – doch Müller selbst ist nüchtern. Er hat sich auf diesen Tag vorbereitet. Seine Rache.

 

Mike Müller: „Kommt ganz schön gefährlich, diese olle Bruchbude.“

 

Über das zugegebenermaßen wenig originell gestaltete Einfamilienhaus samt Vorgarten und brav gestutzter Hecke lacht Müller, als wäre es ein dahinsiechendes Geisterhaus. Lerbitz schluckt kurz.

 

Peter Cleven: „Da muss ich objektiv zustimmen, es sieht aus, als würde ein echter Versager hier wohnen.“

 

Neutralität hin oder her, Lerbitz war ja kein Wrestler und objektive Fakten muss man eben loswerden.

 

Markus Lerbitz: „Mike, bist du wirklich sicher, dass…“

Mike Müller: „…ich heute den Sieg einficken werde? Aber sowas von, du kleiner Cucki.“

Markus Lerbitz: „Was ist ein…“

Mike Müller: „ABER KEINE SORGE, ONKEL LERFICK! Ich habe etwas dabei, der deine Stimmung ordentlich heben wird… oder eher gesagt… jemanden!“

 


 

Mit einem Mal ertönt laute Musik. Ein komplett behindert aussehender Vollmongo rollt im Stile von Khloe Kardashian mit einem E-Scooter ins Bild. Seine fettigen, langen und grün gefärbten Haare fallen ihm ins schweineartige Gesicht, während er wild gackernd freihändig über den Rasen rast wie ein rasender Rasen-Rowdie aus Oberhausen. Der blaue Baum rennt links über das Medallion und wir brauchen mehr Handtücher aus der Spardose. Oder so ähnlich.

 

Dabei hantiert er enorm umständlich mit beiden Händen auf seinem Rücken mit etwas herum, das wie ein Mischpult aussieht, dass er live zu bedienen scheint – auch wenn bis auf ein paar Air Horn Sounds nicht viel dabei herum kommt. Das sieht unfassbar scheiße aus, passt damit aber sehr gut zum Vibe den beispielsweise [ZENSIERT]-Segmente in jeder Show ausstrahlen.

 

Mike Müller: „Das kam so übel gefährlich, man! Ey, ich stelle euch hier meinen Kollegen vor, yo… das ist DJ Freundlicher Orang-Utan!“

DJ Freundlicher Orang-Utan: „ICH BRAUCH KOHLE, SCHEISS AUF FAME!“

Mike Müller: „Oh yeah, wir ficken heute alles auseinander!“

Markus Lerbitz: „Du meinst wohl Kriss Dalmi und nicht etwa mein…“

DJ Freundlicher Orang-Utan: „GANZ BESONDERS DAS HAUS VON EHEVERSAGER LERBITZ!“

Markus Lerbitz: „Der ist überhaupt nicht freundlich, Mike…“

Mike Müller: „Na und? Er ist auch kein Orang-Utan, aber darüber beschwerst du dich nicht. Ganz schön taktlos von dir, Mickriger Macker Markus.“

 

Mit nach oben gerecktem King (Anm. d. Red.: ich wollte hier „Kinn“ schreiben und habe mich vertippt und fand es so besser und deswegen steht das da nun so, also seid nicht verwirrt, ich weiß ihr seid alle sehr dumm, aber diesmal liegt es nicht an euch, dafür aber bei jedem anderen Mal <3) steht steht Mike Müller nun hier, im Vorgarten von Markus Lerbitz.

 

Selbiger scheint vor Schweiß zu zerfließen, seine Nerven sind zum Bersten gespannt, während Peter Cleven offenbar noch immer etwas irritiert von DJ Freundlicher Orang-Utan zu sein scheint, der in diesem Moment mit dem E-Scooter einen Wheelie versucht, es aber natürlich nicht schafft, weil er ein random Nebencharakter in einem GFCW-Mongo-Segment ist…

 

ODER ETWA NICHT???

 

DJ Freundlicher Orang-Utan: „SIKE!“

 

Müllers Kinnlade landet auf dem Boden, als ausgerechnet sein E-Scooter-cruisender, beschränkt geschäftsfähig seiender Kompagnon das Unfassbare tut und sein Shirt zerreißt, um darunter ein weiteres Shirt zum Vorschein zu bringen. Ein J.W.O.-Shirt!

 

Der Verrat des Jahrtausends! Der Most Shocking Moment 2022 auf jeden Fall!

 

DJ Freundlicher Orang-Utan dropped den Bass und ein neuer Song ertönt. Einer, den man bei einer GFCW-Veranstaltung vorher noch nie zu hören bekam.

 


 

Plötzlich rauscht eine schwarze BMW-M3-Limousine mit röhrendem Motor durch die Hecke und kommt – zwei Erdschneisen im perfekt getrimmten Rasen hinterlassend – im Garten des Lerbitz-Grundstücks zum Stehen. Am Steuer sitzt nicht etwa Kriss Dalmi, sondern ein Mann, der heute offenbar als Kriss Dalmis Fahrer angeheuert wurde und dessen unsympathisch-grimmiges Antlitz ihn als Serben auszeichnet. Kriss Dalmi selbst, sitzt auf dem Beifahrersitzt und schlägt von dort wuchtig die Autotür auf und steigt aus dem Vehikel.

 

Der Serbe trägt auch zu diesem besonderen Anlass ein schlichtes Set an komplett schwarzer Wrestlingkleidung, bestehend aus einer Trunks, Stiefeln und Knieschonern. Lediglich die Serbienflagge – offensichtlich als Referenz an seine legendär-asoziale Schlacht in Belgrad bei Title Night 2012 gedacht – ist das einzig schmückende Accessoire für seinen Einmarsch. Und diese wird genüsslich ausgebreitet in die Kamera gehalten.

 

Erst als der Belgrader sich auf den Weg zum Haus macht und die Regie einen Augenblick zu lang braucht, um zur nächsten Einstellung zu schalten, kann man erkennen, wie der Innenraum des M3 scheinbar komplett von einer Art durchsichtigen Plastikplane bedeckt ist.

 

Siegessicher flaniert Kriss Dalmi an dem teilnahmslos wirkenden Markus Lerbitz vorbei und hängt die Serbienflagge wie ein metaphorisches Leichentuch über der Ehe der Lerbitzs am Berater bzw. Anwalt von Mike Müller auf. Schnellen Schrittes schließt der soon-to-be-Gott von Oer-Erkenschwick zu seinem Herausforderer auf und kann nur mit Mühe und Not von Peter Cleven davon abgehalten werden, sich sofort auf Mike Müller zu stürzen.

 

Peter Cleven: „Ringeldingel Ding Dong!“

 

Offenbar zählt das als der Beginn des Matches. Eine richtige Ringglocke gibt es nicht, also war das der Startschuss. Und Dalmi und Müller legen nicht nur los wie die Feuerwehr, sondern noch viel krasser, so als würden sie die Feuerwehr platt machen wollen. Dalmi und Müller sind die Feuerwehrwehr.

 

Nun, so ganz richtig ist das nicht. Einer von beiden wehrt sich. Der andere attackiert bloß, während DJ Freundlicher Orang-Utan sich im Hintergrund genüsslich einen Schuss AstroHappy ballert.

 

Lerbitz hat sich die Serbien-Flagge vom Kopf gezogen und umklammert sie nun mit zittrigen Händen, als könne sie ihm irgendwie halt geben, während Kriss Dalmi Mike Müller mit Punches zurücktreibt. Beide feuern gleichermaßen Schläge ab. Es ist bloß so, dass Dalmi deutlich effektiver ist. Er weicht Mike nicht einmal aus, er steckt die Angriffe ein und zuckt nicht zusammen.

 

Jedes Mal, wenn Dalmis Hand auf irgendein Körperteil von Müller trifft, weicht dieser hingegen zurück. Mit zischenden Geräuschen, die seinen Schmerz hörbar machen, taumelt er rückwärts. Doch überraschenderweise setzt nicht die Resignation ein, die man erwarten könnte. Die Bereitschaft zu Kämpfen, das Feuer der Leidenschaft brennt weiter in seinen Augen.

 

Entweder ist er zu dumm, um zu verstehen, dass er hier keine Chance hat, oder er hat wirklich einen Plan.

 

Oder beides.

 

Mit einem Ächzen stolpert Müller gegen die Haustür, während Dalmi ihm gemächlich auf dem Fuße folgt. Er hat keine Eile, er wird so oder so gewinnen, egal, was sich die Re-Inkarnation des Geistes von 2013 ausdenkt. Es gibt absolut nichts, das Mike Müller tun könnte, um das Blatt zu wenden.

 

Das sieht jeder so.

 

Nur Mike Müller nicht.

 

Mike Müller: „JETZT, ATTENTÄTER!“

 

Mit einem Mal wird die Haustür von innen aufgerissen. Im Türrahmen steht ein Typ, der so dermaßen STOOPID aussieht, dass einem Jimmy Maxxx dagegen beinahe, wie eine respektable Lebensform vorkommen könnte (aber eben auch nur beinahe). Der Hinterwäldler schlackert mit den Mongo-Armen, während er sich aufplustert und dadurch auf wundersame Weise ein neues Level an vollkommener Opferhaftigkeit erreicht, bevor er mit beiden Fäusten jeweils von einer Seite gegen den eigenen, maskierten Schädel trommelt.

 

Es klingt als würde man auf einen Hohlraum einschlagen.

 

Die Maske des eindeutig komplett hängengeblieben Vollspastis wird heute von Abbildungen von Dolchen und giftigen Pflanzen geziert. Dazwischen sind Pistolen mit Schalldämpfern und Stricke zu sehen.

 

Über diese Maske hat er einen Schnurrbart geklebt. Es ist vollkommen unmöglich zu sagen, wer hinter dieser meisterhaften Verkleidung steckt.

 

Attentäter: „HIIIIIIIYAAAAAAAAAAH!!!“

 

Mit einem Schrei aus den tiefsten Abgründen der geistigen Umnachtung springt der mysteriöse Assassine aus der Tür nach draußen. Sein Kopf zuckt pfeilschnell hin und her. Dalmi rollt genervt mit den Augen und nimmt halbherzig die Fäuste hoch.

 

Attentäter: „Für TradeRepublic, Europas provisionsfreien Broker!“

 

Spricht es aus und rennt mit einer überraschenden Geschwindigkeit los. Seine übermäßig lange Zunge flattert dabei majestätisch im Wind und bedeckt alle Anwesenden mit einer Fontäne aus Speichel.

 

Dann stürzt er sich auf Markus Lerbitz.

 

Attentäter: „MÜARGHHH!“

 

Schockiert von dieser Attacke, die nicht etwa Dalmi gilt, sondern ihm, geht Lerbitz mit dem Unbekannten zu Boden. Aus seiner Hose zieht der Maskierte eine Aserbaidschan-Flagge, bevor er Lerbitz die Serbien-Flagge entreißt, an die er sich in seiner Panik noch immer geklammert hatte, und stopft dem am Boden liegenden Mann die Fahne der besten Republik der Welt in sein elendiges Schandmaul.

 

Attentäter: „Schöne Grüße von Eheluder Lerbitz, du Stück Scheiße!“

 

Die Augen von Markus werden groß, als sich mit einem Mal die Hände des Attentäters um den fleischigen Hals des Beraters von Mike Müller legen. Panisch grunzt Lerbitz, während der Maskenmann seine gewaltige Zunge sanft das Arminia Bielefeld-Logo auf der Brust von Lerbitz liebkost.

 

Attentäter: „Oder sollte ich sie eher… bei ihrem wirklichen Namen nennen… LA HIJA DE LA LENGUA!“

 

Während er triumphal so laut brüllt, dass halb Oer-Erkenschwick diese auditive Manifestation geistigen Verfalls mitbekommen dürfte, wackelt er so dermaßen heftig mit dem Schädel hin und her, dass er mit Sicherheit ein Schädel-Hirn-Trauma erleiden würde, wenn ihm nicht ein entscheidender Teil dieser Gleichung fehlen würde. Er erreicht allerdings sein Ziel: Der Schnurrbart fliegt ab.

 

UND MIT EINEM MAL KOMMT EL HIJO DE LA LENGUA ZUM VORSCHEIN!

 

Sicherlich genauso schockiert über diese Enthüllung wie wir alle quietscht Lerbitz so gut er es mit der Flagge im Mund kann, während er noch immer gewürgt wird, und zappelt dabei wie ein Pottwal am Strand von St. Peter Ording.

 

El Hijo De La Lengua: “Ganz genau, ich bin es… DER FREUND DEINER FRAU!“

 

Lerbitz schließt die Augen. Ihm würden wohl nun die Tränen kommen, wäre das nicht ohnehin schon längst passiert, während der jetzt manisch gackernde El Hijo De La Lengua ihm weiter die Luft zuschnürt.

 

Und mit einem Mal und einem lauten „ÖÖÖÖÖÖRRGGGGHHH!“ gleitet der Maskierte seitlich von Lerbitz herunter und bleibt reglos auf dem Rasen des Vorgartens liegen.

 

Hustend und spuckend reißt Lerbitz sich die Aserbaidschan-Flagge aus dem Mund und schnappt nach Luft, während er sich vorsichtig aufsetzt und seinen Retter erblickt: Kriss Dalmi.

 

Der Serbe, der sich selbst nicht hundertprozentig sicher zu sein scheint, ob er genervt oder amüsiert sein soll, trampelt achtlos über den Körper des Mannes mit der Maske hinweg und hebt die Fahne seines Heimatlandes vom Boden auf. Ihm hat nicht gefallen, wie man damit umgegangen ist.

 

Einmal ganz abgesehen von dieser bescheuerten Nummer. Ein schlechter und dummer Attentäter war ja eine Sache, aber ihn dann auch noch auf den Falschen anzusetzen? Warum hatte er nicht zumindest versucht, Dalmi zu attackieren? Er hätte natürlich versagt, aber das war immer noch sinnvoller, als Lerbitz zu attackieren. Alles, was Mike Müller davon hatte, war ein bisschen Ablenkung und…

 

Mike Müller: „Jetzt wird zurückgefickt!“

 

Es knirscht und knackt, als Müller den Pogo-Stick von hinten in den Rücken von Kriss Dalmi donnert. Fauchend biegt der Belgrader Baron der Boshaftigkeit den Rücken durch, als er einen Schritt nach vorne stolpert. Offenbar hatte Müller sich im Fundus der Familie Lerbitz bedient und das Spielzeug mit der metallenen Stange irgendwo im Vorgarten versteckt, vielleicht sogar unter der Hecke, durch die Dalmi gerast ist. Und durch das ganze Tohuwabohu war es ihm möglich gewesen, zu den Waffen zu greifen.

 

Mike Müller: „Du hast meine Karriere gefickt!“

 

Mit so viel Power wie er aufbringen kann wirft Mike Müller voller Wut und aufgestauter Enttäuschung über die Art und Weise, wie sein Kontakt mit Kriss Dalmi ihm seine Chance im GFCW Performance Center versaut hat, den Pogo-Stick rücksichtslos und brutal in Richtung des Kopfes von Dalmi.

 

Doch der sieht die Attacke dieses Mal natürlich kommen. Er duckt sich weg.

 

Und der Pogo-Stick kracht durch die Fenster-Scheibe des Hauses.

 

Wankend richtet Markus Lerbitz sich auf, blickt auf die Zerstörung und das Chaos vor ihm, und hebt wehklagend die Arme Richtung Himmel, als könne ihm irgendeine höhere Macht Beistand leisten und verhindern, was hier passiert. Nightmare steigt allerdings nicht zu uns sterblichen herab, und so sieht Lerbitz als Nächstes, wie Müller fluchend zu Dalmi schaut, der nach dieser Pogo-Stick-Nummer nun RICHTIG angepisst wirkt.

 

Mike Müller: „Da fick mir doch einer ‘nen Storch!“

 

Offenbar sieht Müller ein, dass dieser Plan nicht wirklich gut funktioniert hat, und er wirbelt auf der Stelle herum.

 

Mike Müller: „Verräter-Wiesel!“

 

Mit beiden Händen reicht er den völlig highen und dümmlich grinsenden DJ Freundlicher Orang-Utan zu sich heran, nur ihm ihn dann in Richtung Dalmi zu schubsen und selbst so schnell wie möglich in das Haus der Familie Lerbitz zu rennen, dicht gefolgt vom immer noch jammernden und leicht torkelnden Besitzer, der ihm „Warte, Mike, bitte nicht die Treppe…“ hinterherruft.

 

Selbstverständlich hurtet Mike die Treppe nach oben.

 

Dalmi hingegen fängt den auf sich zu fallenden DJ Freundlicher Orang-Utan gekonnt ab, indem er seine Wut über den #PogoStickIncident kanalisiert und dem grünhaarigen Weirdo einen dermaßen harten Elbow an den Kopf knallt, dass er schon ohnmächtig ist bevor er überhaupt auf dem Rasen des Vorgartens zum Liegen kommt.

 

Zähneknirschend und drückt Dalmi noch einmal den Rücken durch, dann marschiert er mit finsterer Miene in das Haus der Familie Lerbitz – die sprichwörtlichen „Lerbitz Ruins“, wenn man so will, und sowohl die Kamera als auch Peter Cleven begleiten ihn in einigem Abstand.

 

Wenn man die Inneneinrichtung des Hauses in einem Wort beschreiben müsste, wäre „gespenstisch“ wohl nicht verkehrt. Vielleicht auch „unbehaglich“ oder „unangenehm“. Das ganze Haus strahlt eine sterile Kälte aus. An diesem Ort gibt es keinerlei Heimatgefühl, keine Anflüge eines persönlichen Touch. Würde ein Alien ohne jedes Verständnis für das Konzept von Gefühlen versuchen, eine durchschnittliche menschliche Einrichtung nachzuahmen, würde das hier dabei herumkommen.

 

Nichts daran ist echt. Es ist alles nur Fassade. Es wird nur so getan.

 

Das sind die Ruinen der Ehe von Markus Lerbitz. Bis auf das Fenster keine sprichwörtlichen Ruinen, sondern ein Ort frei von jeder menschlichen Wärme, von jeglicher Zuneigung und von jeglicher Liebe, gefüllt mit dem bedrückenden Gefühl, dass hier etwas fehlt.

 

Die einzige Präsenz, die irgendetwas ausstrahlt, ist Kriss Dalmi. „Blutdurst“ ist allerdings kaum eines der Dinge, die man an einem Besucher seines trauten Heimes ausmachen kann.

 

Der ehemalige PCWA Cryption Crown Champion marschiert die Stufen der Treppe nach oben und entert so das Obergeschoss des Hauses. Im Flur angekommen blickt er sich um. Seine zu Schlitzen verengten Augen scannen die Lage. Es gibt fünf Türen.

 

Das Raubtier auf der Jagd scheint fast schon erspüren zu wollen, wo sich sein Opfer befindet. Abrupt wendet er sich nach links, und beginnt bei der ersten Tür, die auf diesem Gang vor ihm liegt, und reißt sie auf.

 

 

Nichts. Niemand da. Sicherheitshalber marschiert Dalmi in das Zimmer, das offenbar dem kleinen Dirk gehört, so viel lässt sich trotz fehlender alkoholischer Getränke und Joint-Stummeln per Ausschlussverfahren feststellen. Sichtlich aufgekratzt von diesem absurden Versteckspiel reißt Dalmi die Decke vom Bett, um darunter nachzusehen – dem Vollidioten Mike Müller war jeder noch so klischeehafte und dämliche Zufluchtsort zuzutrauen. Er reißt die Türen des Kleiderschranks auf, reißt die Kinder-Pullover mit „Minecraft“, „Fortnite“ oder „Eden Log“ Aufdruck darauf heraus und wirft sie achtlos auf den Boden. Nichts.

 

Auf zum nächsten Raum.

 

Wir folgen Dalmi, während Peter Cleven im Flur verharrt und scheinbar ebenso ratlos ist wie der Kompetitor dieses Matches, in welchem der Räume Müller denn nun steckt. Die nächste Tür wird aufgerissen.

 

 

Wieder nichts. Die kleine Jessica scheint keiner groß Fan vom Aufräumen zu sein. Dafür aber von Savan, denn ein Foto, das ihn oberkörperfrei posierend im Ring zeigt, ist mit Panzertape an die Wand geklebt worden.

 

Ob dieser ganzen Situation unfassbar abgefuckt entschließt Dalmi, seiner Wut freien Lauf zu lassen, und wirft mühelos einfach das Bett zu seiner Rechten um. Es kracht nicht einmal besonders laut, weil so viel Kram auf dem Boden liegt, der den Aufprall dämpft.

 

Doch es reicht, damit von der anderen Seite des Flurs ein erschrecktes Keuchen erklingt. Es klingt nach Markus Lerbitz. Der ist zwar nicht Mike Müller, aber vielleicht ist der Ex-Rookie ja bei ihm… oder aber er weiß, wo Müller ist.

 

Das hat Dalmi natürlich auch wahrgenommen. Sogleich verlässt er diesen Raum, um wieder in den Flur zu treten. Auf der linken Seite des Flurs wäre noch eine Tür, doch die kann es natürlich nicht sein. Das Geräusch kam von der anderen Seite. Und dort gibt es zwei Türen.

 

Ohne groß nachzudenken, öffnet Kriss Dalmi die erstbeste der beiden Türen.

 

 

Das Schlafzimmer. Wahrscheinlich hat Lerbitz selbst es auch seit Wochen, wenn nicht gar Monaten oder Jahren von innen gesehen. Gerade deshalb wäre es aber natürlich ein gutes Versteck. Man würde Lerbitz an keinem Ort weniger vermuten als an dem Ort, an dem Eheluder Lerbitz – oder sollten wir La Hija De La Lengua sagen? – nächtigt.

 

Doch Lerbitz ist nicht hier.

 

Mike Müller schon.

 

Mike Müller: „Fick dich, Junkiekönig!“

 

Der nimmermüde Jungspund sprintet ohne die geringste Angst vor dem Serben auf ihm zu. Kein bisschen der Furcht, die er definitiv haben sollte, steht ihm ins Gesicht geschrieben.

 

Er ist der Einzige, der nicht weiß, dass sein Selbstmordkommando eines ist.

 

Und gerade das hilft ihm in dieser Situation.

 

INJECTION!

 

Tatsächlich überrumpelt von der vollkommenen Hirnlosigkeit von Mike Müller wird Kriss Dalmi mit seinem eigenen Move, dem Spear, von den Beinen geholt und über das Bett von Eheluder Lerbitz hinweg gegen die Wand gerammt.

 

Oder besser: Durch die Wand.

 

Denn sie ist zu dünn, um diesem wuchtigen Aufprall von zwei Athleten stand halten zu können. Dalmi und Müller krachen durch die Wand und landen im daneben liegenden Zimmer, dessen Tür Kriss nicht geöffnet hatte.

 

Markus Lerbitz: „Bitte nicht filmen!“

 

Zwischen Splittern und Teilen der Wand windet sich Dalmi stöhnend auf dem Boden, während Peter Cleven durch das Loch in der Wand hinterherklettert. Wir befinden uns in einem Raum, das mit Hilfe von LED-Leuchten in wechselnden Farben beleuchtet wird. Mehrere Glasvitrinen voll mit Action-Figuren und Trikots stehen im ganzen Raum verteilt, dazu an den Wänden viele verschiedene ausgedruckte Selfies von Markus Lerbitz mit berühmten Persönlichkeiten, inklusive einer eigenen Bilderreihe von Abbildungen, die Lerbitz in den verschiedensten „#ZereoArmy“-Shirts über die Jahre neben dem Mann mit dem bemalten Gesicht zeigt.

 

Gleich drei gigantische Bildschirme thronen an den Wänden des Zimmers, verbunden mit verschiedenen Spielkonsolen, die auf kleinen Podesten aufgebaut wurden. Und in der einzigen von Consoom-befreiten Ecke des Raumes kauert Markus Lerbitz in seinem Rennauto-Bett, über dem seine eingerahmte Examensurkunde befestigt ist. Alles, was er noch hat, ist in diesem Zimmer.

 

Markus Lerbitz: „Bitte, das… das ist privat! Mike, bitte…“

Mike Müller: „Ich kann nichts dagegen tun. Es ist mein Ficksal.“

 

Und so erhebt er sich über Kriss Dalmi, der noch immer perplex von dem, was gerade eben passiert ist, auf dem Boden dieser neuen Umgebung liegt. Was zur Hölle ist Markus Lerbitz denn für ein Typ? Keine Wunder, dass seine Ehe…

 

Weiter kann man nicht denken, denn tatsächlich schnappt Mike Müller in diesem Moment zu. Und er reißt Kriss Dalmi an sich. Das ist die Chance. Er hat wahrscheinlich nur diese eine. Er muss es probieren.

 

Mike Müller stemmt Dalmi hoch. Dessen Füße berühren die Decke. Dann geht es abwärts.

 

Markus Lerbitz: „NICHT DIE SWITCH!“

 

FALCON ARROW VON MIKE MÜLLER!

 

Mit Schmackes wird Kriss Dalmi von Mike Müller per Falcon Arrow durch das nächststehende Podest mit Elektronik darauf befördert. Dabei reißen die umher schwingenden Beine Dalmis doch tatsächlich sogar noch einen der großen Bildschirme von der Wand, und dessen Aufprall auf dem Boden lässt sogar das lautstarke Jaulen von Markus Lerbitz untergehen, den man sich im Moment am ehesten so vorstellen kann:

 

 

Doch das ist alles egal. Kriss Dalmi liegt auf dem Rücken. Auf dem Boden. Und Mike Müller setzt sich auf ihn. Das ist seine Chance auf den Sieg. Peter Cleven geht auf die Knie, und er schlägt auf den einzigen Fleck auf dem Boden, auf dem die Zerstörung um ihn herum dafür noch Platz gelassen hat.

 

Eins…



Kick-Out!

 

Mike Müller steht der Mund offen. Wäre Markus Lerbitz nicht er selbst, sondern Drake, würde er sich nun einscheißen. Selbst Peter Cleven wirkt für den Bruchteil einer Sekunde überrascht, ehe er so gut es geht die Maske der Professionalität wieder aufsetzt.

 

Kriss Dalmi hat bei kurz nach eins die Schulter hochbekommen. Er stöhnt leise.

 

Mike Müller krabbelt rückwärts, und dann zu Markus Lerbitz. Gemeinsam mit ihm kauert er auf dem Rennauto-Bett, klammert sich an die Bettdecke und denkt nach.

 

Das dauert bei Mike etwas. Es gibt Lerbitz die Chance, auf ihn einzureden.

 

Markus Lerbitz: „Das ist alles deine Schuld.“

 

Ob Müller ihm überhaupt zuhört oder nicht ist nicht ersichtlich. Er starrt nur Kriss Dalmi an, der sich aufsetzt, als hätte man ihm soeben ein geringfügig unangenehmes Erlebnis zukommen lassen, in etwa auf dem Level einer langwierigen Zahnarztbehandlung.

 

Markus Lerbitz: „Du hast… du hast alles kaputt gemacht… ich wünschte… ich wäre dir nie begegnet.“

 

Tränen rinnen über das Gesicht von Lerbitz, während er in den Trümmern des letzten Ortes sitzt, der ihm noch etwas bedeutet hat. Alles, was er noch übrig hatte, war in dieses Zimmer gequetscht worden, und Mike Müller hatte nicht nur erst der Welt offen gezeigt, wie schlecht es um das Leben des Markus Lerbitz stand, er hatte in seinem Wahn, Kriss Dalmi zu besiegen und Rache zu nehmen, den letzten Zufluchtsort von Markus Lerbitz geopfert.

 

Für nichts. Für nichts und wieder nichts. Alles ist völlig am Ende und zerstört. Nur Kriss Dalmi nicht. Doch Lerbitz hatte einfach nicht „Nein“ sagen, niemandem Einhalt gebieten, niemandem Grenzen setzen können. Er hatte es allen recht machen wollen, egal, wie furchtbar man ihn behandelt hatte, und das war nun der Dank.

 

Markus Lerbitz: „Ich kündige.“

 

Nun dreht Mike Müller den Kopf zu Markus Lerbitz. In seinem Blick kann man erkennen, dass ihm endlich dämmert, was jedem anderen längst klar gewesen ist. Er hatte nie eine Chance gehabt. Es war ein Himmelfahrtskommando.

 

Markus Lerbitz: „Verschwinde endlich, Mike!“

 

Lerbitz will einfach nur, dass er weg ist – fast so sehr, wie ich mir wünsche, dass Dye endlich diesen übertrieben unangenehmen Dominik aus der GFCW Smalltalk Gruppe rausschmeißt, der schreibt ja nichtmal irgendeinen Charakter, soweit ich weiß. Richtig Absturz, der Typ.


Eilig rafft Müller sich auf und zögert gerade lange genug, dass Dalmi wieder auf die Füße kommen kann. Er starrt Mike an. Und dieser wirbelt panisch herum und läuft davon.


Die Kamera folgt so schnell es geht. Blitzartig zuckt der Kopf von Müller zur Treppe nach unten – doch da springt auf einmal Kriss Dalmi aus der Tür zum Schlafzimmer und steht im Flur vor ihm, ein mordlustiges Lächeln auf den Lippen. Er muss, statt durch die Tür aus den Lerbitz Ruins zu entkommen, durch das Loch in der Wand geschlüpft sein, um so aus dem Schlafzimmer heraus treten zu können und Müller den Weg abzuschneiden.


Ein erfahrener Jäger kennt den Fluchtinstinkt seiner Beute und weiß, was man tun muss, um sie trotzdem zu fangen.


Mike Müller: „Fick weg!“


Natürlich tut Kriss Dalmi nichts dergleichen. Ohne Hast geht er auf Müller zu, der in seinem Wahn den Blick zur fünften Tür des Obergeschosses schweifen lässt. Die letzte Chance.


Er reißt sie auf. Da ist noch eine Treppe. Mike sprintet sie hoch. Seufzend ob der Weigerung von Müller, sich endlich abschlachten zu lassen, trottet Dalmi – gefolgt von der Kamera – hinterher.


Schließlich treten wir ins Licht. Wir befinden uns auf der Dachterasse des Haues der Familie Lerbitz. Die Sonne geht unter. Und Kriss Dalmi…


wird attackiert.


Von einer Gummipuppe?!


Mike Müller: „Du kranker Wichser!“


Auf dem Dach stehen tatsächlich zwei Liegestühle. Auf einem davon liegt ein Handtuch, der andere ist frei von irgendetwas – anscheinend lag bis eben noch die Gummipuppe darauf, die Müller in Richtung Dalmi geschleudert hat.


Leider zeigt sie noch von selbst einen Bronco Buster, sondern wird vom unbeeindruckten Dalmi mit einer ausladenden Armbewegung einfach zur Seite gewischt.


Sie fällt vom Dach herunter in die Tiefe. Nach einigen Momenten gibt es einen leisen, aber dennoch gut hörbaren, quietschenden Sound, als sie auf dem Rasen aufschlägt.


Müller schluckt.


Mike Müller: „Du fickst mich nicht nochmal! Du… ich…“


Er stammelt sich etwas zusammen, als Dalmi auf ihn zugeht. Müller weicht zurück, doch stößt mit dem Gesäß an das Gitter der Dachterasse. Er ist gefangen.


Es bleibt nur noch die Flucht nach vorne.


Mike Müller: „FICK MEIN LEBEN, ALTERRRRRRRR!“


Müller wirft die Arme nach vorne. Waghalsig stürmt er vorwärts. Ein letzter Versuch. Eine Verzweiflungstat. Eine Hail Mary.


CLOSED FIST PUNCH!


Mit schnörkelloser Grausamkeit wirft Kriss Dalmi den Arm nach vorne und lässt die geschlossene Faust ohne Gnade an das Kinn von Müller krachen. Ein undefinierbares Geräusch erklingt, als er zu Boden sinkt, eine Mischung aus Würgen, Knacken und Stöhnen.


Mit beiden Händen umklammert Mike erst die eigene Kehle, dann den Kiefer. Blut läuft aus seinen Mundwinkeln, während er sich keuchend umher wälzt, blind vor Schmerz, doch noch immer noch in dem Wissen, möglichst weit weg von Kriss Dalmi kommen zu müssen.


Der schnappt sich nun einen der umherstehenden Liegestühle.


Und schmettert ihn mit voller Wucht auf den Kopf des schwer angeschlagenen Mike Müller.


Er vergilt lediglich Gleiches mit Gleichem. Müller hatte mit dem Pogo-Stick dasselbe vorgehabt, er hatte es eben nur nicht geschafft, das auch durchzuziehen. Ein Grinsen ziert Dalmis Gesicht, als Müllers Schreie zu einem Schluchzen werden, und er an so vielen Stellen seines Kopfes Schmerzen hat, dass seine Hände nicht wissen, wo sie zuerst nachfühlen sollen.


Entzückt von dem Bild, das sich vor ihm ergibt, reißt Dalmi den Liegestuhl von Müller und wirft ihn bei Seite. Metallisches Klirren lässt uns wissen, dass er gegen das Geländer gekracht ist.


Über Müllers rechtem Auge hat sich ein Cut geöffnet. Eben jenes Auge schwillt alarmierend schnell zu. Seine Nase ist schief. Das Blut läuft nun aus eben dieser, genauso wie aus dem neuen Schnitt und auch noch immer aus dem Mund. Er weint bitterlich.


Einen Moment lang sieht Dalmi ihn einfach nur stumm und reglos an, während Mike lautstark in den Abendhimmel plärrt. Er wirkt… ja, was ist er? Angewiedert? Überrascht? Zufrieden? Es ist sehr schwer, dieser Reaktion eine Bedeutung beizumessen.


Schließlich rührt der Serbe sich wieder. Er packt Müller am Kopf und achtet dabei darauf, auch ja die Finger in die buchstäblichen Wunden zu pressen, während er den aufgelösten und zitternden Mike Müller auf die Füße zerrt.


Mike Müller: „Warum…“


Weiter kommt Mike Müller nicht. Denn Kriss Dalmi wirft ihn locker und leicht quer über die Dachterasse – über die Kante.


So sieht es zumindest erst aus, doch „leider“ wirft Dalmi ihn nicht ganz weit genug. Die diabolische und sadistische Freude in den Augen des früheren GFCW Intercontinental Champions spricht allerdings Bände: Das war Absicht. Denn Müller kracht in einem verdammt ungünstigen Winkel in die Gitterstäbe des Geländers.


Müller sinkt in sich zusammen, doch bleibt dank der Tatsache, dass seine Arme sich an die Brüstung klammern können, auf den Füßen. Er zieht die Nase hoch, aus der das Blut noch immer in Strömen fließt. Seine Unterlippe bebt. Er wartet nur noch auf das unvermeidliche Ende.


INJECTION!


Der Spear folgt. Kriss Dalmi speart sich selbst und Mike Müller von der Dachterrasse über das Geländer in den Vorgarten.


Eine völlig unnötige Aktion aus Dalmis Sicht. Gut, es ist „nur“ die erste Etage, es ist nicht allzu hoch und man landet auf dem weichen Rasen – dennoch setzt er sich hier selbst einer großen gesundheitlichen Gefahr aus, nur um den schon längst vernichteten Mike Müller noch zusätzlich zu schädigen.


Die beiden Körper segeln aus dem Bild, und laut fluchend wirbelt Peter Cleven herum und beginnt, die Treppen nach unten zu sprinten. Die Kamera bleibt dicht hinter ihm, während Cleven erst ins Obergeschoss stürmt, vorbei an den zerstörten Räumlichkeiten von Markus Lerbitz, und dann die Treppe nach unten nimmt, um außer Atem aus der Haustür zu stolpern.


Dann sehen wir die Szenerie.


Mike Müller liegt reglos auf dem Rücken. Sein Gesicht ist ein roter Haufen Matsch, und der Sturz hat ihm anscheinend mehr oder minder das letzte Licht ausgepustet, das noch an war. Neben ihm sitzt Kriss Dalmi im Schneidersitz. Er streckt den linken Arm aus, greift mit der rechten Hand an den linken Ellbogen, zerrt einmal daran und es knackt laut.


Der Serbe zieht eine Grimasse, gibt aber keinen Ton von sich. Dann nickt er zufrieden, als er die Finger seiner linken Hand nacheinander krümmt und spreizt. Schließlich hebt er den Blick, als er Peter Cleven und die Kamera erblickt.


Er lacht.


Dann legt er noch immer im Schneidersitz eine Hand auf die Brust von Mike Müller. Cleven beißt sich auf die Zunge, ist aber auch in diesem Vorgarten sofort unten.


Eins…




Zwei…





Drei!


Sieger des Matches durch Pinfall: Kriss Dalmi!!!


Ohne große Fanfaren stürzt Dalmi sich auf beide Hände, holt kurz Schwung und springt auf die Füße. Wäre diese lästige kleine Aufgabe also auch nebenbei erledigt worden.


Cleven ist derweil bei Müller, und wie aus dem Nichts tauchen eine Frau und ein Mann im Bild auf, die mit großen Taschen ausgestattet sind – medizinisches Personal. Man hat das Match zu seinem Ende kommen lassen, aber natürlich hat die GFCW hier ein paar Ärzte am Start.


Dafür hat das Protokoll anscheinend gesorgt. Ob sie auch so schnell am Mann wären, wenn Kriss Dalmi da liegen würde, ist eine andere Frage.


Der Sieger dieses Matches – so man es denn so nennen möchte – scheint für einen kurzen Moment zu überlegen, ob er die Helfer nicht auch einfach attackieren und danach Müller weiter fertig machen soll.


Er tut es aber nicht. Stattdessen dreht er sich noch einmal zur Haustür um. Glassplitter des zerbrochenen Fensters knirschen unter seinen Schuhen. Geistesabwesend wischt er ein wenig des Blutes von Mike Müller von der Hand, mit der er ihn „gepinnt“ hat, an seiner Hose ab.


Dann zwinkert Kriss Dalmi noch einmal der Kamera zu, ehe er noch einmal das Haus der Familie Lerbitz betritt.


Das Bild wird schwarz.




THE RECOUNT: A HISTORY OF VIOLENCE – PART II


PCWA Vendetta 94, 21.07.2013


Robert Breads: "Nach meiner Rechnung steht es noch immer unentschieden in Wrestling-Matches. Das ist die einzige Wertung, die mich interessiert. Ich will sie alle besiegen. Also auch dich, Kriss. Und da macht es sich doch gut, dass ich eine persönliche Abneigung gegen dich habe und dir unbedingt schon bald zeigen will, dass du mich vielleicht in einem Pseudo-Match mit Waffengewalt ganz knapp ohne eigene Mithilfe dank eines Eingriffs schlagen kannst... aber niemals in einem tatsächlichen Match."

Nun stößt sich der Mann aus Ontario wieder von den Seilen ab und er beginnt, langsam um Kriss Dalmi im Kreis herum zu laufen, ohne dabei den Blick von ihm oder seinem Titel zu nehmen.

Robert Breads: "Du hast den Titel. Meinen Titel. Den einzigen Titel, der hier etwas wert ist. Und ich will ihn wieder haben. Ich bin ein ehemaliger Champion, der den Titel in einer billigen Farce verloren und somit ein Re-Match mehr als nur verdient hat. Du wirst dich ja wohl nicht drücken, oder? Denn sei dir sicher: Ich werde dich nicht eher in Ruhe lassen, als du mir mein Re-Match gibst. Ich gebe dir die Chance, mich los zu werden."

Jetzt bleibt der Kanadier stehen, einen knappen Meter von Dalmi entfernt. Beide starren sich an, keiner blickt weg. Keiner will Schwäche zeigen.

Robert Breads: "Du gegen mich... und keine Re-Matches mehr, Kriss. Wir beenden unsere Geschichte. Wenn ich gewinne werde ich wieder der Wrestling Champion und beende dein peinliches kleines Intermezzo, und du darfst nicht mehr um diesen Titel antreten, solange ich ihn trage. Also nie mehr. Verliere ich jedoch, darf ich ebenso nicht mehr um den Titel oder gegen dich antreten, solange du ihn trägst. So oder so, ein Ende. Ein für alle mal. Kriss Dalmi vs Robert Breads, PCA Wrestling Championship... ja oder nein?"

Zählt gurgelndes und schrilles Gelächter auch als Antwort? Wenn ja, dann fällt sie äußerst deutlich aus.

Kriss Dalmi: "UNBEDINGT!"

Man sieht die purste Vorfreude in den großen, geweiteten Augen des Serben.

Kriss Dalmi: "Ich werde mir erneut eine Matchart aussuchen, die unser letztes Bankett Deiner Schande um ein vielfaches Übertreffen wird. Wir werden gemeinsam Blut vom Himmel regnen lassen! Wir werden in einem Meer voller Innereien waten und uns so lange gegenseitig massakrieren, bis auch wir ein Teil dieser stinkenden, glitschigen Gezeiten werden. Wir werden in die Geschichte eingehen! Sie werden uns in einem Zug mit den Rembrandts, den Da Vincis und den Botticellis oder den Rubens nennen!"

Das Gesicht von "Canada's Own" bei den übergeschnappten Ausführungen seines Feindes bleibt steinern, doch Kriss Dalmi fährt einfach munter fort, redet sich quasi in einen Wahn.

Kriss Dalmi: "Ich will nur, dass Gewalt regiert, ich will nur, dass alle mit dem Virus der Tollheit infiziert werden, etwas anderes interessiert mich nicht! Wrestling ist nur Mittel zum Zweck. Solang ich meine kreative Freiheit ausleben kann, so wie ich es beim Imperial Impact tat, ist es mir Recht! Du sollst Dein Rematch bekommen! Mit der entsprechenden Klausel. Ein zweites Mal Robert Breads gegen Kriss Dalmi, ein zweites Mal eine bittere Niederlage, die Dich diesmal nicht nur Deinen Glauben an die Menschlichkeit kosten wird, sondern auch Deine Karriere! Benenne Ort und Zeit, gib mir bescheid und ich werde Dich in Deine Einzelteile zerlegen, und Dich in ewige Vergessenheit stürzen!"

Robert Breads: "Danke für diese Freiheit. Ich hätte da Ort und Zeit schon parat."

Huch, das ging aber schnell. Wir erfahren also sogleich, wann wir dieses Match sehen werden.

Robert Breads: "Wie wäre es mit diesem Ring, genau hier? Wie wäre es, wenn wir das Match beim nächsten großen Event abhalten... beim CORE?"

Dalmis Blick verfinstert sich. Der CORE - der Event, bei dem traditionell alle Matches ohne besondere Stipulations auskommen.

Kriss Dalmi: "NEIN!!!"

Der Belgrader brüllt es hinaus mit seinem ganzen Hass.

Kriss Dalmi: "NICHT DER CORE!!! Der Core ist der furchtbaste Event überhaupt im ganzen Wrestling, es widerspricht allem, was ich geschaffen habe. Er hält mich davon ab, meine Liebe für die Gewalt auszuleben. Meine pure, wunderschöne Gewalt! Es kann nicht sein! Nicht beim Core!"


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Azrael Rage: „Lass uns unser Werk signieren, Kriss!“


Kriss aber blickt nur gebannt auf dem Pinsel, also entschließt sich der Undisputed Gerasy ihm zu helfen. Er führt die Hand des Meisters der Geschmacklosigkeiten. Dieser tunkt den Pinsel erst in das Blut auf der Stirn von Breads und geht dann über den Ringboden damit. Noch mehrmals tunkt er in der „Farbe“ nach, bis er mit Dalmi fertig ist. Dann gilt es sich selbst zu verewigen. Das geht bedeutend schneller. Die Kamera fährt sofort an die Signierung ran.


Zufrieden blickt der ultimative Undisputed auf die Unterschriften und wirft den Pinsel zu Boden. Noch einmal nimmt er das Mikrophon in die Hand.


Azrael Rage: „Komm, Kriss. Drinks gehen auf Mich… und Mad Dog, wir sehen uns nächste Vendetta, wo Ich Dich endgültig vernichten werde…“

Wieder hebt er seinen neuen Gerasy, den alten hat er wohl Backstage gelassen, in die Höhe und lässt ihn im Scheinwerferlicht funkeln.


Azrael Rage: „… DENN ICH HABE DIE MACHT!“


Das Mikrophon wird fallengelassen und stattdessen zieht er Dalmi an seinem Arm hoch, der ähnlich wie ein Wachkomapatient drein blickt. Gemeinsam unter dem Theme von Rage gehen sie Backstage.


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PCWA Vendetta 95, 25.08.2013


Jona Vark: "Meine Herren, wir befinden uns an dieser Stelle in einem mächtigen Dilemma. Ein Dilemma, welches ich vielleicht hätte voraussehen sollen, als ich Neuerungen angekündigt habe, doch auch ich muss in diesen Job erst einmal hineinwachsen."

Wahre Worte. Nicht alles funktioniert sofort reibungslos.

Jona Vark: "Wir haben Tradition und Neuerungen. Wir haben auf der einen Seite die Tradition des CORE und wir haben die Neuerung der Cryption Crown, bei welcher der Champion - also Kriss Dalmi - die Regeln festlegen darf. Er entschied, dass die Cryption Crown unter seiner Regentschaft in Death Matches ausgekämpft wird, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Und ein Death Match beim CORE... wird die Fans genauso spalten, wie Tradition und Moderne hier auseinander stehen. Einige Fans wollen die brutale Schlacht zwischen Dalmi und Breads sicher sehen..."

Laute Zustimmung durch blutrünstiges Gegröhle.

Jona Vark: "Andere Fans wollen die Geschichte in Ehren behalten und möchten, dass der CORE wirklich nur reinstes Wrestling bietet."

Und auch hier gibt es wieder lauten Zuspruch.

Jona Vark: "Doch ich bin hier um Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese Entscheidungen unschön sind und eine Partei damit unzufrieden sein wird. Was die Cryption Crown und die Titelverteidigung betrifft... diese wird stattfinden..."

Obligatorische Pause.

Jona Vark: "In einem Singles Match!"

Eine unpopuläre Entscheidung, die tatsächlich fast mehr Buhrufe als Jubelrufe einbringt. Auch Dalmi ist darüber nicht glücklich.

Jona Vark: "Ohne Tradition wäre die PCWA heute nichts wert. Wir müssen unsere Tradition ehren und wahren."

Kriss Dalmi ist zu einer Salzsäule erstarrt. Mit einem gleichermaßen schockierten wie leeren Gesichtsausdruck starrt er die Repräsentantin von VARK Enterprises an, die den verzweifelten Blick mit entschlossener Miene erwidert. Robert Breads kann sich hier ein Grinsen nicht verkneifen, die Kameramikrofone scheinen gar ein "Hab's dir doch gesagt." aufzunehmen. Einige Sekunden vergehen, in denen die drei Akteure so wortlos verweilen, dann löst sich Kriss Dalmi aus seiner Lähmung und führt das Mikrofon langsam an seine Lippen.

Kriss Dalmi: "Ich werde euch schon noch umstimmen..."

Damit gleitet der Schallwandler aus seinen Fingern, von wo er mit einem hallenden Ploppgeräusch auf dem Ringboden aufkommt. Ohne Robert Breads oder Jona Vark noch weiter Aufmerksamkeit zu schenken, rollt sich Kriss Dalmi mit seinem Titelsilber schnell aus dem Ring und schlurft zur Rampe hoch.


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Vendetta 96, 29.09.2013


Mike Garland: "Moment mal! Was ist denn das da auf der Bühne."

Vincent Craven: "Ei... ein Holzkreuz...?"

Die wenig kunstvolle Arbeit eines handwerklichen Dilettanten ruht dort auf der Erhöhung, wo vorhin noch nichts war. Zwei übereinandergelegte Holzplanken, die kreuzförmig zusammengeschraubt worden sind. Daneben, ein aufgewickelter Haufen Stacheldraht und drei Drahtseile mit Karabinern, die von der Hallendecke baumeln. Die Kamera schwenkt durch die Reihen der PCWA-Fans und fängt auch Vincent Craven und Mike Garland ein. Sie alle wissen, was jetzt kommt, wollen es aber nicht wahrhaben.

Vincent Craven: "Das... Das kann nicht ihr Ernst sein! Das wagen sie nicht!!! DAS WAGEN SIE NICHT!!!!"

Die Realität spricht eine andere Sprache. Azrael Rage und Kriss Dalmi hieven den leblos wirkenden Körper des ehemaligen PCA Wrestling Champions auf die Holzkonstruktion, breiten seine Arme aus. Nur von seinem Instinkt getrieben, versucht sich der Mann aus Toronto von dem Konstrukt herunterzurollen und nach seinen Peinigern zu treten, doch der oberste Teufel unterbindet diesen Versuch und versenkt seine geballte Faust im Gesicht des besten Wrestlers der Welt. Kriss Dalmi nimmt den metallenen Draht in die Hand umwickelt ihn mit unerträglicher Langsamkeit um das Handgelenk von Robert Breads, der wie rostige Nägel in sein Fleisch sticht und das Scharlach hervortreten lässt. Erst bei dem einen Handgelenk, dann bei dem anderen und abschließend an seinen Fußgelenken. Derweil verbindet Azrael Rage die Karabiner an den Drahtseilen mit der hölzernen Ikone des Christentums. Bloß noch der letzte Feinschliff, damit alles perfekt ist! Dalmi öffnet den Verschluss der alten Cryption Crown, und legt den Titel um die inzwischen vollkommen roten Hüften von "Canada's Own". Es ist sein Titel, der erhabene PCA Wrestling Title, den er geprägt hat. Also soll der Wrestling-Messias ihn bei dieser transzendentalen Erfahrung, dem größten Moment seiner Karriere, auch tragen, so wie einst Jesus von Nazareth den Reif aus Dornengewächs auf seinem Haupt trug.

Dann, als sowohl Azrael Rage, als auch Kriss Dalmi von ihrem Werk wegtreten, wird die geisterhafte Stille, die in das PCWA Theatre eingekehrt ist, von dem mechanischen Aufheulen eines Motors an der Decke durchschnitten, gefolgt von einem tiefen Surren. Meter um Meter wickeln sich die Drahtseile um das Getriebe und richten den Gekreuzigten mit den Füßen voran auf, um ihn kopfüber in seiner bluttriefenden Glorie der vor Schrecken paralysierten Masse zu präsentieren. Auch das Kommentatorenduo fühlt sich außer Stande, den kleinsten Ton zu artikulieren. Sie möchten von ihren Sitzen aufspringen und gehen, so wie einige der Fans, die diesen durch und durch menschenverachtenden Anblick nicht ertragen können. Aber es gelingt ihnen nicht. Sie können ihre Augen nicht von dem Schrecken abwenden, der auf der Bühne geschieht.

Die größte Abartigkeit, die seit Langem in der Geschichte der PCWA über die Fernseher und Bildschirme geflimmert ist. Robert Breads, der purste, der reinste Wrestler, die unfehlbare moralische Instanz der PCWA, ans Petruskreuz geschlagen, wortwörtlich über dem Rest schwebend, ausblutend, erniedrigt, bloßgestellt. Die Wahnsinnigen haben es geschafft, sie haben dem einzigen Mann in dieser Liga ohne Sünde ein pervertiertes Denkmal seiner eigenen Vollkommenheit geschaffen. Ein spöttischer Nachruf an sein Schaffen. Und das alles nur, um zu beweisen, dass sie Recht haben, dass Gewalt immer siegen wird. So, wie sie heute gesiegt hat. Endgültig.

Nasses Salz läuft bei diesem Anblick in Strömen an Dalmis Wangen herunter. Keine Silbe verlässt seine bebenden Lippen. Stattdessen muss er lachen. Und schluchzen zugleich. All diese Emotionen der absoluten Glückseligkeit durchzüngeln jede Sehne, jede Muskelfaser seines Körpers. Er kann kaum greifen, dass er Teil dieses Augenblicks der größtmöglichen Entzückung ist und doch erfüllt ihn der Stolz und die Rührung eines Vaters, der seinen Säugling zum ersten Mal in seinen Armen wiegt. Dieses Bild steht exemplarisch für die PCWA, wie er sie sich in seinem verworrenen Geist ausmalt, so wie sie zu jedem erdenklichen Zeitpunkt sein sollte. Eine Perversion aller aufgestellter Gesetzmäßigkeiten, die Besudelung aller Sittsamkeit, der Sturz in den niemals endenden Schlund der Hölle. DAS IST DIE PCWA!


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Kriss Dalmi: "Seht ihr das, PCWA-Fans? Siehst du das, herzallerliebste Jona Vark? Schau dir seine karmesinrote Fratze doch nur an. SIEH HIN!!!! NICHTS HAT DIR DEINE UNERSCHÜTTLICHE BEHARRLICHKEIT GEBRACHT!!!!! Indem du glaubtest, dass du das Unvermeidliche vermeiden kannst, hast du alles nur noch schlimmer gemacht, so viel schlimmer, als es einst Robert Breads machte, der wie ein trunkener Narr glaubte NEON LOVE, retten zu können! War es das denn wirklich wert? WAR ES DAS WERT, JONA???? Du hast auf ein Singles Match beim CORE bestanden UND DAS IST DARAUS ENTSTANDEN!!!!! ES IST DEINE SCHULD, NICHT DIE VON MIR ODER VON RAGE!!!!!!!! DU ALLEIN BIST FÜR DIESE BILDER VERANTWORTLICH!!!!!!!!!! Und es wird wieder passieren! Immer wieder passieren! So lange, bis ich endlich meinen Willen kriege!!!! HÖRST DU????"

Wie schnell Kriss Dalmis aufwühlende Glücksgefühle doch wieder in Zorn umgeschlagen sind! Kurz muss der Meister der Geschmacklosigkeiten durchatmen, dann erhebt er die heisere Stimme wieder, die einen unvermittelt ruhigen, fast schon flüsternden Ton annimmt, in der glasklaren Stille der entsetzten Zuschauer aber dennoch deutlich zu hören ist.

Kriss Dalmi: "Ich kenne keine Grenzen, genauso wenig wie Azrael Rage! Gib mir mein Match, Jona Vark! Gib mir mein Death Match oder diesem Spektakel werden noch viel, viel grauenerregendere Dinge folgen..."


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Jona Vark: "In Anbetracht der Tatsache, dass sicherlich viele Fans den PPV gekauft haben, weil sie das Match zwischen Breads und Dalmi sehen wollten ist es schwer dieses einfach so zu streichen. Ich möchte betonen, dass es keinen offiziellen Titelkampf geben wird. Offiziell. Aber es wird einen Kampf geben."

Das klingt... interessant?

Jona Vark: "Sowohl Robert Breads als auch Kriss Dalmi, als wir ihn darauf ansprachen, zeigten sich einverstanden mit dem Vorschlag, den unser Herausforderer äußerte. Es wird ein unsanktioniertes Match zwischen Robert Breads und Kriss Dalmi geben. Die PCWA wird dieses Match nicht offiziell präsentieren. Die PCWA wird für keine gesundheitlichen Schäden, die in diesem Match oder als Folge davon entstehen, zur Haftung gezwungen werden können. Dieses Match wird kein offizieller Teil des CORE und seiner langen Tradition von klassischem und ehrenhaften Wrestling sein. Dieses Match wird nicht in den Geschichtsbüchern auftauchen. Die Leitung der Phoenix Crossover Wrestling Association hat sich einverstanden erklärt, einen Ringrichter und einen Ring bereit zu stellen, damit die beiden Männer ihre Differenzen klären können, damit per Pinfall oder Submission ein Sieger ermittelt werden kann. Der Sieger des Matches darf sich offiziell PCWA Cryption Crown Träger nennen. Die Fans in der Halle und vor dem Fernseher bekommen das Match, für das Sie bezahlt haben. Robert Breads und Kriss Dalmi können tun, was auch immer sie wollen und die PCWA kann für nichts zur Rechenschaft gezogen werden, was diese beiden Männer sich antun werden. Dass das keine ideale Lösung ist, ist uns klar... aber es ist die einzige Lösung, die uns übrig bleibt."

Der Kopf der werten Dame wird gehoben.

Jona Vark: "Es wird das erste und einzige Mal sein, dass diese Grenzen vor laufenden Kameras der PCWA überschritten werden. Dies wird das letzte Duell dieser beiden Wrestler um die Cryption Crown sein. So oder so wird das das Ende dieser Geschichte sein. Unsanctioned Fight, PCWA CORE 2013, Robert Breads vs Kriss Dalmi, Cryption Crown... denn in der PCWA bekommt der Fan, was man ihm verspricht."


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PCWA CORE 2013, 03.11.2013


Nun, eine Sache kann er noch versuchen. Trick 17, wenn man so will. Dalmi kommt noch einmal auf die Beine und blickt einen Moment lang Robert Breads an. Dann greift er sich ans Bein, oder besser gesagt ans Knie. Er fummelt an seinem Knee Pad herum... und zerrt dann dahinter eine Spritze hervor.

Die Fans halten einmal kollektiv eine Sekunde lang den Atem an. Eine Sekunde vergeht, und dann grinst Kriss Dalmi. Er stolpert auf Breads zu, geht dann nach unten und setzt sich neben ihn. „Das ist dein Ende!“, schreit er ihm entgegen, und dann sticht er mit der Spritze los.

Doch Breads reißt die Arme hoch! Seine Augen sind vor Angst weit aufgerissen. Dalmi fletscht die Zähne, der Wahnsinn spricht ihm aus dem Gesicht. Doch Breads schafft es, die Spritze zurück zu drängen. Zentimeterweise geht es hin und her, aber insgesamt scheint Breads es zu schaffen. Er kann die Spritze von sich wegdrücken.

Da beißt Dalmi zu! Er beißt dem Kanadier in den Arm! Damit hat dieser nun gar nicht gerechnet, und die Überraschung bringt ihn dazu, den Arm zurück zu reißen. Auf einmal hat Dalmi Freiheit. Und sofort nutzt er das aus, holt aus und jetzt ist es zu spät. Breads kann es nicht mehr abwenden.

Und jemand ist da! Jemand reißt Dalmi von hinten die Spritze aus der Hand und wirft sie gleich aus dem Ring. Dalmi blickt sich völlig panisch um, wer ist da? Was ist los? Was passiert hier? Es ist...

 

NEON LOVE.

 

Der junge Wrestler und offenbar beste – und einzige – Freund von Robert Breads ist hier, um selbigen Freund davor zu retten eine Dosis AstroHappy abzubekommen. Und das findet der wahnsinnige Serbe wirklich nicht lustig. Er richtet sich auf und starrt NEON mit einem Blick an, der jedem gestandenen Mann Todesangst verpassen würde. Beim Belgrader sind alle Sicherungen durchgebrannt und mit seinen blutverschmierten Händen packt er LOVE am Hals. Die scharchlachrote Masse, die sein Gesicht ist, wird nur aufgelockert durch zwei starre und vollkommen wahnsinnige Augen und einen Mund, der schrille Töne ausspuckt - „Was machst du hier? Was denkst du dir?“. NEON hat Breads gerettet, doch ist nun selbst in Gefahr.

In diesem Moment wird Dalmi herum gewirbelt. Und Breads ist da. Und wie er da ist.

 

CANADIAN CUTTER!

 

Der Serbe wird auf die Matte geknallt und bleibt da auch liegen. NEON springt vor Freude einmal auf, er wurde gerettet und Breads hat Dalmi ausgeschaltet. Nun muss er ihn nur noch pinnen, und sein Freund hat seinen Titel wieder. Aber hier ist nichts, wie es soll. Und Breads steht wieder auf und pinnt Dalmi nicht.

NEON sieht ganz offensichtlich verwirrt aus. Doch Breads ist zielstrebig und schnappt sich seinen Stuhl vom Boden. In diesem Moment treffen sich die Blicke von LOVE und „Canada's Own“ - und Breads wirkt nicht mehr viel anders als es Dalmi vor ein Sekunden getan hat. „Du willst mit Spritzen um dich stechen?“, schreit Breads.

 

CHAIRSHOT GEGEN DEN AM BODEN LIEGENDEN DALMI!

 

Du willst mich unter Drogen setzen?“

 

CHAIRSHOT!

 

Du willst mich demütigen?“

 

CHAIRSHOT!

 

Du willst Unschuldige verletzen?“

 

CHAIRSHOT!

 

CHAIRSHOT!

 

CHAIRSHOT!

 

CHAIRSHOT!

 

Der Blick von NEON LOVE wandelt sich von freudiger Erregung immer mehr zu Entsetzen. Breads soll ihn pinnen. Er soll das hier beenden. Aber das will er gar nicht mehr. Dalmi hat sein Spiel weit genug betrieben, und nun hat der Kanadier die Kontrolle verloren. Er schlägt wie ein Berserker mit dem Stuhl auf Kriss Dalmi ein. Das Match könnte schon längst gewonnen sein. Darum geht es ihm aber nicht. Er will Dalmi verletzen. Er will ihm weh tun. Er foltert ihn.

Schließlich hört Robert auf. NEON atmet durch, als die Tortur endlich ein Ende hat. Schlaff hängt der Stuhl an der Seite des Kanadiers, während er auf seinen Gegner herab starrt und mit Verachtung im Blick schwer atmend Blut ausspuckt. Dalmi blickt zitternd und stöhnend nach oben zu Breads – und grinst ihn an. Er grinst ihn immer noch an.

 

CHAIRSHOT!

 

CHAIRSHOT!

 

CHAIRSHOT!

 

Es geht wieder los. Breads knallt nun durch und das vor den Augen von NEON LOVE, der seinen Freund gar nicht mehr erkennt und sich die Hand vor den Mund schlägt. Damit... damit hätte ja wohl niemand rechnen können. Das kann nicht die Realität sein. Nein, das kann doch nicht echt sein, das ist doch... er muss etwas unternehmen!

Aber er kann doch nicht... er kann doch nichts gegen seinen Freund tun, oder? Was soll er denn jetzt machen?

In diesem Moment hört das Stuhlschlaggewitter auf. Breads atmet einmal tief durch und stellt den Stuhl dann auf. NEON schlendert langsam in Richtung der Seile, weg von dieser Szenerie. Das ist nicht sein Freund Robert. Das ist... er weiß es nicht.

Canada's Own“ hat sich Kriss Dalmi nun geschnappt und dessen Arme eingehakt. Der Serbe ist längst ausgeknockt. Aber das interessiert Breads jetzt nicht mehr. Der Herausforderer positioniert sich vor dem Stuhl und hebt Dalmi aus.

 

RB DRIVER! AUF DEN STUHL!

 

Der Kopf von Kriss Dalmi knallt auf den Stuhl und bleibt danach reglos auf der Matte liegen. Breads spuckt noch einmal Blut aus und legt sich dann auf seinen Gegner...

 

Eins...

 

 

 

Zwei...

 

 

 

 

Drei!

 

Und damit ist es vorbei. Der Fight. Der Krieg. Die Saga Breads gegen Dalmi. Es gibt keine Ringsprecherin, die etwas durchsagen kann, aber die Glocke gibt durch, was der Stand ist: Robert Breads hat gewonnen. Er hat letztlich Kriss Dalmi besiegen können in einem Kampf, den man sich wohl nicht einmal hätte vorstellen können. Und er hat „seinen“ Titel wieder.

Der Kanadier steht auf, und der Referee ist auch schon bei ihm und überreicht ihm den Gürtel, den er sich jetzt gerade verdient hat. Breads hält den Gürtel hoch in die Luft, triumphal, und stellt seinen Fuß demonstrativ auf die Brust von Kriss Dalmi. Er wirft einen Blick in Richtung Rampe. NEON LOVE ist verschwunden. Er hat den Ring verlassen und ist Backstage verschwunden. Doch darum kann sich Breads später kümmern.

Er hat gewonnen. Er hat Kriss Dalmi besiegt. Er ist wieder Champion. Es stellt sich nur noch eine Frage: Zu welchem Preis?



Eric Fletcher ist ein viel beschäftigter Mann. Das könnte damit zu tun haben, dass ständig jemand zu ihm kommt und etwas von ihm will. Gerade bei einer Go-Home-Show ist das ja auch nicht untypisch. Das ist eben das Kreuz eines Commissioners. Gerade kommt der gute Mann einmal zum Durchschnaufen, kann seine schwarz-weiß gestreifte Krawatte zurechtrücken, da klopft es schon wieder an seiner Tür. Genervt knickt der Kopf ab und er nimmt sich jede Sekunde Zeit die er noch für etwas mehr Ruhe kriegen kann, bevor er schließlich einatmet und widerwillig doch ein „Herein“ aus seinem Munde hervorbringt.

Das Gesicht des Commissioners verändert sich, nachdem die Türe geöffnet wurde, zu einem überraschten Augenbrauenheber, als er sieht, wer denn da Einlass begehrt. Ein Mann mit dem er bis jetzt eher wenig zu tun hatte.


Lionel Jannek: „Guten Abend, Herr Commissioner.“


Ganz ohne sarkastischen Unterton bringt ein Lionel Jannek diese Worte wohl einfach nicht heraus. Er schließt die Tür und nähert sich Fletcher, der in Michael Scott Gedächtnismanier wohl gerade innerlich auf die Tischplatte schlägt und laut „THANK YOU!“ rufen möchte, und seinem Schreibtisch. Scheinbar eine Reaktion des Commissioners abwartend, blickt LJ Fletcher zunächst einige Sekunden, leicht grinsend, an. Als außer einem knappen Nicken, aufgrund der gestohlenen ruhigen Zeit, nichts kommt, spricht der Österreicher einfach von sich aus über den Grund seines Eintretens.


Lionel Jannek: „Ich mach es ganz kurz: Wie ich mit schwerer Enttäuschung feststellen musste, wurde bis jetzt das Match beim nächsten Pay-Per-View der GFCW um die Tag-Team Championship noch immer nicht festgesetzt. Und das obwohl eigentlich ziemlich offensichtlich sein sollte, wer in diesem Match stehen sollte. Spätestens nach der letzten Show als meine Kameraden David Hott und Matthäus Meister einer hinterhältigen, feigen Attacke zum Opfer fielen und damit sowieso nun eine Rechnung mit den Champions haben. Vermutlich handelt es sich dabei aber auch nur um einen Fehler im System. Ein Versehen wie man so schön sagt. Hab ich nicht recht?“


Fletcher klemmt nur seine Mundwinkel in seine Wangen, schließt die Augen und nickt beschwichtigend.


Lionel Jannek: „Darum denke ich JETZT wäre der richtige Moment es einfach hinter sich zu bringen und das Match offiziell zu machen.“


Fletcher nickt erneut.


Eric: „Das wäre jetzt tatsächlich ein guter Moment.“


LJ wirkt zufrieden, doch natürlich dreht sich Fletcher vom Tisch weg, streckt dem Österreicher die kalte Schulter entgegen und deutet mit einer Handbewegung an, dass das noch nicht alles ist.


Eric: „Nur kommt dann in 5 Minuten Sid oder Rob oder noch schlimmer beide angeschissen und fordern eine Sonderregel, labern auf mich ein, bis ich ‚Jaja, lass…t mich in Ruhe‘ sage und dann kommen in einer halben Stunde David und Matthäus und maulen mich an, warum ihr Match diese Stipulation hat. Dass ich darauf nur wenig Lust habe, verstehst du, oder?“


Er schaut über die Schulter zu seinem Wrestler des Jahres, der nicht mehr so zufrieden wie noch zuvor dreinblickt.


Eric: „Deshalb…warten wir doch einfach mal, was der Abend heute noch bringt. Fein?“


Lionel Jannek sieht aus als würde ihm gerade alles und jeder schwer auf die Nerven gehen. Aber er unterdrückt seinen Ärger und bleibt (vorerst) höflich.


Lionel Jannek: „Ob Sonderregeln oder nicht… Ich erwarte, dass spätestens am Ende dieser Show das Match angesetzt wird. Die GFCW wird es ja wohl schließlich auch bewerben wollen, oder?“


Da versucht wieder einer Fletchers Job für ihn zu machen! Doch der Commissioner hat auch noch eine nicht unwesentliche Frage für den Mann aus Wien.


Eric Fletcher: „Na sicherlich. Und was ist mit dir? Soll man mit dir auch werben? Du hast ja auch immer noch kein Match. Gibt es da nicht vielleicht jemanden, der Interesse an einem Match mit dir hätte?“


Die Fans in der Halle sind bis ins Büro hörbar begeistert… nur einer nicht: Lionel Jannek. Mit bösem Blick starrt er Fletcher an, als würde er ihn fragen wollen ob er ihn denn verarschen will. Doch wieder schnauft der Österreicher einmal tief ein und aus und richtet sich auf.


Lionel Jannek: „Erstens: Wieso sollte ICH EURE Planungsfehler korrigieren? Ihr hattet wochenlang Zeit einen geeigneten Gegner für ein Money-Match gegen den „Wrestler des Jahres 2021“ zu finden und wart so sehr mit euch selbst beschäftigt, dass ihr es komplett verpeilt habt. Euch ist vermutlich nicht einmal bewusst, dass mein Vertrag mit Jahresende ausläuft, hab ich recht? Natürlich, denn bis jetzt hat mich deswegen noch niemand kontaktiert! Und zweitens: Vergiss es! Das Match gegen Camden wird es nicht geben. Niemals! Kapiert?“


Da ist der „Einzig Wahre“ am Ende seiner Tirade dann doch etwas lauter geworden. Kopfschüttelnd wendet er sich von Fletcher ab und marschiert zur Tür, noch bevor der auf das dreiste „Duzen“ eingehen kann. Er öffnet sie ein Stück und dreht sich noch einmal zu Fletcher.


Lionel Jannek: „Bringt euren Mist endlich in Ordnung, bevor hier noch das Chaos ausbricht und die Liga am Ende-“


*ZACK!*


Autsch! Mitten im Satz kracht dem armen Lionel Jannek, sehr zur Schadenfreude der Fans, die offene Tür ins Gesicht! Auch Fletcher kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Wobei man sagen muss…er versucht es auch nicht. Jannek hält sich das Gesicht und vor allem die Nase, während ein Kameraschwenk zeigt wer denn da die Tür geöffnet hat.


Thomas Camden: „Upps… Sorry!“


Als LJ sieht wem er das zu verdanken hat, reißt er vor Wut die Augen weit auf und man sieht, dass er Camden dafür auf der Stelle kurz und kleinschlagen würde… doch auch wenn er die Faust bereits ballt, so siegt am Ende in ihm die Erkenntnis, dass das genau das ist was Camden erreichen will und so hält er sich einmal mehr zurück, auch wenn ihm das wohl merklich immer schwerer fällt…


Thomas Camden: „Na Lio? Haste n Match gegen mich gefordert? Oder willste weiter warten? Und weiter warten? Und weiter warten? Und weiter warten?“


Wutschnaubend und mit dem Blick eines Killers blickt LJ bei jeder dieser Fragen Camden in die Augen… und drängt ihn zur Seite. LJ verlässt das Büro in aggressiver Laune, an Camden vorbei. Etwa 5 Meter vom Büro entfernt schnappt sich Jannek einen Stahlstuhl und auch andere Dinge wie ein Notebook und eine Kaffeemaschine, die er alle in seiner Wut zur Seite oder an die Wand schleudert. Camden blickt ihm hinterher, während er weiter fragt bis der Superior One endlich um die Ecke gebogen ist. Mit einem amüsierten Schmunzeln dreht er sich dann auf der Hacke zum Commissioner.


Thomas: „Missssster Fletcher….“


Und noch bevor Fletchers Kopf auf die Tischplatte aufschlägt, blendet die Kamera weg. Man kann sich denken, was geschehen soll…



Keek Hathaway sieht den Blick, den sein Besucher dem Nippes neben dem Krankenbett zuwirft und hat das Bedürfnis sich zu erklären. Mehrere Wochen ist es nun schon hier und seitdem ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht ein Gesicht der Vergangenheit erschienen und ihm ein aufmunterndes Geschenk mitgebracht hatte. Wobei Aufmunterung im Auge des Betrachters liegt – also seinem Auge. Und der zunehmende Krempel auf dem Nachttisch sowie im restlichen Zimmer ruft bei Unbeteiligten schon manch Stirnrunzeln hervor, besonders wenn sie Keek nicht gerade in Sympathie verbunden sind.


Keek Hathaway: „Der Pheasant Warrior war hier.“


Sagt er an den Besucher im Türrahmen gerichtet und deutet auf das goldgerahmte Bild von Mohi. Der Fasan blickt mit strengem Blick vom Foto her auf das Bett, in welchem Hathaway aufrecht sitzt. Der Namibier hat noch immer seine Halskrause angelegt, sich aber in schwarzes Merchandise-Shirt und Jogginghose gekleidet statt wie vor zwei Wochen im Krankendress zu verbleiben.


Keek Hathaway: „Flip Trip waren auch hier.“


Er nickt in Richtung einer Spielkonsole, auf der mehrere Spielehüllen liegen. Sie ist noch originalverpackt und die Folie noch um die Spiele.


Keek Hathaway: „Und das hier…“


Vom Nachttisch greift der Namibier ein Buch und blättert gelangweilt durch die Seiten, ehe er das Cover seinem Besucher hinhält: „Von Baku bis Zaqatala – Die schönsten Orte Aserbaidschans“.


Keek Hathaway: „…hat mir Lunenkind in einem Paket geschickt. Aber ich nehme an, dass du nicht hier bist, um dich an meiner neuen Dekoration zu erfreuen oder mir ein weiteres Gastgeschenk zu bringen. Nein, das bist du bestimmt nicht.“


Herausforderndes Grinsen in Richtung des Besuchers im Türrahmen.


Keek Hathaway: „Seit du beim Protokoll bist, verfolgst du eine Mission. Wie ein Geschäftsmann. Ein Alex Ricks kommt sicher nicht vorbei, um mit mir Nettigkeiten auszutauschen.“


Mit dieser Einleitung drückt sich Ricks leicht mit einer Drehung der Schulterpartie vom Türrahmen weg und tritt einen Schritt weiter in den Raum hinein. Sein Blick ist stur und starr auf den Champion gerichtet. Die Dekoration neben dem Krankenbett interessiert ihn kaum. Stattdessen…nur ein Schnaufen.


Alex: „Ich möchte nur reden.“

Keek Hathaway: „Sieh mal her.“


Mit schmerzverzerrtem Gesicht, aber doch ein Stück weit eleganter als noch vor zwei Wochen, dreht sich Keek Hathaway auf die Seite und setzt sich dann auf die Bettkante, um Ricks zumindest halbwegs von gleicher Höhe in die Augen blicken zu können. Mit einem Arm stützt er seinen Kopf über der dicken Halskrause.


Keek Hathaway: „Geht schon wieder besser. Wenn du also gekommen bist, um sicherzustellen, dass ich noch länger ausfalle und dir deinen möglichen Interimstitel nicht streitig mache, dann hättest du früher kommen müssen. Antoine vor zwei Wochen hätte mich nur umpusten müssen. Aber heute…heute könnte ich vielleicht sogar fünf Sekunden Gegenwehr zeigen, bevor ich umkippe. Was für Fortschritte.“


Natürlich sprechen da Sarkasmus und Frustration aus seinen Worten. Alex Ricks jedoch bleibt ruhig und reagiert auf Keeks Monolog mit keiner sichtbaren Gefühlsregung, was eine hochgezogene Augenbraue beim Namibier hervorruft.


Keek Hathaway: „Klar, der kühle Mathematiker. Nicht für Scherze zu haben und nicht für Gefühle. Also was gibt es?“

Alex: „Redebedarf.“


Das sagte er zuvor bereits. Trotzdem wiederholt er sich noch einmal, um den Besuchsgrund zu unterstreichen. Er nimmt die rechte Hand hinter dem Rücken hervor, deutet auf den kalkweißen Stuhl, der am kalkweißen Tisch vor der kalkweißen Wand steht.


Alex: „Ich darf?“


Mit einer minimalistischen Antwort gibt der Namibianer sein Einverständnis, bevor Ricks das obere Ende der Rücklehne greift und den Stuhl unangenehm quietschend über den Boden schleift. Jede Lehrkraft kennt dieses Seufzen der verschobenen Möbel, die einem unangekündigten Leistungsnachweis folgen. Ricks positioniert den Stuhl seitlich am Ende des Krankenbetts, setzt sich darauf, faltet die Hände ineinander, legt sie auf seinen Oberschenkeln ab und lehnt sich nach vorn, um dem Champion Freiraum zu geben, dennoch aber klipp und klar mit ihm reden zu können. Dann räuspert er sich.


Alex: „Ich werde in zwei Wochen meinen Kampf gegen Antoine gewinnen. Und den Titel. Das wird passieren.“


Muss das sein? Interessiert Keek das in irgendeiner Form? Alex schaut ihn mit stoischer Miene an, sodass es niemandem so recht klar, was er damit jetzt eigentlich klar machen wollte. Sich selbst Mut zusprechen?


Alex: „Und das ist Schritt eins, Keek. Dann besiege ich dich. Ich lasse mich nicht unterkriegen, Keek. Nie.“


Sein Blick wird finsterer, die Augenbrauen ziehen sich weiter zusammen.


Alex: „Erhole dich oder komm früher zurück als gedacht, Keek. Es ist egal. Du besiegst mich nicht erneut. ICH lerne aus meinen Fehlern. Gegen Drake. Gegen Johnboy Dog. Gegen Antoine…Du landest im Krankenhaus, weil du in zehn Jahren nichts lernst.“


Ein wenig gequält klingt es zwar, doch Keek Hathaway lacht. Das Geräusch dringt aus dem lädierten Körper wie aus einem alten Lautsprecher, verliert sich auf halber Strecke in einem Keuchen. Das anschließende Grinsen gerät bitter und spöttisch.


Keek Hathaway: „Ich dachte immer, du wärest Mathematiker. Kein Rhetoriker. Vielleicht klingt diese Ansage aus deinem Mund deshalb für mich so wenig…überzeugend.“


Er lässt einen Moment verstreichen, um eine Reaktion Ricks‘ abzuwarten. Der Freiburger bleibt still, bleibt kühl, bleibt abwartend. Also ist es an Keek Hathaway, ihn mit einem Blick zu fixieren und selbst fortzufahren.


Keek Hathaway: „Du lernst aus deinen Fehlern? Das Schöne an Monologen wie deinem ist, dass man sich die Fakten so zurechtlegen darf, dass sie Sinn ergeben. Ein einheitliches Bild. Doch lass mich ein paar Dinge ergänzen, Alex…“


Bis es dazu kommt, greift er aber zunächst nach dem Wasserglas und zwingt einen Schluck hinunter. Mit der Halskrause gerät eine so simple Bewegung, wie sich nach hinten zu beugen und der Flasche ihr Getränk zu entlocken zu einer Anstrengung.


Keek Hathaway: „Du hattest den Titel bereits zwei Mal. Beim ersten Mal hast du ihn bei der ersten Gelegenheit verloren. Dann hat es mehr als ein Jahr gedauert, bis du ein zweites Mal an der Spitze standest…und wieder gabst du den Titel direkt ab. Nennst du das aus Fehlern lernen, Mann?“


Mit herausfordernd zusammengeschobenen Augenbrauen beugt sich Hathaway ein Stück vor, um die Distanz zu Ricks zu verringern.


Keek Hathaway: „Aber dein größter Fehler, aus dem du nach wie vor nichts lernst, ist das Protokoll. Bist angetreten, um diese Liga zu verändern und von vorne bis hinten gescheitert. Anstatt einen Grabstein zu setzen, versuchst du es jetzt ein zweites Mal. Vielleicht hättest du Historiker werden sollen. Dann wüsstest du, dass man aus der Vergangenheit lernen muss. Sonst ist man gezwungen, sie zu wiederholen.“


Ricks mustert seinen Gegenüber scharf. Er wartet ab, will sehen, ob Hathaway schon mit seinen Vorwürfen am Ende ist. Mitnichten.


Keek Hathaway: „Ich habe dich schon einmal besiegt. Ich werde es wiederholen, wenn es dazu kommt. Aber an deiner Stelle würde ich aufpassen, dass Schwanenburg nicht schneller lernt als du. Weil dann sehen wir die andere Version von Title Nights 2020. Und wir sehen uns dann nicht mehr.“


Wieder lässt Ricks einige Sekunden verstreichen. Diesmal scheint Keek seine Ansprache aber tatsächlich beendet zu haben. Ricks’s Blick geht durch den verhinderten Champion hindurch. Langsam reibt er sich die Handflächen, löst die Finger voneinander, seine Zunge fährt hinter den Lippen verborgen seine untere Zahnreihe entlang.

Dann schnauft er.


Alex: „2020 war die andere Version von 2019, Keek. 2019 habe ich gegen Antoine verloren, stand ein Jahr lang unter ihm…und habe gelernt. Dann habe ich gewonnen. Ich bin nicht unbesiegbar, Keek…aber ich bin unnachgiebig. Claude Booker gab mir eine Aufgabe und ich lasse nicht davon ab, bis ich diese Aufgabe erfüllt habe.“


Ein Hauch von einem Schmunzeln huscht über sein Gesicht, lässt einen Mundwinkel zucken.


Alex: „Da sind wir uns sogar ähnlich, Keek Hathaway. Auch du lässt nicht von deiner Aufgabe ab.“


Dann wird die Miene wieder ernster. Der Mundwinkel verschiebt sich wieder um 2 Grad gen Süden.


Alex: „Nur sind deine Aufgaben Nebenschauplätze. Du ignorierst das Gold und schleifst es wie die Integrationskonstante neben dich her. Du bist kein Repräsentant von German Fantasy Championship Wrestling. Du besiegst mich und es ist…egal. Dich interessiert Holly Hutcherson. Also hole ihn dir. Auf deinem Weg dorthin stehe ich…und hole mir, was mich interessiert.“


Er blickt an Keek vorbei, lässt sein Blick dann kurz zur Seite auf den Gabentisch schweifen, woraufhin er scharf durch die Nase atmet.


Alex: „Denn wie passend…hier findet man das Gold einmal mehr nicht. Du musst es nicht mehr lange verstecken, Keek. Werde gesund, tritt gegen mich an…und der Rest ist nur eine logische Konsequenz.“


Keek Hathaway: „Immerhin sind wir uns in einer Sache einig…, dass all das hier auf eine logische Konsequenz hinausläuft. Bloß die Gestalt der Konsequenz, darüber haben wir grundverschiedene Meinungen. Vielleicht würde es dir helfen, wenn dein Dazulernen auch Lektionen in Menschlichkeit enthielte.“


Herausfordernd schiebt sich sein Gesicht in Richtung Ricks.


Keek Hathaway: „Dann wüsstest du, warum man manchmal andere Wege geht als ein eiskalter Analytiker wie du es tun würde. Und vielleicht hättest du ein Verständnis davon, was Leidenschaft bedeuten kann. Welche Kraft in Emotionen steckt.“


Soweit es lädiert und mit Halskrause geht, strafft Hathaway die Schultern.


Keek Hathaway: „Dann würdest du vielleicht auch lernen, dass Keek Hathaway zwar jetzt verletzt ist. Aber nicht schwach. Wenn er zurückkehrt und du in der Position bist, sein Gegner zu werden…dann wirst du verstehen, dass Dooms Night nur ein Vorspiel war. Nimm mir die Fesseln der angeschlagenen Gesundheit, nimm mir die Halskrause. Und du wirst einen Keek Hathaway erleben, der nicht mit dem Rücken zur Wand steht. Sondern sie einreißt, wenn er es muss.“



Wir sehen einen noch immer lädierten, jungen Mann in seiner Kabine auf einer Holzbank sitzen. Es ist Ellis Diehl, welcher den Angriff von Hugo Rodriguez noch immer nicht ganz überstanden hat. Sein Kopf ist bandagiert, der linke Arm ist in einer Schlinge und insgesamt sieht er so aus, als hätte der junge Potsdamer schon bessere Tage gesehen. Man merkt, dass er Schmerzen hat. Als es an der Tür klopft, schreckt er kurz auf.


Ellis ist ein wenig schreckhaft, verständlicherweise nach dem Angriff von vor zwei Wochen, und greift sich mit der rechten Hand einen Baseballschläger, den er in Griffreichweite hat.


Als sich die Tür öffnet und jemand hinein kommt, gibt es aber Entwarnung und der Schläger geht auch wieder zu Boden. Es ist nur ein Crewmitglied der GFCW. In seiner Hand ist ein in Geschenkpapier eingewickelte Box in Tortengröße. Der Mitarbeiter guckt verdutzt, als er Ellis sieht und der Schläger wieder zu Boden geht.


Crewmitglied: „Alles Ok bei dir, Ellis?“

Ellis: „Ja, sorry.“


Der Blick geht zum Schläger.


Ellis: „Aber man weiß ja nie.“


Der Mitarbeiter reibt sich den Hinterkopf und lächelt ein wenig gequält.


Crewmitglied: „Warum bist du überhaupt hier? Du siehst jetzt nicht gerade fit aus.“


Er macht ein paar Schritte auf Ellis hin.


Ellis: „Ach, ich lasse mich doch davon nicht unterkriegen. Wenn ich jetzt zu Hause oder sonst wo abhängen würde, würde das ein schlechtes Statement von mir sein. Ich verkrieche mich nicht, sondern bin hier. Auch wenn ich heute nicht antreten kann, will ich dennoch Teil von alldem hier sein. Ich habe zu viel dafür gearbeitet, als dass ich jetzt in meinem Bett liegen könnte um zu chillen.“


Ein wenig vorgetäuschtes Interesse seitens des Mitarbeiters.


Crewmitglied: „Ah, ok, alles klar. Wie dem auch sei, Ellis, das hier ist gerade für dich rein gekommen.“


Er überreicht dem Potsdamer das Geschenk und die beiliegende Karte.


Ellis: „Für mich? Von wem?“


Ellis ist verwundert.


Crewmitglied: „Keine Ahnung, kam halt grad bei uns rein. Ich mache mich dann mal wieder auf die Socken, Arbeit ruft.“

Ellis: „Danke dir!“


Das fleißige Arbeiterbienchen salutiert salopp vor Ellis und verlässt den Raum dann auch so schnell wieder, wie er ihn betrat.


Ellis: „Das sieht aber gut aus.“


Die Kamera fängt das Präsent ein. Es ist eine Box in beigefarbenen Geschenkpapier mit kleinen, lustigen Tieren drauf. Außerdem ist noch ein rotes Geschenkband, welches in einer Schleife mündet um die Box gewickelt. Aber bevor er das öffnet, schaut er sich erst die Karte an.


Ellis: „Werd schnell wieder gesund.“


Ellis kommt die Karte ein wenig komisch vor, das können wir seinem Gesicht entnehmen. Dann bekommen wir einen anderen Kamerawinkel präsentiert und können nun ebenfalls die Karte sehen.



Dann blättert er die Karte auf.


Ellis: „Das war nur ein kleiner Vorgeschmack für dich. Wenn du deine Ehre zurückerlangen willst, dann treten wir bei Ultra Violence in einem Meathook Match gegeneinander an. Grüße, Hugo Rodriguez.“


Die Augen vergrößern sich bei jedem Wort, welches er vorliest und die Atmung wird schwerer.


Ellis: „Dieser Mistkerl. Was zur Hölle ist überhaupt ein Meathook Match? Ich werde dem Typen zeigen, dass er sich mit dem falschen angelegt hat. Ich werde ihn bei Ultra Violence vernichten.“


Mit aggressivem Ton in der Stimme öffnet er dann das Geschenk. Weil er es versucht schnell mit einer Hand aufzubekommen, hakt die Schleife natürlich und es endet damit, dass er sie quasi abreißt. Dann öffnet er die Box.


Ellis: „WAS ZUR HÖLLE.“


Sofort wirft er die Box angewidert zu Boden und er springt auf. Er sieht aus, als hätte er einen Geist oder schlimmeres gesehen. Die Farbe in seinem Gesicht ist gewichen und er ist kreidebleich. Die Kamera fängt dann den Boden ein und wir sehen, was sich in der Box befand.


Ein Schweinekopf.


Beim Potsdamer bebt die Brust, er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass er einen Schweinekopf präsentiert bekommt. Wie paralysiert starrt er den auf den Boden liegenden Kopf an. Es vergehen ein paar Sekunden, bis er sich gesammelt hat. Aber angespannt ist er dennoch.


Ellis: „Dieser verdammte... Psycho!“


Die Atmung normalisiert sich langsam, der erste Schrecken war groß, aber es geht so langsam aber sicher wieder.


Ellis: „Wer stellt so jemanden ein?“


Er schüttelt mit dem Kopf aber der Blutdruck geht dann wieder hoch.


Ellis: „Du willst gegen mich antreten, verfluchter Psycho-Möchtegern-Wrestler?“


Sehr hoch.


Ellis: „ICH WERDE GEGEN DICH ANTRETEN, FREAK.“


Und höher.


Ellis: „DAS ALLES WIRD DIR NOCH LEID TU...“


Dann wird er aber auf einmal sehr still. Und wir sehen eine Silhouette hinter ihm stehen. Ellis bemerkt es und dreht sich schreckhaft um.


Ellis: „WAS.“


Hugo Rodriguez kommt aus dem hinteren Teil der Kabine. Offensichtlich war er die gesamte Zeit dort, ohne, dass Ellis es mitbekommen hat. Der Metzger grinst breit und genießt die Angst von Ellis. Der wiederum verlässt sofort die Kabine, so schnell er das in seinem Zustand halt schafft. Somit ist Hugo alleine in der Kabine. Er geht langsam auf den Schweinekopf zu, der auf dem Boden liegt.


Hugo: „Willst du mein Geschenk etwa nicht haben?“


Er legt es wieder in die Box und verschließt es so gut es geht.


Hugo: „Schade.“


FADE OUT.



Die Kamera zeigt Mäc Müll.


Mäc Müll: „Liebe GFCW Galaxy, begrüßen Sie bei mir…Alex Ricks.“


So zoomt die Kamera ein wenig heraus, schiebt den Fokus leicht zur Seite und zu den dumpfen Buhrufen aus dem Halleninneren wird den Zuschauern einer der Herausforderer auf die Interims Heavyweight Championship präsentiert. Wenig überraschend wie wenig es ihn interessiert. Er steht einfach da, graues hochgekrempeltes Hemd, schwarze Stoffhose, die Hände hinter dem Rücken. Heute, sonst, immer. Registrierend nickt er dem Hall of Famer zu zu.


Alex: „Mäc Müll.“

Mäc Müll: „Alex, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Allerdings…es fällt auf, dass man Robert, Desmond und dich am heutigen Abend nie zusammen gesehen hat. Gibt es dazu etwas zu sagen?“


Mit investigativer Neugier hält er Ricks das Mikrofon hin und schaut ihn hoffnungsvoll an. Es ist interessant, wie lange der Mathematiker bereits in der Liga ist und wie wenig Müll dennoch weiß, wie Interviews mit Ricks ablaufen. Der mustert ihn nur und lehnt sich nach einigen Sekunden nach vorn.


Alex: „Nein.“


Mäcs Mundwinkel fallen schlagartig nach unten, ein enttäuschtes „Hmm“ wird durch die Lippen gepresst. Er lässt das Mikro in Alex’s Nähe, hofft, dass vielleicht doch noch mehr Sätze kommen, wenn er nur lange genug wartet. Ein Spiel, das tatsächlich aufgeht. Denn nach einigen weiteren Sekunden…ein Schnaufen. Dann schaut er langsam links, dann nach rechts.


Alex: „Dieses Gespräch mit Alex Ricks hat welchen Mehrwert, wenn Robert hier steht…“


Er schaut zu seiner linken Seite.


Alex: „Oder Desmond hier.“


Er schaut zu seiner rechten Seite. Dann geht der Blick wieder hoch zu Mäc.


Alex: „In den vergangenen vierzehn Tagen besuchte ich Robert an fünf Tagen im Performance Center um ihn bei seinen Aufgaben zu unterstützen. Desmond an vier Tagen. AUCH an gemeinsamen. Vor zwei Wochen erklärte Robert Desmond alles, was er in Silas’s Zeit im Performance Center über Scarecrow lernte. Ich spreche mit Desmond regelmäßig über The End.“


Er räuspert sich kurz, schüttelt leicht den Kopf.


Alex: „Unsere Verbindung ist nicht so oberflächlich, dass wir nur gemeinsam agieren, wenn wir in einem gemeinsamen Raum sitzen. Vor zwei Wochen kamen weder Robert noch ich zu Desmond, als Leviathan nach seinem Kampf den Ring betrat. Wir haben es beide verfolgt, doch wir sind uns unserer Sache sicher. Wir haben unsere Aufgaben. Wir erledigen sie auf unsere Weise. Wir handeln, wie wir wollen und wir entscheiden, WANN eine Aufgabe die Aufmerksamkeit von uns dreien verlangt.“


Mäc nickt seinem Gesprächspartner stets aufmerksam zu. Für jedes Wort ist er dankbar, so hat er doch noch seine ausführliche Antwort bekommen. Dann aber nimmt er das Mikro wieder zurück.


Mäc Müll: „Nun, deine Aufgabe ist ja vor zwei Wochen klar geworden. Es geht bei Ultra Violence gegen Antoine Schwanenburg um die Interims GFCW Heavyweight Championship. Wir haben vorhin gesehen, dass du Keek Hathaway im Krankenhaus besucht hast und ihn dabei als schlechten Champion bezeichnetest. Kannst du das noch ein wenig begründen?“


Ricks’s Blick ist während der Fragestellung immer weiter von Mäc Müll abgedriftet. Er drehte sich zur Kamera, senkte gleichzeitig den Kopf. Dennoch ist seine Aufmerksamkeit klar bemerkbar. Der Interviewer hält ihm das Mikrofon hin, während die Kamera lediglich die Frisur des Freiburgers einfangen kann. Als ob seine Mimik sonst mehr Emotionen preisgeben würde.


Alex: „Lass uns eine Hypothese aufstellen, Mäc Müll. Keek Hathaways Sieg gegen Player am 05.12.2021…war egal.“


Der Mann im Anzug runzelt die Stirn, zuckt mit dem Kopf zurück. Er nimmt das Mikro wieder zu sich.


Mäc Müll: „Du redest von seiner Titles Night Titelverteidigung? Wie kommst du…“

Alex: „Worin würde sich Keek Hathaways Jahr bislang unterscheiden?“


Der Mathematiker fällt dem Interviewer ins Wort. Der will direkt zu einer Antwort ansetzen, stockt dabei aber tatsächlich für einen Moment und lässt den mikrofonhaltenden Arm absacken. Fast schon beiläufig greift Ricks zur Seite, schnappt sich eben diesen Arm und zieht ihn zu sich, sodass er wieder ins Sprachrohr sprechen kann. Der Blick geht weiter gen Boden, genauso wie die Emotionen in seiner Stimme.


Alex: „Er hätte genau einen Kampf weniger bestritten. Den Kampf gegen mich. Sämtliche andere Abende wären für ihn identisch verlaufen. Er hätte sich um Timo Schiller gesorgt, nach Holly Hutcherson gesucht. Er hätte einen Kampf bei der ersten Großveranstaltung gehabt, er hätte die letzten Wochen im Krankenhaus verbracht. Nichts davon hatte einen Bezug zu diesem Gold. Davor ging es um seine Dokumentation und eine Pressekonferenz.“


Er räuspert sich ein weiteres Mal, schaut dann doch noch hoch zur Kamera. Der Blick ist leer und durch die Kamera hindurchgehend.


Alex: „Du bist ein hervorragender Kämpfer Keek Hathaway, doch ich habe mich in dir geirrt. Ich sagte vor Monaten, du wärst nichts ohne das Gold. Das stimmt nicht…Du bist nicht nichts ohne das Gold. Das Gold ist MIT dir nichts. Dafür gibt es Antoine und mich.“


Mäc Müll pustet Luft durch die Backen. Die Worte des Mathematikers lässt er so stehen, beim letzten Satz löst er seine Hand aber wieder aus Alex’s Griff.


Mäc Müll: „Ich kann mir denken, dass du dir das Gold zutraust…aber was wäre das Gold mit Antoine?“


???: „Die höchste Auszeichnung in gesamten Wrestling-Business.“


Noch bevor Alex selbst antworten kann, hören wir eine Frauenstimme aus dem Off und sehen dann auch nicht viel später, zu wem sie gehört. Amélie Schwanenburg natürlich. Auch heute sieht sie wieder schwer nach Business aus. Ein schwarzer Blazer, darunter eine blaue Bluse auf der man ein leichtes Blümchenmuster ausmachen kann und natürlich der dazu passende Bleistiftrock, auch in schwarz.


Amélie: „Antoine ist die beste Galionsfigur, welche die GFCW jemals unter Vertrag hatte. Das ist einfach ein Fakt, meine Herren.“


Abwertend blickt sie zu Alex.


Amélie: „Alex, hilf mir doch mal auf die Sprünge. Du bist zweifacher World Champion, ja?“


Alex versteckt die Arme hinter seinem Rücken, zieht die Augenbrauen hoch und nickt leicht.


Amélie: „Den Titel zu gewinnen, ist eine Sache, aber da du ja so schön von Repräsentation sprichst, kommt mir direkt eine Frage in den Sinn. Ist der Titel gut repräsentiert, wenn er an jemanden geht, der nicht eine einzige Titelverteidigung in seiner gesamten Karriere mit ihm hinbekommen hat?“


Dass Amélie damit einen leicht wunden Punkt trifft, weiß sie natürlich. Ricks lässt sich nichts anmerken, die Miene ist versteinert.


Amélie: „Oder würdet ihr vielleicht sagen, dass der Titel besser repräsentiert wäre, wenn er an jemanden ginge, der ihn tatsächlich schon mehrfach verteidigen konnte?“


Natürlich eine rhetorische Frage für sie.


Amélie: „Bei dir, Alex, ist der Titel ungefähr genau so sicher, wie ein Sack voll Geld der unbewacht irgendwo herum steht. Der Erste, der ihn sieht nimmt ihn sich und geht wieder. Bei Antoine jedoch ist er sicher, wie in einem Banktresor. Also tu mir, nein, uns ALLEN bitte einen Gefallen und verbreite nicht irgendwelche Dinge von wegen du bist der große, unantastbare König der Liga, der dem Titel ja ach so viel Wert verleiht, nachher glaubt dir das noch irgendein Vollidiot.“


.

.

.

.

Ricks schnauft.

Diese Worte haben gewirkt. Es ist ein Manko, das Ricks zweifelsohne anhaftet. Er konnte sein Gold nie verteidigen. Weder in der ersten Regentschaft noch in der zweiten. Er war lediglich ein Übergangschampion.


Alex: „Du solltest dir eine Antwort anhören, bevor du über sie urteilst, Amélie.“


Er räuspert sich.


Alex: „Ich bin nicht unantastbar, Amélie. Das wissen du, Antoine, Keek, das weiß jeder. Ich bestreite Kämpfe und es passiert, dass ich sie verliere. Das leugne ich nicht. Vielleicht hast du sogar recht. Vielleicht würde ich das Gold sogar in meiner ersten Verteidigung verlieren. Das ist das Risiko, wenn man an der Spitze solch einer großen Liga steht. Eine Position, die Antoine seit Titles Night 2020 nicht mehr kennt, Amélie. Seit er gegen mich verlor.“


Der letzte Satz war nicht nötig. Natürlich ist allen klar, worauf der Mathematiker hier anspielt. Die Genugtuung diesen Teilsatz aber dennoch bringen zu können, will er aber dennoch spüren.


Alex: „Er ist in den wichtigen Kämpfen, Amélie. Weil man ihn in der kurzen Zeit bis zu seiner nächsten Niederlage nutzen muss. Bis er sich wieder zurückzieht um sich zu sammeln. Sage mir, was Antoine bei einer Niederlage gegen mich tun würde, Amélie? Würde er seine Geschichte der großen Kämpfe fortsetzen, wenn er schon im zweiten Duell eine Niederlage einfährt? Oder würde er sich einmal mehr zurückziehen und nach der nächsten Möglichkeit suchen um mit dem geringsten Aufwand seinen Weg zum Gold zu finden? Antoine ist eine strahlende Fassade, die bei einem Sturm zerfällt.“


Ein gewisser Groll schwingt langsam in der Stimme mit. Der Stachel namens Antoine sitzt noch immer tief und der Haut des Freiburgers.


Alex: „Dahinter bin ich. Der Fels in der Brandung. Der Fixpunkt der Liga. Du weißt, was ich tue Amélie. Du hast es vor einem Jahr selber erlebt, als ich einmal an dem Tiefpunkt war an dem Antoine jährlich ist. Ich finde einen weiteren Weg um die Liga zu formen, zu prägen und aus dem Kern heraus zu führen. Ich werde das Gold nicht ewig halten, Amélie. Doch in der Zeit, die ich habe, werde ich die Liga leiten und anführen. Eine Liga in der sich die besten messen regelmäßig messen sollen…nicht nur einmal pro Halbjahr.“


Der Mathematiker hat Selbstvertrauen getankt, lässt sich von Antoines Frau nichts bieten und tritt ihr einen Schritt näher entgegen. Der eisige Blick geht direkt in ihre Augen.


Alex: „So wichtig mir Antoine auch ist…er steht mir im Weg.“

Amélie: „Gerade du solltest nicht den Fehler machen, Antoine zu unterschätzen.“


Die Mundwinkel sind tief nach unten gezogen, wandern aber dann doch nach oben.


Amélie: „Du hast nie die Liga geleitet und wirst es auch nie tun. Du warst zu keinem Zeitpunkt deiner Karriere der beste Wrestler der Liga und auch das wirst du nie sein. Du, Alex, du bist weder der Fels in der Brandung, noch der Sturm der du glaubst zu sein. Du, Alex, du bist nicht der Sturm, welcher die strahlende Fassade Antoines zum Einsturz bringen kannst. Du, Alex...“


Sie macht noch mal einen Schritt auf Alex zu und schaut ihm in die Augen.


Amélie: „Du warst es immer, du bist es derzeit und mehr wirst du auch niemals in deinem Leben sein, als das: Ein Sturm im Wasserglas.“


Und mit diesen Worten verlässt sie dann auch die Szenerie, sie hat genug gesagt und ihren Standpunkt klar gemacht. Ebenso wie die das Echo ihrer Schuhe auf dem Betonboden verhallen, fadet die Szene auch langsam aus mit einem letzten Schwenk zu Ricks’s klirrend kalter Miene.




Vor zehn Tagen…

 

Vivien Tolnai: „Muss ich das verstehen?“

 

Ihr Gegenüber zuckt bloß mit den Achseln.

 

Aiden Rotari: „Das wirst du, sobald du durch das Tor schreitest.“

Vivien Tolnai: „Ich mache überhaupt nichts, bevor du mir nicht gibst, was mir versprochen wurde.“

 

An dieser Stelle könnte man einen vagen, flotten Spruch von Rotari erwarten, während er sein immerzu währendes Lächeln lächelte, das niemals seine Augen erreichte, bevor er in eine vor Ironie und Zweideutigkeit triefende Geste verfallen würde.

 

Das war vor Luna Rosario.

 

Aiden Rotari: „Selbstverständlich. Entschuldige.“

 

Der selbsternannte Protagonist der Dortmunder Promotion trägt Sport-Kleidung, während Tolnai deutlich eher in Richtung „Geschäftliches“ gekleidet ist. Sie dreht den Kopf leicht, statt direkt in die filmende Kamera und dem Zuschauer entgegen, als wolle sie sich versichern, dass die Dinge, die sich hier abspielten, auch wirklich für die Nachwelt festgehalten wurden – und da war sie sehen können, ist das offensichtlich passiert.

 

Aiden Rotari: „Hier. Von Robert persönlich unterschrieben. Er weiß Bescheid.“

 

Mit freudloser Stimme und einer Stimmlage, die an einen einen kalten, schneidenden Windzug aus dem tiefsten Winter erinnert, überreicht Aiden ohne jede Form von Feierlichkeit oder spielerischem Zögern ein Stück Papier, auf dem oben die Worte „BESTÄTIGUNG: AUTORISIERTER ZUGANG ZUM GFCW PERFORMANCE CENTER“ prangen.

 

Ein sehr deutlicher Unterschied zu seinem vorherigen, stets schmeichlerischen und neckischen Singsang, bei dem alles, was er sagte, nicht so klang, als wäre es eine sonderlich ernste oder bedrohliche Angelegenheit.

 

Die Reporterin nickt zufrieden, steckt das Stück Papier dann in die Umhängetasche, die an ihrer Schulter baumelt, und wendet den Blick zu Rotari.

 

Vivien Tolnai: „Danke.“

 

Keine Erwiderung. Bloß ein stummes Nicken, ehe er sich zum Gehen wendet.

 

Aiden Rotari: „Hier hinein.“

 

Einen Moment lang zögert Tolnai, dann folgt erst sie und dann der Kameramann Rotari an dem metallenen Gitter vorbei, das als Tor fungiert. Als wir den Raum dahinter erkennen können, sehen wir etwas, das man am ehesten vielleicht als leere Lagerhalle beschreiben könnte.

 

Nun, zumindest zu großen Teilen ist sie leer.

 

Vivien Tolnai: „Man hat mir gesagt, ich dürfte exklusive Aufnahmen von deiner Vorbereitung für das Match bei Ultra Violence gegen Luna Rosario machen. Warum genau sind wir also hier?“

Liam Spencer: „Weil die uns in der „Villa Vaughn“ beim „Murder Pervert“ spiel‘n nicht mitmach’n lass’n.“

 

Der junge Brite mit der notorisch schlechten Laune tritt ins Bild, und mit einem Ächzen wirft er einen großen, schwer wirkenden Sack zu Boden, woraufhin ein metallisches Rasseln erklingt. Eine genervte Grimasse ziehend biegt er den Rücken durch, während er die Flachen hände in die Hüften stemmt.

 

Liam Spencer: „Das‘ der Letzte. Die Baumarkt-Rechnung zahlst du.“

 

Mit dem Zeigefinger deutet Buzzkill auf Rotari, der bloß zustimmend den Kopf hebt und senkt, ehe er sich bückt. Die Kamera folgt ihm und findet neben dem von Spencer soeben hergebrachten noch zwei weitere Säcke, allesamt ziemlich vollgepackt, wie es scheint.

 

Rotari fährt mit der Hand über die Rundungen des Sacks, behutsam, fast schon vorsichtig. Er schürzt die Lippen – nicht etwa gespielt und übertrieben, um sich über jemanden oder etwas lustig zu machen, es wirkt wie eine ernsthafte Reaktion auf die vor ihm liegende Situation.

 

Aiden Rotari: „Du bekommst deine Bilder, Vivien. Ich halte meine Versprechen.“

 

Es wirkt wie ein implizierter Vorwurf an niemand bestimmten.

 

Aiden Rotari: „Wenn ich deine Worte richtig in Erinnerung habe, und das habe ich, hast du nach etwas verlangt, das nicht „standard-mäßig in jedem schlechten Dirt Sheet auftaucht“. War es nicht so?“

 

Mit hochgezogenen Augenbrauen mustert Buzzkill, der sich neben Rotari positioniert hat, die Reporterin, als würde er sie nun mit völlig neuen Augen sehen. Diese zuckt allerdings nicht einmal mit der Wimper.

 

Vivien Tolnai: „So war es.“

 

Leicht geistesabwesend macht Rotari eine Handbewegung, die wohl etwas wie „habe ich doch gesagt“ ausdrücken soll. Dann zieht er an einem der Säcke und kippt den Inhalt quer über den Boden der Halle aus.


Es scheppert, klirrt und rasselt, als ein Sammelsurium an Alltagsgegenständen über den Betonboden der Lagerhalle verteilt wird.


Oder wie Luna sagen würde: Ein Waffenarsenal.


Eine Kette. Mehrere Holzlatten. Werkzeug. Kabel und Kabelbinder. Geschirr.


Tolnai zieht zischend die Luft ein.


Vivien Tolnai: „Krank.“

Aiden Rotari: „Aber leider notwendig.“


Der Protegé von Robert Breads ist sehr eindeutig überhaupt nicht begeistert von dem, was vor ihm liegt. Seine freudlosen Augen gleiten über all die Dinge, mit denen er potenziell konfrontiert werden könnte.


Aiden Rotari: „Ich darf mir die Chance, dem Protokoll beizutreten, nicht entgehen lassen. Ich muss mein Bild in der Öffentlichkeit richtigstellen, nun, wo es mir aus den Händen geglitten ist.“


Bei diesen Worten tauschen Tolnai und Spencer im beinahe exakt gleichen Moment einen Blick aus. Auch hier ist es rückblickend irgendwie wenig überraschend, dass gerade Aiden Rotari eine sehr gute Beziehung zu einer Reporterin unterhalten hatte.


Liam Spencer: „Ich denk‘ immer noch, du übertreibs‘. Reicht ja wohl, sich über den Scheiß Gedanken zu machen, du musst den Dreck doch nicht ausprobieren. Und das sag ich nich‘, weil ich ich mich rausreden will. Ich hab‘ immer noch ‘n Scheiß schlechtes Gewissen, weil ich’s verkackt habe, dich vor dieser abgefuckten Peitschen-Nummer zu retten, und wenn du’s echt durchziehen wills‘, dann gucken wir uns diesen Mist zusamm‘ an. Aber ehrlich…“

Aiden Rotari: „Du machst es schon wieder.“


Ohne in die Richtung von Buzzkill zu schauen und ohne die Stimme zu heben – aber mit dem Hauch eines tadelnden Untertons, der Spencer nicht entgeht, und der ihn sogleich mit dem Kiefer mahlen lässt – spricht der selbsterklärte Protagonist der GFCW mit ihm. Mit einer Hand hebt er eine der Ketten hoch – die kleinste, dünnste von einem paar verschiedener – und lässt sie durch die Finger gleiten.


Aiden Rotari: „Man kann nur einmal aus dem Nichts kommen, so wie es Luna Rosario getan hat. Dennoch wird sie konsequent weiter unterschätzt, von einer Menge Leute, die gegen sie verloren haben. Dich eingeschlossen, Liam. Mehrfach.“

Liam Spencer: „Is‘ mir klar, du Penner.“

Aiden Rotari: „Dann lass dir gesagt sein, dass ich das nicht getan habe. Ich habe diese Matches gesehen, die sie alle gewonnen hat. Ich habe ihre Stärken gesehen und sie genauso anerkannt wie ihre Schwächen. Und als ich gegen sie gekämpft habe, nachdem sie monatelang einen Sieg nach dem anderen einfuhr, und sie als Gegnerin komplett ernst genommen habe, was ist da passiert?“


Der offensichtlich genervte und von diesen Worten etwas übertölpelte Buzzkill schiebt seine untere Zahnreihe hin und her, ohne Rotari die Antwort auf die rhetorische Frage zu gönnen, die er soeben gestellt hat. Doch das scheint Aiden entweder nicht zu kümmern oder aber er nimmt es gar nicht wahr.


Langsam erhebt er sich wieder, die Kette in Händen. Tolnai geht sicherheitshalber einen Schritt zurück, auch wenn Rotari keinerlei Anstalten macht, sie anzugehen. Irritiert von diesem Rückzug schaut Aiden die Reporterin an. Nun, da er sich das Lächeln und die Höflichkeiten spart, starrt er einfach unverhohlen direkt in die Augen von Viven Tolnai, was diese nun doch sichtlich verunsichert. Da ist nicht einmal ein Funken von etwas, das Sympathie auch nur nahekommen würde.


Vivien Tolnai: „Willst du dich… ernsthaft nun mit diesen Dingen prügeln?“

Aiden Rotari: „Selbstverständlich nicht. Das wäre vollkommen idiotisch.“


Es klingt nicht einmal wie eine Beleidigung, so wie Rotari es ausspricht, es ist eine mehr oder minder nüchterne Feststellung, die ein wenig an seinen vielleicht zukünftigen Protokoll-Kollegen Alex Ricks erinnert. Menschlich trennt die beiden dann allerdings nebst der Tatsache, dass dies bei Rotari weniger Charakterzug als Trauma zu sein scheint, doch eine ganze Menge.


Ein wenig rot wird Tolnai dann aber doch, was Aiden allerdings entweder übergeht oder nicht bemerkt, ehe er weiterspricht.


Aiden Rotari: „Das hier wird kein Scarecrow-artiges Fest der Selbstverstümmelung. Das würde niemandem dienen. Wir müssen uns von dem abheben, das wird verachten, denn sonst können wir es nicht vernichten.“


Buzzkill bläst die Backen auf und kratzt sich fast ein wenig peinlich berührt ob dieses vollkommen ernst gemeinten Exkurses am Hinterkopf. Die Journalistin starrt peinlich berührt weiter ihre Füße an.


Aiden Rotari: „Dennoch will ich nicht in einen Kampf mit einem mir bekannten Feind auf dessen Territorium treten, wenn ich selbiges Gebiet vorher erkunden kann. Dieses Gebiet der… Gewalt… Perversion… Mutilation… ich muss darüber so viel wissen wie möglich. Das ist ihr großer Vorteil, und den gilt es so gut ich kann zu neutralisieren.“


Er klimpert mit der Kette in seiner Hand. Tolnai zuckt kurz erschrocken zusammen.


Aiden Rotari: „Ich will nicht bei unserem Match zum ersten Mal eine solche Kette in der Hand halten. Wie viel wiegt so etwas? Kann ich damit zuschlagen oder ist das zu schwierig? Welche Wege gibt es, Attacken mit solchen Gegenständen entgegenzuwirken? Welche Dinge kann ich abfangen und welchen sollte ich schlicht ausweichen? Das will ich nicht nach meinem Bauchgefühl mitten in einem Ring mit einer Frau entscheiden müssen, der sich solche Fragen nicht einmal mehr stellen, weil das Wissen über diese Vorgänge ihr längst in Fleisch und Blut übergegangen ist.“


Achtlos lässt er das lange Metall nun fallen und tritt einen Schritt in Richtung der nächstgrößeren Kette. Spencer beißt sich auf die Unterlippe.


Aiden Rotari: „Es gilt ihren Vorteil durch die Match-Art so gut es geht zu minimieren. Wenn gleiche Bedingungen herrschen, weiß ich, dass ich sie schlagen kann. Ich weiß aber auch, dass ich niemals so gut wie sie in diesem… Kampfstil… werden kann, zumindest nicht in der Kürze der Zeit. Deshalb werde ich es auch nicht versuchen, sondern lediglich den Abstand im Wissen zwischen uns beiden zu verringern.“

Vivien Tolnai: „Das ist eine… wirklich individuelle Vorbereitung. Komplett auf die Gegnerin zugeschnitten und wie man sie am besten besiegen kann.“

Aiden Rotari: „Genau das wolltest du doch sehen. Wie schon gesagt, ich halte meine Versprechen. Liam, kannst du mir helfen, die Glasscheibe aus dem Sack zu heben, ohne dass sie zerbricht?“