Nachts. Dunkelheit. Nur die fernen Laternen der Stadt werfen ihr Glühen an die Scheiben des Wohnhauses. Fünfter Stock. Ein Mann lehnt im Fensterrahmen und atmet Nachtluft durch das gekippte Fenster.
„Du hattest es wirklich geschafft, Iray Burch. Für ein paar Wochen habe ich geglaubt, mein Herr hätte mich im Stich gelassen.“
Gedankenverloren gleiten Rasmus Rantanens Finger über die Kette an seinem Hals. Er betrachtet die Kratzer auf der Oberfläche, die abgeplatzte Versilberung. Das Objekt wurde entweiht. Gegen seinen Träger verwendet, ihm gar in den Rachen getrieben. Doch auch in seiner entstellten Form bleibt es für Rantanen von unschätzbarem Wert.
„Ich habe mit meinem Schicksal gehadert. Als ich vor mich hin siechte in Krankenzimmern und im Spiegel mein eigenes, geschwollenes Gesicht kaum erkannte. Als ich Blut hustete, tagelang die Welt nur durch einen glasigen Schleier erlebte, und tumb machende Tabletten zu meinem besten Freund wurden. Als sich die ersten Schritte zurück auf eigenen Beinen wie ein Marsch über tausend Messer anfühlten. Da verstand ich meinen Herrn nicht. Immer und immer wieder fragte ich: Wie kann er zulassen, dass ich, sein Auserwählter, solche Schmerzen erleide? Ich hätte meine Fragen hinaufgeschrien, hätte ich denn eine Stimme gehabt. Ich sah nicht, welch größerem Plan das Leid diente, das mir widerfuhr.“
Er wendet sich der Kamera zu. Das Gesicht ausgezehrt, die Haare schlierig. Und doch: Unter der abgehärmten Schale steckt die Andeutung, dass alles besser geworden ist. Da ist ein Leuchten in Rantanens Augen.
„Ich war gefesselt an die Passivität. Ans Nichtstun. Meine einzige Verbindung zur GFCW war ein Bildschirm, auf dem ich Shows verfolgen musste, von denen ich kein Teil war. Kein Teil sein konnte. Wegen dir, Iray Burch.“
Drei Silben, vorgetragen mit verächtlichem Zungenschlag. Da, ein unmerkliches Zittern auf Rantanens Oberlippe.
„Ich wurde verletzt. Ich wurde gedemütigt. Ich wurde aus der Position gedrängt, für die ich monatelang alles aufs Spiel gesetzt habe. Nach meinen größten Triumphen folgte mein größter Fall. Warum ließ ER es geschehen?“
Jetzt wird die Stimme lauter. Rasmus gleitet aus dem Fensterrahmen und tritt in den Raum. Er nimmt ein Wasserglas, umklammert es auf eine Weise, die befürchten lässt, es müsse jeden Augenblick zerspringen.
„Das Schlimmste jedoch, Iray Burch, war zu sehen, wie mein Leid alsbald einem anderen Gesprächsthema wich: Dir. Ich, als der große Aufsteiger der vorangehenden Monate, geriet in Vergessenheit. Man sprach lieber über das neue, böse Monster. Über den Unmenschen, der einen Einstieg erlebte, wie man ihn kaum zuvor gesehen hatte. Man machte dich noch größer, als du bist. Für deine schreckliche Tat, für die Schmerzen, die du mir angetan hast, wurdest du belohnt. Ein Vertrag. Deine ersten Kämpfe, allesamt Siege. Dann der Auftritt im Co-Main-Event von Carnival of Combat. Für die Rasanz deines Aufstiegs hat nur einer bezahlt…“
Er wischt sich eine Strähne aus dem Gesicht. Stellt das Wasserglas zurück auf den Tisch. Ein einzelner Tropfen läuft sein Kinn hinab.
„Ich. Mit meinem Körper. Und all die Tage, all die Wochen, all die Monate, sah ich nicht die Botschaft Jesu dahinter. Hatte er mich verlassen? Ich begann zu zweifeln.“
Ein Blick zu Boden. Der Griff geht zurück an die Kette. Dann schüttelt er langsam seinen Kopf. Die Ausläufer des kinnlangen Haaren legen sich von der einen auf die andere Seite.
„Doch je mehr mein Körper gesundete, umso deutlicher wurde mein Blick. Und in den Tagen vor Carnival of Combat, da stand die Botschaft des Herrn plötzlich so klar am Himmel wie Sterne in einer wolkenlosen Nacht.“
Sein Tonfall. Nun wird er festlich. Triumphal, als müsse man ihn mit himmlischen Trompetenspiel begleiten.
„Du, Iray Burch, musstest überlebensgroß werden, damit ich dich stürzen kann. Du musstest zum gefürchteten Goliath werden…damit ich dein David sein kann.“
Er legt den Kopf schief. Ein Lächeln gleitet über die Lippen Rasmus Rantanens. Da ist es wieder: Das Gesicht, welches ihn auszeichnet. Das schiefe Grinsen, das auszusagen scheint, ihm gehöre die ganze Welt.
„Deine Eroberungen werden meinen Sieg noch größer machen als er zuvor hätte sein können. Ich bin tief gefallen, um noch viel höher zu klettern.“
Rantanen schaltet das Licht an. Er steht inmitten seines Wohnzimmers. Der Körper, gekleidet in ein weißes Hemd, hat seine Makellosigkeit zurück. Die Blutergüsse sind zurückgewichen. Der Gang ist aufrecht, unter der Kleidung zeichnen sich feste Muskeln ab.
„Du hast Eindruck gemacht, Iray Burch. Man fürchtet dich. Nun ist ein Sieg gegen dich etwas wert. DAS ist der Plan hinter all der Pein, die mein Herr zuließ. Endlich sehe ich wieder klar.“
In den Scheiben das Leuchten vorbeifahrender Autoscheinwerfer. Rasmus Rantanen wandelt im Licht. Er breitet die Arme aus.
„In zwei Wochen, Iray Burch, werde ich zu War Evening kommen. Ich werde dich nicht einmal bitten, aufzutauchen – ich weiß, dass du da sein wirst. Denn bei all deinen schrecklichen Eigenschaften bist du eines nicht: Ein Feigling. Du bist mutig. Du verzehrst dich nach der Gewalt wie ein Raubtier nach der Beute. Ich werde dir Gewalt geben, Iray Burch. Gewalt, wie du sie noch nie erlebt hast. In zwei Wochen, War Evening. Nimmst du meine Herausforderung an?“
Maximilian Lunenkind: „Was ist das denn?“ Lorenz: „Effizienz.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“
Neugierig beugt Lunenkind sich nach vorne und begutachtet den Gips, den Lorenz am Arm trägt. Er ist übersäht mit Produktplatzierungen und QR-Codes, die auf verschiedenste, angeblich überragende Angebote im Online-Shop der Lerbitz Performance Group verweisen.
Maximilian Lunenkind: „Wir sollten sowas auf den Anzug vom Rohr drucken.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“
Lorenz schlurft langsam über den Parkplatz der Halle auf den Veranstaltungsort hinzu, wobei er der Kamera, die sie filmt, aus dem Augenwinkel einen verschlagenen Blick zuwirft. Er trägt den Trench Coat von Marco Coppola mit seinen ästhetischen acht Knöpfen, gegurteter Taille und weiten Schultern. Jeder dieser Trench Coats wurde in über 20 Stunden Handarbeit in Italien gefertigt. Lorenz stellt sicher, dass sein Gips trotz der länglichen Ärmel im Bild bleibt. Lunenkind und das Sprachrohr bleiben ihm auf den Fersen.
Maximilian Lunenkind: „Wie lange musst du das Ding noch tragen?“ Lorenz: „Die Entrepreneurin sagte mir, es wäre praktisch, diese Gratis-Werbefläche dauerhaft zu nutzen. Und eine freie Hand sollte reichen.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“ Maximilian Lunenkind: „Hat sie was dazu gesagt, dass der Boss dich so zugerichtet hat?“
Bei diesen Worten bleibt Lorenz stehen, und für einen kurzen Moment verkrampft sich sein Unterkiefer. Ob ihm wohl auf der Zunge liegt, zu erwidern, die Entrepreneurin sei eigentlich der Boss? Oder ist es die Erinnerung an den tätlichen Angriff von Aiden Rotari, der dafür gesorgt hat, dass wir Lorenz wochenlang nicht gesehen haben?
Lorenz: „Die Entrepreneurin hält Herrn Rotari für ein wertvolles Asset, und wir können uns glücklich schätzen, dass er die Lerbitz Performance Group mit seinem Sinn für Pragmatismus bereichert.“
Das klingt, als hätte er es auswendig gelernt. Lunenkind und das Sprachrohr tauschen einen Blick aus. Das Gesicht des Rohrs können wir natürlich nicht sehen, aber Lunenkind sieht nicht unbedingt überzeugt aus. Lorenz fährt tonlos fort.
Lorenz: „Er hat mich für mein Fehlverhalten angemessen bestraft. Er hatte angekündigt, genau das zu tun, was er letztlich tat, und es war mein Fehler, ihm keinen Glauben zu schenken. Ich kann dankbar sein, dass er sich gnädig gezeigt hat, was das Ausmaß der Bestrafung angeht.“
Demonstrativ hebt er seinen Gipsarm in die Höhe, dann dreht er den Kopf. Die Augen hinter seiner Brille geben seine Nervosität preis. Er schaut direkt in die Kamera, spricht nun nicht mehr nur mit seinen beiden Kameraden, sondern in erster Linie mit… wem? Den Fans? Der Entrepreneurin? Aiden Rotari?
Lorenz: „Ich habe großen Respekt für Herrn Rotari.“
Schlucken. Sein Adamsapfel zittert, bevor er sich räuspert.
Lorenz: „Und von nun an werde ich mich auch so verhalten.“
Das klingt wie ein Versprechen, das er wohl einhalten wird, wenn man sich die neuartige Mischung aus Furcht und Unterwürfigkeit ansieht, die Lorenz hier zur Schau stellt. Letzteres kennen wir bereits von seinen Interaktionen mit der Entrepreneurin, doch diese verehrt er. Vor Rotari hat er offensichtlich Angst.
Das Sprachrohr: „FAKT!“
Das soll Lorenz‘ Aussage wohl noch einmal untermauern, doch der achtet gar nicht so wirklich auf das Sprachrohr, sondern lässt den Blick von der Kamera in den Himmel wandern. Seine Gedanken sind woanders. Bloß Lunenkind hat die gesamte Situation im Auge und kratzt sich ein wenig nachdenklich am Kinn.
Maximilian Lunenkind: „War schon ziemlich fies von ihm. Er hätte ja auch einfach-“ Lorenz: „Man muss das Risiko gegen den potenziellen Ertrag aufwiegen. Ist es das wirklich wert?“
Was genau meint Lorenz damit? Ist es das Risiko, dass Rotari handgreiflich wird, wert, mit ihm zusammen zu arbeiten, weil er letztlich Resultate liefern wird? Ist es das Risiko, Rotari zu konfrontieren, wenn doch eigentlich klar ist, dass dies zu keiner Besserung führen wird? Oder ist es bloß die Wiederholung des Mantras der Entrepreneurin, welches ihn beruhigt?
Lorenz: „Die Entrepreneurin lag noch immer richtig, so wird es auch diesmal sein. Sie hat Herr Rotari zu unserem Vorsitzenden ernannt, und das wird sie selbstverständlich wie immer gut durchdacht haben.“
Beinahe anklagend und ein wenig übermäßig theatralisch zeigt Lorenz auf Lunenkind, als wolle er ihn vor laufender Kamera zur Rede stellen, was potenzielle Zweifel an Aiden Rotari angeht.
Lorenz: „Er hat uns gerade erst zum Sieg über das Switziverse Unlimited geführt.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“ Lorenz: „Daran solltest du dich bestens erinnern, du standest schließlich im gleichen Match.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“ Lorenz: „Und angemessene Dankbarkeit sieht anders aus als dein Verhalten.“
Dabei unterschlägt Lorenz selbstredend die Leistungen von Luna Rosario und Monica Shade, die ebenfalls Teil dieses Matches waren, aber es geht ihm im Moment eben eher darum, sich bei einer bestimmten Person einzuschleimen – da ist die Wahrheit nur im Weg.
Maximilian Lunenkind: „Stimmt, ich hab‘ im Zirkus mit ihm gekämpft. Und mit Luna und Monica, und mit den Girlies war es richtig Swag. Vereinte Pigster-Power. Einer für alle, alle für Schweine und so. Aber irgendwie… keine Ahnung. Es war so, als wäre er gar nicht Teil des Teams, obwohl er im Team war, checkst du?“ Lorenz: „Absolut nicht.“
Lunenkind verzieht das Gesicht, auf der Suche nach den richtigen Worten, die ihn gleichzeitig nicht übermäßig in Schwierigkeiten bringen aber dennoch seinen Punkt machen.
Maximilian Lunenkind: „Wenn ich da echt verreckt wäre, ich glaube, es hätte ihn nicht gejuckt. Höchstens geärgert, weil es dadurch einen Nachteil im Match gegeben hätte. Ich meine ja nur, dass der Boss manch-“ Lorenz: „Wie dem auch sei.“
Der Marketing-Experte der LPG lässt keine weitere Diskussion zu. Lunenkinds Epiphanie ob seiner Nahtod-Erfahrung beim Pay-Per-View scheint aus ungewohnt ehrlicher Sorge entstanden zu sein, aber Lorenz kommt sie bei seiner Agenda im Moment lediglich in die Quere.
Lorenz: „Herr Rotari wird heute im Ring verkünden, wie die Zukunft der Lerbitz Performance Group aussehen wird. Wir haben Miria Saionji zu feiern.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“ Lorenz: „Wir haben den Förderkader final in seine Schranken gewiesen.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“ Lorenz: „Und wir haben das Switziverse besiegt.“ Das Sprachrohr: „FAKT!“ Lorenz: „Jede Debatte, ob Aiden Rotari der richtige Mann an der Spitze ist, hat dementsprechend keinerlei ernstzunehmende Grundlage.“
An dieser Stelle schweigt das Sprachrohr. Lunenkind nickt langsam.
Maximilian Lunenkind: „Du hast bestimmt Recht. Die Entrepreneurin wird sich nicht irren. Alles läuft super. Ich hatte eben nur diese wirklich lebensverändernde Nahtoderfahrung im Zirkus und seitdem denke ich darüber nach, ob wir nicht-“ Lorenz: „Mir ist kalt. Lasst uns reingehen.“
Lunenkind runzelt die Stirn, als er den Mantel von Lorenz beäugt, der ihn mit Sicherheit mehr als warmhält. Der Marketing-Experte weicht seinem Blick aus, dreht sich in Richtung des Mitarbeiter-Eingangs und drängelt sich rüde an einer Kamerafrau vorbei, wobei er noch immer darauf bedacht ist, seinen Gips so zu halten, dass die Kamera die QR-Codes aufnehmen kann. Das Sprachrohr folgt ihm mit federnden Schritten, wie immer ob der Maskierung vollkommen unlesbar. Lunenkind bleibt für einen Moment allein zurück und wirkt auf eine unübliche Art und Weise ernst.
Maximilian Lunenkind: „Alles läuft super. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Oink, Oink, und den Blick nach vorne.“
Am Tag nach Carnival of Combat.
Mac Müll: „Es ist nun einige Wochen her, dass Viggo im Förderkader Benji Akbulut durch den Cirque du Tonnerre ersetzt hat. Seitdem hat unser Zirkusteam viele Premieren gehabt: Der erste TV-Auftritt, der erste Kampf, der erste Sieg, und bei unserer zurückliegenden Show auch die erste Niederlage.“
Das Morgenlicht fällt auf Ferropolis. Es ist noch früh an diesem ersten Montag nach dem PPV. Doch im Hintergrund, vor der beeindruckenden Kulisse mit ihren kolossalen Baumaschinen, rauschen bereits Kolonnen von Trucks und Lieferfahrzeugen in Richtung des kommenden Veranstaltungsortes. Der GFCW-Zirkus zieht weiter. Nur Mac hat offensichtlich noch etwas zu erledigen, ehe auch er sich hinter das Steuer klemmt.
Mac Müll: „Nur eine Premiere gab es noch nicht: Creed Gibson und Andrew Costalago haben noch keine ersten Worte gesprochen. Das soll sich jetzt ändern. Denn der Cirque hat sich bereiterklärt, mir heute in diesem besonderen Szenario ein Interview zu geben.“
Die Kamera schwingt herum. Nach der Anmoderation stapft Müll über den Untergrund, der durch zehntausende Zuschauerfüße matschig geworden ist. Die Planen des Zirkuszeltes werden gerade zusammengerollt. Das Treiben wird von zwei Gestalten verfolgt, die entspannt auf hohen Containern herumlungern. Dort oben lassen sie ihre Beine herabbaumeln.
Es sind – wie von Mac angekündigt – Andrew Costalago und Creed Gibson, der Cirque du Tonnerre. Die beiden Männer mit den auffällig gefärbten senfgelben Haaren haben sich gegen die Kälte des frühen Tages in Sweatjacken gehüllt. Costalago hält einen Kaffeebecher in der Hand, aus dem es dampft. Die Augen der Beiden sind wieder dunkel umrandet, ansonsten ist das Outfit für ihre Verhältnisse zurückhaltend.
Mac Müll: „Hallo Creed.“
Der Interviewer tritt zum gewohnt nervös dreinblickenden Gibson, dem kleineren und weniger muskulösen Part des Teams. Gibson scheint die Begrüßung zwar wahrzunehmen - zumindest zuckt sein Blick kurz in Mülls Richtung - doch er ist zu sehr vom Abbau des Zeltes gefesselt, als dass er sich Zeit für eine Antwort nehmen würde.
Mac Müll: „Hallo Andrew.“
Bei Costalago hat Mac mehr Glück. Der Ruhigere des Duos hebt zum Gruß seinen Kaffeebecher und klopft auf einen Platz auf dem Container neben sich.
Andrew Costalago: „Setz dich hier oben zu uns.“
Eine Aufforderung, die bei Mac Müll ein Stirnrunzeln hervorruft. Denn wie soll er bitte auf den Container kommen? Als zertifizierter Lappen in allen Belangen ist Klettern nicht sein Spezialgebiet.
Costalago scheint Mülls Gedankengang lesen zu können. Denn ohne dass der Reporter etwas sagen muss, springt Andrew vom Container herab, landet behände wie ein Jaguar. Er stellt sich neben Müll.
Andrew Costalago: „Darf ich?“
Noch ehe Mac fragen kann, was Andrew überhaupt meint, packt der Zirkusmann ihn. Von Mac gibt es einen kurzen überraschten Schrei. Dann wird er wie bei einer Artistennummer in die Luft geschleudert – und landet passend auf dem Container.
Das alles ging so schnell, dass Mac nicht einmal Zeit hatte, Panik zu bekommen. Jetzt, auf seinen neuen Platz auf dem Container, ist er dem Cirque ganz nahe. Er blickt zu Gibson, der aber noch immer keine Aufmerksamkeit für ihn hat. Zum Glück kommt Costalago just in diesem Moment zurück auf den Container geklettert. Er setzt sich neben Müll.
Mac Müll: „Der Zirkus wird abgebaut und zieht weiter. Eine Situation, die ihr schon hunderte Male erlebt habt, bevor ihr zur GFCW gewechselt seid. Nun jedoch…seid ihr nicht mehr beim Zirkus. Nicht mehr diejenigen, die weiterziehen.“
Er blickt zwischen beiden Männern hin und her. Gibson hat endlich die Augen vom Zelt – oder was davon übrig ist – abgewendet und nimmt den Reporter wahr.
Mac Müll: „Macht es euch wehmütig?“
Als Antwort gibt es ein schelmisches Grinsen von Gibson. Was auch immer das sagen mag. Er klopft sich auf die Oberschenkel, und schüttelt dann mit kindlichem Enthusiasmus den Kopf.
Andrew Costalago: „Ehrlicherweise ist es eine Erleichterung zu sehen, dass der Zirkus weiterzieht.“
Mac Müll: „Erleichterung? Aber Carnival of Combat hat doch perfekt zu euch gepasst.“
Ein Knall.
Gibson hat mit der Faust auf das Container-Metall geschlagen. Und damit einen Höllenlärm gemacht. Müll schreckt zusammen und fällt beinahe herunter. Er kann sich gerade noch so festhalten. Dann blickt er mit weit geöffneten, panischen Augen Gibson an. Hat er irgendetwas Falsches gesagt? Gibson gibt ein langgezogenes Seufzen von sich.
Creed Gibson: „Junge, wieso denkt das jeder? Hat es das wirklich, Mac?“
Schon irgendwie, oder? Dementsprechend zieht Müll vor Verwirrung die Augenbrauen zusammen. Weil Gibson keinen Ansatz macht, seine rhetorischen Fragen zu erläutern, muss wieder einmal Costalago einspringen.
Andrew Costalago: „Jeder kann mal für einen Tag in der Manege stehen, wenn er will. Mache eine gute Show und du bekommst Applaus. Sei ein Clown, vollführe Tricks oder liefere, so wie gestern, Wrestlingmatches ab, die zufällig im Zirkuszelt stattfinden. Aber das macht dich nicht zum Zirkusmann. Das bist du erst, wenn du es vom ganzen Herzen gelebt hast. Das Leben abseits der Manege ist es, was den Zirkus ausmacht. Im Bauwagen wohnen auf irgendwelchen Marktplätzen. Umgeben von ein paar Freaks, die zu deiner Familie werden. Jede Woche aufbauen und abbauen. Durch die Lande reisen, die Welt durch Autoscheiben erleben. Es ist entbehrungsreich. Es prägt dich.“
Bei diesen Worten nickt Creed Gibson mit feierlichem Ernst. Es macht fast den Eindruck, als wolle er seinem Partner am Ende dieses Monologs applaudieren.
Andrew Costalago: „Dieses Leben gelebt zu haben macht uns zu Zirkusmenschen. Diejenigen Wrestler, die sich in den letzten Wochen mal eine rote Nase und bunte Schuhe angezogen haben, um sich für Carnival of Combat-Werbeshooting fotografieren zu lassen, sind es nicht. Es waren nur Kostüme für sie. Es war nur ganz normales Wrestling in einem Zelt statt in einer Halle und mit ein bisschen Zirkusflair als Marketing-Trick drumherum. Es fühlte sich fast wie eine Verhöhnung von dem an, dass unsere Identität ist.“
Bevor Müll Zeit hat, all diese Einschätzungen richtig zu verarbeiten, springt neben ihm Creed Gibson unvermittelt auf. Er balanciert gefährlich nahe am Containerrand. Ein falscher Schritt und es geht gute zwei Meter nach unten auf den Geländeboden. Gibson scheint es nicht zu stören. Er macht einen Schritt auf Mac zu.
Andrew Costalago: „Aber wir haben nicht jahrelang das wahre Zirkusleben gelebt, um uns für so etwas Oberflächliches vereinnahmen zu lassen. Nein, der Zirkus ist weg…“
Er vollführt eine weitläufige Geste über das Gelände. Grad wird eine weitere Plane des Zeltes in einen LKW verladen. Jetzt ist endgültig nicht mehr viel von der Carnival of Combat-Kulisse zu sehen.
Andrew Costalago: „…und wir sind jetzt hier. Wirklich hier. Der große Schnitt ist getan, jetzt sind wir zu 100% Wrestler. Unsere Karriere geht so richtig los – nicht als zwei Maskottchen, die gut zum Motto des PPV-Zyklus passen, sondern als normale Wrestler. Als zwei Menschen mit einer Biographie, die sie geprägt hat.“
Mac Müll: „Das ist eine Sichtweise, an die ich nicht gedacht habe. Danke.“
Trotz der seiner gelegentlichen Irritation wirkt Mac zufrieden mit dem Verlauf des Interviews. Er kam zu zwei Männern, die noch kein Wort gesagt hatten, und bekommt jetzt tatsächlich persönliche Einblicke geliefert, ohne dass er penetrant nachbohren muss. Tammy wird sich in den Arsch beißen, wenn sie davon erfährt. Mac hat nicht viele Freuden in seinem Leben, aber das gehört dazu.
Mac Müll: „Der erste Schritt eures neuen Weges ist auch schon bekannt: Grad kam die Card für War Evening aus. Ihr trefft auf die Tag-Team-Champions Aya und Jay Taven. Was kann die GFCW-Welt jetzt von euch erwarten?“
Ohne, dass es einen Anlass gegeben hat, wirft Creed Gibson seinen Kopf in den Nacken und lacht. Dann breitet er die Arme aus, als wolle er die ganze Welt umfassen.
Creed Gibson: „Alles.“ Mac Müll: „Das heißt?“ Andrew Costalago: „Wir sind zwar nicht mehr beim Zirkus, Mac, aber ein Gespür für die Show und das Unerwartete haben wir immer noch. Lass dich überraschen.“
Als sich Mac umdreht, steht Gibson plötzlich wieder ganz nah neben ihm. So nah, dass Mac zusammenzuckt. Der Mann mit dem stoppelkurzen, gefärbten Haar hat etwas in der Hand.
Creed Gibson: „Und noch etwas vom Zirkus ist geblieben.“
Er hält dem Reporter etwas hin. Es ist eine kleine Blüte aus Plastik. Gibson hält sie Mac auf eine Weise hin, die sagt: Drück drauf.
Doch Mac schüttelt entschieden mit dem Kopf.
Mac Müll: „Daraus wird Wasser kommen, das mir ins Gesicht spritzt und ich sehe dann wie ein Trottel aus. Diese Scherzartikel sind uralt. Darauf falle ich nicht rein.“
Die Mundwinkel Gibsons gehen nach unten.
Creed Gibson: „Och, Maaaac. Ich sagte doch, du sollst bei uns das Unerwartete erwarten. Wir haben extra für dich einen einzigartigen Zaubertrick vorbereitet und du glaubst, wir ziehen die hundert Jahre alte Nummer mit der spritzenden Blume ab?“
Geradezu empört starrt er Mac an.
Creed Gibson: „Komm schon, drück drauf. Erlebe das wirklich Unerwartete.“
Er hält die Blume noch einmal vor Macs Gesicht. Und nach der Ansprache Gibsons ist ein Funkeln in den Augen des Reporters zu sehen.
Jetzt will er wissen, was der große Trick hinter der einfach aussehenden Blume ist. Er hebt die Hand. Drückt die Blume…
…macht sich bereit für das Unerwartete….
…und bekommt eine Ladung Wasser ins Gesicht.
Mac Müll: „Ich habe an das Unerwartete geglaubt. Um jetzt doch wie ein Trottel zu wirken.“ Creed Gibson: „Aber wenn man das Unerwartete erwartet, ist das zuvor Erwartete das neue Unerwartete, oder?“ Mac Müll: „Ich habe ein nasses Gesicht, Creed. Ich werde jetzt nicht in eine philosophische Diskussion einsteigen. Ich schmolle jetzt aus Prinzip. Vielleicht erzählst du ja auch einfach nur Unsinn.“ Creed Gibson: „Fantastisch. Unsinn erzählen. Ein wichtiger Punkt auf der Checkliste für GFCW-Teams. Gebt mir Hasenohren, einen Voodoopriester an die Seite oder uns beiden einen Sprachfehler. Dann kann man uns nicht mehr von den Konkurrenz-Teams unterscheiden.“
Gibson klatscht zufrieden in die Hände. Dann setzt er sich wieder an den Containerrand und blickt in die Ferne. Er scheint von einem Moment auf den anderen kein Interesse mehr am Gespräch zu haben.
Costalago legt dem nassen Mac eine Hand auf die Schulter.
Andrew Costalago: „Falls du dich jetzt wie ein Clown fühlst, Mac.“
Er hält dem Interviewer eine kleine, rote Clownsnase zum Aufstecken hin.
Andrew Costalago: „Wir haben eine ganze Menge davon heute mitgehen lassen. Ich kann den Tag kaum erwarten, an dem wir einem anderen Wrestler sie zum ersten Mal aufsetzen.“
War Evening, brose ARENA (Bamberg), 17.10.2025
In Kooperation mit
Die Kamera
fährt mit einem schnellen Schwenk durch die brose ARENA –
die Menge tobt! Bunte Lichter tanzen über die Gesichter der
Zuschauer, Schilder werden hochgehalten, Trommeln schlagen im
Takt der Einzugsmusiken, und überall hört man
Jubelrufe, Pfiffe und Gesänge. Die Kamera zoomt auf den Kommentatorentisch, wo Pete und Sven bereits sitzen. Beide tragen Headsets, und ihre Augen leuchten – die Begeisterung ist ihnen deutlich anzusehen. Vor ihnen liegen Notizen, Kaffeebecher und natürlich die obligatorische GFCW-Kaffeetasse. Pete lehnt sich leicht nach vorn, die Stimme überschlägt sich fast vor Energie, als er ins Mikro spricht.
Pete: „Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, hier live aus der brose ARENA! Was für eine Atmosphäre, Sven – die Fans sind sowas von bereit für eine neue Ausgabe von GFCW War Evening!“ Sven: „Da hast du verdammt recht, Pete! Nach Carnival of Combat werden die Karten neu gemischt – und heute könnte der Startschuss für so manches neue Kapitel in der GFCW fallen!“
Die Kamera schwenkt kurz durch das Publikum, Schilder mit Sprüchen sind überall zu sehen. Einige Fans tragen selbstgebastelte Masken, andere die Shirts ihrer Favoriten.
Wieder zurück zu den Kommentatoren, wo Pete energisch die Hände reibt.
Pete: „Und Leute, wir haben heute Abend eine richtig starke Card für euch zusammengestellt. Lasst uns einen Blick drauf werfen!“
Single Match
Sven : Marc Hill wird sich gegen Gino durchsetzen wollen oder auch müssen. Mal sehen wie sich Gino verkaufen wird.
Single Match Robert Breads vs. Snow Referee: Karo Herzog
Pete : Robert Breads will sicher seine Niederlage weg machen gegen Miria Saionji, mal sehen wie er gegen Snow sich gut zeigen konnte beim 5 gegen 5 Match beim PPV. 2 Niederlagen in diesen Match die den turnaround nun machen wollen.
Tag Team-Match Aya & Jay Taven vs. Cirque du Tonnerre (Creed Gibson & Andrew Costalago) Referee: Mike Gard
Sven : Und der Main Event. Cirque du Tonnerre, die heute abend gegen die Tag Team Champions Aya und Jay Taven antreten dürfen. Sicher es ist kein Titel Match aber da die beiden Champions sich über fehlende Gegner beim PPV beschwert haben können sie ja nun zeigen was sie können. Oder aber wird Cirque du Tonnerre die Überraschung schaffen?
Aus einem schicken Hotelzimmer schaltet sich nun „The Aion“ Miria Saionji zu. Die schwarzmähnige „Miss Eternity“ sitzt auf der Bettkante eines Doppelbetts, in dem eine andere der GFCW Galaxy wohlbekannte Frau gemütlich auf dem Rücken liegt und in ein Nachthemd mit feurigem Vogelmotiv gehüllt ist: „Phoenix“ Milly Vermillion.
Milly Vermillion: „Stimmt, das werde ich.“ Miria Saionji: „Da WFW zwar gefühlt unzählige Frauen hat, aber nur wenige aus Australien, hat man Sam Grant für dieselbe Turniershow gebookt – und sowohl mich als auch Luna Rosario direkt dazu. Daher heute lediglich diese Videobotschaft. Ich weiß, tragisch uns und vor allem mich nicht live sehen zu können, aber zumindest könnt ihr mich nun überhaupt sehen, wie schön für euch.“
Es wird in den Backstagebereich geschalten, in dem es wieder mehr als hektisch zur Sache geht. Die Kamera ist bereits unterwegs und folgt einer Tammy, die selbst einen recht schnellen Schritt an den Tag legt.
Tammy: „Guten Abend meine Damen und Herren, entschuldigen Sie bitte diese Hektik, allerdings müssen wir uns beeilen. Ich habe gehört, dass der GFCW Champion Aldo Nero und sein Begleiter bzw. Vater James Corleone soeben in der Halle angekommen sind und ich denke wir alle wollen wissen, wie deren Schlachtplan gegen The End aussieht, der bei Carnival of Combat sein Comeback gefeiert hat. Allem Anschein nach haben die Beiden aber sämtliche Interview-Anfragen für heute abgelehnt, also müssen wir schnell sein.“
Investigativ-Journalistin Tammy beweist ihren Stellenwert in der Liga mal wieder ganz tadellos. Und tatsächlich können wir Aldo und James nun auch am Ende des Ganges erkennen, Tammy und die Kamera-Crew hechten also mit beachtlichem Tempo in deren Richtung. … und das macht sich bezahlt, denn sie erreichen das Vater-Sohn Duo auch… … aber nicht mehr rechtzeitig. Nero verschwindet direkt in seiner Kabine und auch Corleone folgt darauf, allerdings kann Tammy diesen zumindest noch mit einem Kommentar erreichen.
Tammy: „Mister Corleone! Bitte warten Sie kurz, es dauert auch nur eine Minute. Wie geht es ihnen, nach dem Comeback von The End? Wie sieht der Plan aus? Sind sie besorgt?“
Die Tür knallt zu, mit James Corleone im Raum – Fehlanzeige, auch der körperliche Einsatz des schnellen Schrittes hat nicht ausgereicht Corleone zu einer Antwort zu bewegen, obwohl… … die Tür geht wieder auf. James Corleone tritt einen Schritt aus der Kabine heraus und er sieht alles andere als gut gelaunt aus. Aber mal so gar nicht. Und aktuell würde er Tammy mit seinem Blick wohl am liebsten umbringen, die wiederum bleibt aber relativ gelassen.
James Corleone: „Die Schlagzeile von Carnival of Combat lautet nicht ‘The End ist zurück’, sie lautet: ‚Nero besiegt Skógur‘ – ohne Eingriff, ohne Schummeln… und ja… ohne mich. Und die Schlagzeile für die Zukunft wird lauten: ‚Aldo Nero – der beste GFCW Champion aller Zeiten‘ und nichts und niemand wird daran etwas ändern können. Es besteht kein… und ich wiederhole… KEIN… Grund zur Sorge.“
Corleone wendet sich von Tammy ab und bevor diese überhaupt dazukommen kann, eine weitere Frage zu stellen, verschwindet er nun endgültig in der Kabine des Champions. Aber wieso sollte sie auch eine weitere Frage stellen, denn sie hat ja die Antwort bekommen, die sie wollte, denn auch wenn Corleone es vielleicht anders sieht, aber die beiden haben einen einzigen, riesigen Grund zur Sorge und dieser heißt The End.
Viggo: „Carnival of Combat war scheiße.“ Tyo Johns: „Ich bin Landwirt.“
Alle Blicke auf Tyo. Der Mann im roten Shirt hat die Hände auf dem Bauch abgelegt und ineinander gefaltet. So weit unten, dass die Großbuchstaben auf der Brust noch lesbar sind. Sie ergeben das Wort „MANN.“
Viggo: „Was willst du mir damit sagen?“ Tyo Johns: „Was für den einen nur Scheiße ist, ist für uns Landwirte Gülle. Kipp‘ ich aufs Feld und ernte später Gemüse. Auch wenn ich betonen muss, dass ich natürlich nicht vorrangig Gemüsebauer bin. Gemüse ist ja doch eher was für Frauen und Bürschchen. Aber worauf ich hinauswill: Nicht immer ist Scheiße nur Scheiße.“
Seufzen bei Viggo. Der Förderkader-Coach schüttelt mit dem Kopf. Dex Blarney und Snow hingegen lassen sich zu keiner Regung hinreißen. Die Beiden sind neben Tyo hier im Backstagebereich in der Team-Kabine anwesend. Nur der Cirque du Tonnerre glänzt mit Abwesenheit; die beiden Zirkusleute sind offenbar mit anderen Aktivitäten beschäftigt. Schließlich geht es später gegen Aya und Jay Taven.
Viggo: „Mir fällt es schwer, das Positive an eurem Match bei Carnival of Combat zu sehen. Der Förderkader hat das letzte, entscheidende Match gegen die LPG in den Sand gesetzt. Das Duell ist verloren. Keine Chance auf Wiedergutmachung. Ich bin enttäuscht.“
Da sieht man Viggo an. Und selbst Tyo versteht das. Der Landwirt lässt den Kopf hängen und bleibt stumm. Snow und Blarney tun es ihm gleich. Angesichts der miserablen Stimmung wirkt das extravagante Outfits Snows völlig deplatziert – ein Schal aus Schneefuchs-Imitat über einem Dreireiher in der Farbe von Eiskristallen. In Snows weißgefärbtem Haar steckt eine Sonnenbrille.
Viggo: „Jetzt bleibt noch ein Zyklus bis zum letzten Match des Förderkaders: Der Battle Royal bei Title Night im Dezember. Ich habe euch heute hier versammelt, um ein paar Weichen zu stellen. Und zwar…“
Er räuspert sich. Wie ein Lehrer, der vor seiner Schulklasse auf und abläuft, schreitet Viggo in den Raum. Seine Trainees sitzen auf Bänken in der Umkleide.
Da wird mit einem Mal die Tür aufgerissen.
Zac Alonso: „ER IST VERSCHWUUUUNDEN!“
Der Switzidogisstant stürmt mit derartiger Vehemenz in den Raum, dass er beinahe die Balance verliert. Er muss sich an der Wand abstützen, um nicht zu stolpern. Als Alonso angekommen ist, schaut er zwischen den Anwesenden hin und her. Von überallher kommen nur verwunderte Blicke. Was hat der Förderkader mit Alonso zu schaffen?
Viggo: „Äh,
was?“
Panik in Alonsos Augen. Er rauft sich auf dem Schädel, was an Haaren da ist, und beißt auf die Oberlippe. Zac kann nicht stillstehen, er dreht sich im Kreis, die Verzweiflung spricht aus jeder Pore.
Viggo: „Jetzt mal ganz von Anfang an, Zac. Worum geht es hier?“ Zac Alonso: „Der SWITZIDOG ist nicht da. Ich kann ihn nicht finden. Ist er hier? Habt ihr ihn gesehen?“
Er gibt alles, um das Tier zu finden. Beugt sich sogar unter die Bänke. Schaut in den Spind. Alonso packt Snow an den Schultern und schiebt den Amerikaner unsanft zur Seite, um hinter ihn zu gucken. Erfolglos. Kein Hund in Sicht.
Zac Alonso: „Er wurde wohl wieder ENTFÜHRT. Zum zweiten Mal! Ich wusste, dass diese verfickte LPG-Truppe es nochmal versucht oder Trittbrettfahrer inspiriert. Sagt: Habt ihr zufällig eine Wuchtbrumme bei einer verdächtigen Handlung gesehen? Ich meine diese Samantha Grant. Haltet Abstand zur ihr, sie ist eine amtlich verbriefte Dognapperin.“ Dex Blarney: „Ich habe heute keinen Hund gesehen. In der ganzen Halle nicht.“ Viggo: „Und vor allem in unserer Kabine nicht. Wir sind gerade in einer Besprechung. Danke für deinen Besuch, aber jetzt…“
Mit einem erzwungenen Lächeln tritt Viggo an die Tür und hält selbige für Alonso offen.
Viggo: „…lass uns bitte allein.“ Zac Alonso: „DAS ist eure Reaktion, wenn ich erzähle, dass mir ein Stück Fleisch und Blut aus dem Leib gerissen wurde? MEIN Hund…äh…Switzenbergs Hund natürlich…wurde schon wieder gestohlen. Und anstatt mir zu helfen, wollt ihr lieber eine Besprechung abhalten?“
Die Trainees und ihr Coach blicken sich an. Sekundenlang herrscht Stille. Dann zuckt Viggo mit den Schultern.
Viggo: „Ja.“ Zac Alonso: „Ihr WICHSER. Der Förderkader hat genauso wenig Herz wie Talent. Ihr habt mich zum letzten Mal gesehen!“
So schnell, wie er gekommen ist, stürmt Alonso wieder aus dem Raum. Er lässt die Tür knallen. Der Ton steckt jedem noch sekundenlang in den Ohren.
Der Coach räuspert sich.
Viggo: „Okay. Das war eine Unterbrechung, mit der ich nicht gerechnet habe. Hoffen wir, dass es jetzt ruhig weitergeht. Ich wollte davon erzählen, dass ich ein paar Weichen für Title Night stellen möchte. Also, das ist mein Plan...“
Um auf wortwörtliche Augenhöhe mit seinen Trainees zu kommen, hockt sich Viggo gegenüber von Dex, Tyo und Snow auf eine Bank.
Er setzt gerade an, als noch einmal die Tür aufgerissen wird.
Zac Alonso: „WENN DER SWITZIDOG TOT IST, GEBE ICH EUCH PERSÖNLICH DIE SCHULD.“ Viggo: „Du sagtest eben, wir hätten dich zum letzten Mal gesehen.“ Zac Alonso: „Ich hoffe, jeder von euch verliert bei der Battle Royal bei Title Night. Auf Wiedersehen. Ihr schlechten Menschen. Pü auf euch.“
Er versucht, auf den Boden der Kabine zu spucken. Doch sein panisches Geschrei hat jeden Speichel aufgebraucht. Es wird nur ein trockenes, von verzweifeltem Wutgeheul untermaltes Husten. Wieder knallt Alonso die Tür…und wieder steht der laute Knall noch sekundenlang in allen Gehörtrakten.
Viggo: „Also, diesmal hoffentlich wirklich ohne Unterbrechung. Nun hat er mich aus dem Konzept gebracht. Wo war ich?“ Snow: „Weichen für Title Night.“
Auch wenn Snow als schneller Stichwortgeber fungiert: Er wirkt vom Tonfall her etwas nervös. Als würde er ahnen, dass diese Weichen Schlechtes bedeuten.
Viggo: „Richtig. Wie gesagt: Ich bin mit eurer Leistung bei Carnival of Combat unzufrieden. Und jetzt kommen wir endgültig in die Schlussphase für den Förderkader. Heute eingeschlossen sind es noch fünf Shows. Ich möchte wissen, bei wem es sich lohnt, ihn wirklich bis ganz ans Ende mitzunehmen.“
Snow muss schlucken. Das ist genau die Andeutung, die er befürchtet hat. Auch Tyo wird unruhig. Er rutscht auf der Bank hin und her und kratzt sich den beinahe kahlen Kopf.
Viggo: „Ich sage es euch offen: Wenn es nach den Ergebnissen geht, dann seid ihr beide, Snow und Tyo, Wackelkandidaten. Ihr steht nicht viel besser da als Benji damals, bevor ich ihn rausgekegelt habe. Ich möchte evaluieren, wer von euch in den vergangenen Monaten die erhoffte Entwicklung genommen hat. Deswegen habe ich beschlossen, euch in Entscheidungsmatches zu stecken. Eure Leistung in diesen Matches wird den Ausschlag geben, ob ihr bis Title Night dabeibleibt oder ob ihr euch individuell auf die Battle Royal vorbereiten müsst.“
Der Trainer stemmt sich wieder von der Bank auf. Schwierige Ansprachen funktionieren doch besser, wenn er dabei durch den Raum laufen kann, um die Statik zu brechen.
Snow: „Und welche Kämpfe sind das?“ Viggo: „Nun, Snow, dein Kampf ist schon bekannt. Du trittst heute gegen Robert Breads an. Genau den gleichen Kampf hast du bereits an deinem allerersten GFCW-Abend am 13.06.2025 bestritten. Du hast verloren – aber die Leistung war solide.“
Der Engländer blickt seinem Trainee in die eisblauen Augen.
Viggo: „Nun will ich sehen, ob du dich seitdem weiterentwickelt hast. Heute dein Kampf gegen Breads muss mehr als nur solide werden. Du musst eine bessere Leistung als damals bringen. Wenn du weiter dabeibleiben willst.“
Und noch einmal muss Snow schwer schlucken. Aber nach einem Moment Bedenkzeit nimmt er die große Challenge an, vor die Viggo ihn hier heute stellt. Er steht auf, rückt seinen Fuchsschal zurecht und strafft die Schultern.
Viggo: „Tyo.“
Ernster Blick in Richtung des Landwirts. Johns streichelt sich über den Bauch. Er sieht als, als hätte er gerne ein Bier, um die Situation mit mehr Entspannung ertragen zu können.
Tyo Johns: „Ich bin zu allen Schandtaten bereit, Coach. Wahre MÄNNER fürchten nichts außer einem Sack leerer Grillkohle.“ Viggo: „Für dich habe ich einen Kampf in zwei Wochen organisiert. Es geht gegen Tommy Qurashi.“
Irritiert legt Johns den Kopf schief. Das ist, anders als Snows Fight gegen Breads, keine Ansetzung mit Vergangenheit.
Viggo: „Tommy ist ein talentierter Wrestler, der gute erste Schritte in der Liga macht, aber noch auf den Durchbruch wartet. Bei Carnival of Combat hat man gesehen, dass ihm nicht mehr viel fehlt, um jemand Etablierten wie Caracal Matthews zu schlagen. Damit spiegelt er genau das Leistungsniveau wider, welches ich auch von Förderkader-Mitgliedern erwarte. Ich will, dass du ihn in zwei Wochen besiegst. Ansonsten geht dein Weg zu Ende.“ Tyo Johns: „Ich ziehe ihm die Hammelbeine lang. Also in zwei Wochen, wenn es so weit ist. Aber das heißt, dass ich heute erstmal frei habe. Ich meine…frei für MENTALE VORBEREITUNG bin. Ich will ja nicht einfach nur entspannen, haha. Faul sein ist was für die Gen Z. Ihr findet mich am Büffet, Leute. Hier im ZÜNFTIGEN Bamberg ist das Catering noch angemessen KERNIG für einen MANN. Ein gesunder Körper besteht zu gleichen Teilen aus Blut, Knochen, Samensträngen, Gerstensaft und Schweinefleisch. Ich liebe Bayern. Hier kann man noch KERL sein. Ich könnte Markus Söder abknutschen…“
Er räuspert sich.
Tyo Johns: „…ich meine: Ich könnte ihm MANNHAFT auf den Rücken klopfen. Bis dann.“
Und damit verabschiedet Tyo sich. Snow folgt ihm wortlos. Jetzt, wo er weiß, wie hoch die Stakes für seinen anstehenden Kampf sind, möchte er sich noch individuell vorbereiten.
Zurück bleiben Dex Blarney und Viggo. Der Cowboy blickt seinen Trainer lauernd an.
Viggo: „Ist irgendetwas, Dex?“
Blarney rutscht auf der Bank ein Stück vor. Er fährt sich mit der Hand durch den Bart. Zupft die Lederweste zurecht.
Dex Blarney: „Was ist mir mir? Was ist mit meinem Match?“ Viggo: „Du willst auch ein Finalmatch, Dex? Glaubst du wirklich, dass ich darüber nachdenke, ausgerechnet dich aus dem Kader zu schmeißen. Da kann ich dich beruhigen…“
Der Engländer legt Blarney eine Hand auf die Schulter.
Viggo: „…ich sehe deine Leistung besser als Tyos und die von Snow. Du brauchst keine Angst haben, dass du vor Title Night aus dem Förderkader fliegst.“ Dex Blarney: „Ich meinte auch eher in die andere Richtung.“
Irritiert nimmt Viggo die Augenbrauen hoch. Blarney wartet einen Moment, dann steht er auf. Baut sich vor seinem Coach auf, um ihm auf Augenhöhe in selbige blicken zu können.
Dex Blarney: „Ich habe gute Leistungen gebracht. Fast den Saloon gewonnen. Mit all meinen Gegnern mitgehalten. Das Switziverse wollte mich abwerben, aber ich bin loyal zu dir geblieben, ohne etwas dafür zu verlangen. Gut, zuletzt Carnival of Combat haben wir verloren, aber ich habe wieder für unser Team was geleistet und gepinnt.“
Er verschränkt die Arme vor der Brust.
Dex Blarney: „Findest du nicht, dass ich mir ein Finalmatch um einen Festvertrag verdient habe? Ich denke, das steht mir zu. Ich würde ungern in die Battle Royal bei Title Night gehen und meine Zukunft an dieses Glücksspiel binden. Ich verzichte auf den gut dotierten Sondervertrag, der dort verteilt wird. Geld ist mir egal. Und einen IC-Shot erarbeite ich mir wann anders mal. Ich will nur einen normalen Vertrag und eine sichere Anstellung bei der GFCW. Noch vor Title Night. “
Die Argumente dringen zu Viggo durch. Zumindest auditiv. Aber welche Wirkung sie beim Coach entfalten, bleibt offen. Der Engländer schaut seinen Trainee an, zeigt aber weder ein Nicken noch ein Kopfschütteln. An der verkniffenen Miene Blarneys ist die wachsende Ungeduld zu sehen. Der Cowboy zieht sich die Jeans zurecht, lockert die Schultern. Löst einen Knopf seines Hemdes. Alles, während er mit zunehmender Nervosität auf Viggos Fazit wartet. Doch der Trainer…zuckt mit den Schultern.
Viggo: „Lass‘ mich darüber nachdenken.“
Und mit diesen Worten wendet sich Viggo ab. Er lässt Blarney stehen. Der Cowboy schaut ihm nach, ein grimmiger Ausdruck auf seinen Lippen.
Tammy: „Sehr geehrte Damen und Herren, alle innerhalb und außerhalb des Gender-Spektrums, bitte begrüßen Sie mit mir das Power-“ Marc Hill: „POWER!“ Tammy: „-house der Lerbitz Performance Group, Marc Hill!”
Wir befinden uns im Backstage-Bereich, vor der Interview-Wand, die wie üblich übersäht mit Logos von Sponsoren und kommenden GFCW-Events ist. Sowohl das Logo von Title Night, der größten Show des Jahres, als auch das der Anniversary Show, die im kommenden Frühling stattfinden wird, prangen über den Köpfen des Muskelprotzes und der langjährigen Interviewerin.
Tammy: „Marc, du hattest um diese TV-Zeit gebeten, also lass uns nicht lange um den heißen Brei herumreden: Was willst du unseren Fans mitteilen?“ Marc Hill: „Dass sie UNRECHT haben!“
Seine Stimme bebt leicht, als er die Arme trotzig vor der Brust verschränkt. Sein gewaltiger Bizeps verdeckt den Druck auf dem „Hamburg, meine Schweineperle“-T-Shirt, das er trägt, fast vollständig.
Marc Hill: „Ich weiß doch genau, was die denken! Oh, Marc Hill, der hat gegen Iray Burch richtig peinlich verloren, so viel POWER hat er wohl doch nicht.“ Tammy: „Es gab ja durchaus mildernde Umstände.“
Die erfahrene Stütze der GFCW-Backstage-Crew hat durchaus einen Punkt, und scheint zu verstehen, dass Marc Hill hier seine eigenen Unsicherheiten auf die breite Masse projiziert.
Marc Hill: „Das juckt ja wieder keinen! Und dann, beim Pay-Per-View, dieses Match, gegen die Förderkader-Wichser, die ich damals verlassen habe, weil ich ZU GUT für diese Scheiße war! Das sollte man nicht vergessen.“
Angesichts der Tatsache, dass über den Verrat von Hill noch vor kurzem von dessen ehemaligen „Freunden“ gesprochen wurde, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es alsbald vergessen wird. Doch das scheint Hill nicht davon abzuhalten, sich in etwas hineinzusteigern.
Marc Hill: „Und dann wurde ich als Erster in dem Match eliminiert, gegen diese Gurken. Pah! Jetzt sagen die sich bestimmt alle, oh, wow, Marc Hill, gar nicht so krass, erst hat ihn Burch weggemacht, jetzt noch so eine peinliche Nummer, man, die LPG braucht den ja überhaupt nicht!“ Tammy: „Ehrlicherweise habe ich von diesem Backlash nichts mitbekommen. Der Fokus lag eher darauf, dass dein Team am Ende gewonnen hat.“ Marc Hill: „Ja, aber du weißt doch, was alle denken! Die denken jetzt, ich wäre…“
Er stockt und zieht eine hässliche Grimasse, als müsste er sich überwinden, das nächste Wort auszusprechen.
Marc Hill: „…POWERLESS!“ Tammy: „Ich glaube, du übertreibst vielleicht ein wenig.“ Marc Hill: „Als ob! Du weißt, wie der Boss drauf ist. Wenn du nicht mehr nützlich bist, dann… also… keine Ahnung, was GENAU dann ist, aber es ist nichts Gutes.“
Da liegt also wohl die zentrale Sorge: Marc Hill möchte nicht, dass Aiden Rotari nach zwei wenig überzeugenden Performances glaubt, man solle ihn loswerden. Und während die LPG insgesamt den einen oder anderen Sieg bei Carnival of Combat eingefahren hat, hat Hill bei seinem Versuch, die Burch-Pleite wieder gut zu machen, nicht nur versagt, sondern ist von Leuten geschlagen worden, die deutlich weniger Erfahrung haben als er.
Marc Hill: „Ich wollte damit nur mal ganz klar aufräumen. Meine POWER ist immer noch am Start! Sie ist nicht weg, sie ist, wenn überhaupt, nur noch POWERIGER geworden!“
Demonstrativ geht er in eine Bizeps-Flex-Pose. Man kauft ihm ab, dass er sich obsessiv im Gym kaputt geschuftet hat, um so stark – Verzeihung, POWERIG – wie möglich zu werden. Selbst für seine Verhältnisse ist er in bestechender körperlicher Verfassung, was seinen Arbeitswillen untermauert – und eventuell auch seine Angst, überflüssig zu werden. Immer den eigenen Wert präsentieren. Immer darauf hinweisen, warum man unersetzlich ist. Dankbarkeit ist nicht zu erwarten und das Gedächtnis ist kurz.
Marc Hill: „Du weißt ja, was der Boss manchmal sagt, oder? Einmal ist kein Mal, zwei Mal ist Zufall, drei Mal ist eine Serie.“
Eigentlich eine Binsenweisheit, die aus dem Fundus von Robert Breads stammt, aber der scheint in den Gedanken von Marc Hill überhaupt keine Rolle zu spielen.
Marc Hill: „Und zwei blöde Nächte, das ist Zufall. Würde ich ein drittes Mal verlieren, das wäre eine Serie, aber das heißt, wenn ich NICHT verliere, dann können wir das alles vergessen.“
Eine etwas ungelenk hingebogene Logik, die Hill da ausspricht, aber das scheint sein Angle zu sein, die eigene Aktie wieder steigen zu lassen. Vermutlich ist es kein Zufall, dass er das erledigen will, noch bevor Rotari seine angekündigte Ansprache zum Thema LPG-Zukunft halten wird.
Marc Hill: „Dieser Gino-Trottel, den ich heute besiegen werde, der kann was erleben. Nix persönliches, Bro, aber ich muss wohl mal wieder alle daran erinnern, dass ich die meiste POWER im Game habe!“ Tammy: „Da bietet sich dir heute eine große Chance. Giesbert Rieß ist ein schwerer Gegner.“
Es ist nicht eindeutig, ob sie auf den Schwierigkeitsgrad oder das Körpergewicht anspielt, aber letzteres erscheint logischer, und so scheint es auch Hill zu verstehen.
Marc Hill: „Papperlapapp, für einen Nicht-Hamburger ist das vielleicht so, aber für die hier…“
Er wackelt mit den Armen, zeigt Bizeps, Trizeps und seine sehnigen Unterarme.
Marc Hill: „…ist das wie für Jean-Luc Dompé gegen Mainz 05: Gar kein Problem. Nach dem Match heute fragt keiner mehr, ob ich die POWER noch habe, sondern nur, wie heftig meine POWER noch werden kann! Heute diesen Eumel wegballern, dann fahre ich…“
Er dreht sich leicht zur Seite und deutet mit dem linken Zeigefinger auf das Logo von Title Night hinter ihm auf der Interview-Wand.
Marc Hill: „…nach Stuttgart und zeige denen mal was echte POWER ist, bevor…“
Jetzt zeigt er auf das Logo der Anniversary Show.
Marc Hill: „…ich nach Dortmund komme und zeige, dass in fünfundzwanzig Jahren niemand mehr POWER hatte als ich.“ Tammy: „Du siehst also optimistisch in die Zukunft.“ Marc Hill: „Natürlich, Tammy! Ich bin Teil der stärksten Gruppierung, ich bin jung, ich talentiert, und meine besten Tage kommen noch. Meine Prime kommt erst noch, und heute zeige ich den Zweiflern und Hatern, dass die Zukunft dem Mann mit der POWER gehört!“
Er schlägt sich mit der rechten Faust auf die linke Brusthälfte, dort, wo sein Herz ist.
Marc Hill: “POWER! POWER! POWER! Sag es mit mir, Tammy!“ Tammy: „Was, Power?“ Marc Hill: „Ja!“ Tammy: „Ähm… Power.“ Marc Hill: „Steck mehr POWER in dein POWER!” Tammy: “Power!” Marc Hill: “Das ist nicht genug POWER!“ Tammy: „POWER!“ Marc Hill: „POWER!“ Tammy: „POWER!“ Marc Hill: „Und jetzt klatsche ich diesen Rießbert weg!“
Backstagezeit, Interviewzeit. Genauer gesagt Interviewzeit mit Tammy. Die hat einen Dreierpack Frauen bei sich: Skaði Fenrir und die Black Wyrms aus dem Förderkader der Lerbitz Performance Group.
Tammy: „Da hast du nicht Unrecht. Und doch hast du sicher andere Ziele? Wie etwa ein erneutes Intercontinental Title Match?“ Skaði Fenrir: „Selbstredend wäre es verlockend mich erneut an Jason Crutch versuchen zu können. Er und der Intercontinental Tirle sind Beute, die manche Mühe sie zu erlegen wert sind. Aber auch mit einem würdigen Gefährten einen Blick in Richtung Tag Team Titel zu werfen wäre nicht gänzlich uninteressant.“
Überraschung! ... ? Vermutlich… hat wohl keiner damit gerechnet diese Musik so schnell wieder zu hören, vor allem nicht, nachdem Ask nach seinem Titelverlust direkt mal eine Show verschwunden ist und selbst dann, als GFCW-Mitarbeitende Ihn gesucht haben, eindeutige Signale gesendet hat, dass man ihn doch bitte in Ruhe lassen soll. Jetzt, nach der – für ihn und seine Werte – desaströsen Niederlage bei Carnival of Combat, scheint er aber vor Ort zu sein. Die Betonung liegt auf „scheint“, denn noch sehen wir ihn nicht. Doch nicht weniger spannend, als ob und wieso Ask jetzt hier ist und was er zu sagen hat, ist, wie die Fans auf ihn reagieren, denn auch dabei ist es nicht garantiert, dass er mit den Jubelchants und Rufen seines Namens begrüßt wird.
Sven: „Da kommt er, der kleine, schummelnde Kobold!“ Pete: „Sven, bitte.“ Sven: „Was? Ist es falsch die Integrität und die Regeln dieses Sports zu ehren und wertzuschätzen? Ask wollte all das mit Füßen treten und wurde dafür bestraft, wie es sich gehört.“ Pete: „Weil Mister Corleone und Aldo Nero ja noch nie ‚geschummelt‘ haben, richtig?“ Sven: „Um die geht es hier nicht, hier geht es um euren ach-so-ehrlichen-und-immer-fairen Ask. Also bleib beim Thema. Also, wo bleibt er denn nun?“
Also, die Reaktion der Fans: sie ist… nicht so euphorisch wie sonst, aber Ask wird noch immer lautstark angefeuert und bejubelt. Tatsächlich haben die Jubel-Rufe sogar etwas von beschwichtigenden und beruhigenden Versuchen Ask aufzuheitern, also wollen sie sagen: „Wir mögen dich trotzdem noch, auch ohne Titel.“ Und schließlich, tritt da eine Person auf die Stage, bei der es sich um Ask Skógur handeln muss. Aber naja, so wirklich der Ask, den wir kennen und lieben, können wir dort kaum erkennen. Er wirkt noch zotteliger, als in den letzten Wochen und die Verzweiflung, die mit der neuerlichen und nun auch finalen Niederlage einhergeht, hat ihn vollends übernommen. In seiner Kleidung sind Löcher und Risse, auf seinem kahlen Kopf zeichnen sich Ansätze von Haaren ab, als ob er sich nicht rasiert hätte, sein Bart wirkt ungleichmäßig und vor allem in seinen Augen erkennt man keinerlei Lebensfreude, die ihn so sehr bestimmt hat. Es wirkt, wie er es gesagt hat – der Titel ist weg und der Titel war sein Leben. Die Kamera filmt in die Zuschauerränge, wobei wir verschiedene Fans sehen, die fast schon mitleidig zu ihrem Helden schauen, doch der, wandert und wankt nur teilnahmslos an ihnen vorbei, in Richtung Ring.
Sven: „Tja, hätte er mal nicht bescheißen wollen.“ Pete: „Jetzt mach aber mal einen Punkt! Ask hat bei Carnival of Combat endgültig sein Anrecht auf die Spitze der Liga verloren und darauf hat er bis zu Title Night im letzten Jahr ewig drauf hingearbeitet! Das steckt man nicht so einfach weg!“ Sven: „Ist das so? Ask ist ein WRESTLER! Wrestler verlieren. Sicher isses schöner zu gewinnen, aber Verlieren gehört nun mal auch dazu, muss man sich denn dann gleich so gehen lassen?“ Pete: „Naja, Ask ist… anders.“ Sven: „Mag sein, aber vielleicht ist er dann nicht für das hier gemacht.“
Überraschend ernste und nicht gänzlich falsche Worte von Sven. Hat er einen Punkt? Ist Ask nicht für das hier gemacht? Das sind vermutlich die Gedanken, die ihn in den vergangenen zwei Wochen bestimmt haben, wie nichts anderes. Aber das wird er uns sicher gleich selbst noch etwas genauer sagen können. Ask erreicht den Ring und direkt betritt er ihn. Man sieht ihm an, dass er wirklich gar keinen Bock hat hier zu sein, zumindest nicht ohne den Titel. Ihm wird ein Mikro übergeben, dass er widerwillig annimmt, bevor er sich – ohne sich zu feiern oder feiern zu lassen – in der Mitte des Ringes positioniert, um darauf zu warten, dass seine Musik und der Jubel ausklingen. Schließlich ist das der Fall und er setzt an… … oder will ansetzen… … er führt das Mikro zumindest zum Mund… … und öffnet diesen… … aber… … es kommt nix. Ask schaut abermals durch die Zuschauerränge. Die Fans erkennen, dass es Ask schwer fällt zu sprechen und zu sagen, was mit ihm los ist. Also, natürlich weiß jeder WAS mit ihm los ist, warum es ihm nun aber derart schlecht geht? Ask bleibt regungslos stehen, tief in seinen Gedanken versunken.
„Ask… Ask… Ask… Ask… Ask… Ask… Ask ASK ASK!”
Das Publikum gibt sich alle Mühe Ask aufzuheitern und tatsächlich, schaffen sie es ihn aus seinen Gedanken zu reißen. Erneut schaut er sich um. Er sieht die Fans, er sieht die Zuschauer. Er sieht Kinder, wie Erwachsene, mit Schildern und Shirts, die alle seinen Namen tragen. Gibt es vielleicht doch mehr als nur den Titel in dieser (Wrestling)Welt? Ask war schon immer ein absoluter Mensch. Das kann ihm helfen, aktuell ist es aber eher ein Fluch als ein Segen. Fluch. Der Fluch des Titels hat ihn übernommen und darunter leidet er jetzt. Können ihn vielleicht die Fans darüber hinweghelfen? Er schüttelt den Kopf, während er den Zuspruch der Fans immer mehr anzunehmen scheint… … und doch… reicht das nicht aus. Die Erkenntnis, dass er alles verloren und dabei sich selbst betrogen hat, sitzt noch zu tief. Er lässt das Mikro fallen. Sofort rollt er sich aus dem Ring, um zu einer der Barrikaden zu gehen. Dabei bleibt er bei einem Fan stehen, dem er tief in die Augen schaut. Ein Ask Skógur-Fan, ein Kind, der seinen Helden voller Begeisterung mit den Augen fixiert, ungeachtet Asks aktuellem Gemütszustand. Ask zögert für einen kurzen Moment. Und dabei… lächelt?... er sogar. Ganz kurz zumindest. Und dann setzt er seinen Weg fort. Er steigt über die Barrikade und bahnt sich seinen Weg durch die Fans, um die Halle schnellstmöglich zu verlassen. Als wolle er weg, aber zumindest passiv, dennoch den Support der Galaxy mitnehmen. Ask wird einen langen Weg haben, sich hiervon zu erholen und er wird Wiedergutmachung leisten müssen. Vielleicht ist das heute der erste Schritt in diese Richtung… vielleicht wird alles aber auch erst noch viel schlimmer, bevor es besser wird. Wie auch immer es mit Ask Skógur weitergehen wird, für heute hat sich das erstmal erledigt.
Wildes Geschrei im Backstagebereich. Es klingt, als würden sich zwei Männer gleich an den Kragen gehen.
Tammy hetzt durch die grauen Gänge. Trotz ihrer High Heels legt sie ein erstaunliches Tempo hin, Sensationslust ist und bleibt der beste Treibstoff. Das Kamerateam kann kaum mithalten.
Endlich kommt sie an. Keuchend, aber mit glänzenden Augen.
Tammy: „Was ist hier los?“
Noch immer Geschrei. Verärgertes Brummen. Im verwackelten Bild sieht man zwei Männer, die sich rumschubsen. Es ist unübersichtlich, die Dynamik der Szene lässt den Betrachter kaum zu Atem kommen. Erst als Tammy zwischen die Streitenden springt, um als Abstandshalter zu fungieren, wird es ruhiger.
Die Männer sind Viggo und Caracal Matthews. Beide mit gerötetem Gesicht und verkniffenen Augen, aus denen sie sich ärgerlich anfunkeln.
Tammy: „Ich frage noch einmal: Was – ist – hier – los?“
Schwenk zu Viggo. Der Förderkader-Coach wedelt mit einem bedruckten Papier vor Tammys Augen. Dann wirft er es verächtlich zu Boden.
Viggo: „Ich habe unserem Tanzbären nur gesagt, dass er sich seine Choreographie-Ideen dahin stecken kann, wo die Sonne nicht scheint. Das hat er nicht gut verkraftet.“ Caracal Matthews: „Ich wollte dir mit deinem Förderkader helfen, Viggo! HELFEN! So wie es gute Menschen tun. Ich wollte dir die Zutat verraten, die es braucht, um wirklich Superstars zu erschaffen. Und das ist dein Dank für meine Barmherzigkeit, du EKELHAFTER?“
Empört deutet er auf das Papier, welches Viggo zu Boden geschmissen hat. Es zeigt aufgedruckte Tanzschritte.
Caracal Matthews: „Heb‘ es auf. Entschuldige dich. Fang an zu tanzen.“ Viggo: „Dein Rat kann mir gestohlen bleiben. Wieso verwundert es mich nicht, dass deine „Geheimzutat“ sinnloses Gezappel ist?“ Caracal Matthews: „GEZAPPEL? Da schwillt Caracoooool der Kamm. Das Einzige, was hier gleich zappelt ist meine Faust, Viggo. Du bist ja völlig verblendet! Du Biedermann! Du Wahnsinniger! Du herrschst über eine Armee von grauen Mäusen und siehst nichts Schlechtes daran.“
Der Royal Rookie ist so wütend, dass er zu tanzen beginnt. Viggo atmet mit geschlossenen Augen aus und schüttelt seinen Kopf. Als der Zorn verraucht ist, bleibt nur noch endlose Enttäuschung zurück. Er versucht es mit einem versöhnlichen Tonfall.
Viggo: „Du hast dich wirklich verändert, Cara.“ Caracal Matthews: „Caracooooool Royale verändert sich immer zum Guten. Das nennt man Evolution.“ Viggo: „Erinnerst du dich noch an den Jahresanfang, Mann?“
Er legt fragend den Kopf schief und versucht, Matthews in die Augen zu schauen. Viggo will eine Verbindung schaffen, zu Matthews durchdringen. Doch der tanzende Influencer wendet sich bockig ab, verschränkt die Arme vor der Brust.
Viggo: „Als ich down war wegen meiner Niederlage gegen Switzenberg. Da warst du es, der mir ins Gewissen geredet hat. DU hast mir gesagt, ich solle mich nicht in eine Emotion hineinsteigern. Das gab mir den Impuls, meine Karriere mit einem Ausflug zu GTCW wieder auf Kurs zu bringen. Und jetzt…“
Der Engländer blickt sein Gegenüber von oben bis unten an. Matthews hat das Tanzen eingestellt, aber wippt noch immer mit dem Fuß.
Viggo: „…sieh‘ dich doch an. Jetzt bist du nicht mehr bei Sinnen. Was ist mit dir geschehen, Caracal? Merkst du es nicht?“ Caracal Matthews: „Caracooooooooooool Royale ist mental squeaky fresh, mach dir da mal keine Sorgen. Mehr als eine Million Subscriber können das bestätigen. Und lenk‘ vor allem nicht von DEINER Entwicklung ab, du spießiger Tanzbanause.“
Verächtliches Schnauben.
Caracal Matthews: „Du bist Trainer einer Truppe von Statisten, die vom Star-Status weiter entfernt sind als Truthähne von der Weltherrschaft. Ich sag dir: Hättet ihr früher angefangen zu tanzen, hätte Dynamite euch zum Jahresende nicht eingestellt, sondern hofiert. Die Füße geküsst hätte er euch. Aber zu spät. Also, wo hast du denn deine Karriere wieder auf Kurs gebracht?“
Er pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Caracal Matthews: „Vor einem Jahr wurdest du Intercontinental-Champion, jetzt hörst du dir von einem fetten Landwirt Dad-Jokes über Frauen an und darfst ihn nicht einmal wegboxen. Dabei können Frauen wirklich gut tanzen, deswegen sind sie eigentlich ganz cool, findet Caracoooool Royale. Was für eine Karriere, Viggo! Da wird man ganz ehrfürchtig. Ich hingegen habe grad Carnival of Combat eröffnen dürfen, um die Stimmung zu heben. Eine Show, bei der du nicht mal auf der Card standest.“
Weil er so zufrieden mit seiner Anreihung von Beleidigungen ist, tänzelt Caracal einmal um die eigene Achse und klatscht dann mit Tammy ab. Er zieht sein Smartphone aus der Tasche, macht ein schnelles Selfie. Geschürzte Lippen, rausgestreckte Zunge. Viggo hingegen…nimmt die Ausführungen überraschend nachdenklich und ernst hin.
Caracal Matthews: „Deine Singles-Karriere ist nicht nur ins Wasser gefallen, sondern am Meeresgrund. Caracooooools neuer Charakter fickt all deine Errungenschaften 2025 mit dem Eselschwanz. FAKT.“ Viggo: „Und trotzdem, Caracal, bleibt eine Sache unveränderlich. Egal, welche Wege wir nehmen.“ Caracal Matthews: „Lol, jetzt kommt bestimmt irgendetwas Irrelevantes.“ Viggo: „Ich – bin – der – bessere – Wrestler. Ja, derzeit stehe ich nicht im Fokus. Weil ich eine andere Aufgabe ernst nehme und mir das selbst ausgesucht habe. Aber anders als du war ich in jungen Jahren Intercontinental-Champion. Ich war auf Augenhöhe mit Ask Skógur bevor dieser es an die Spitze geschafft hat. Ich habe IM RING Momente geschaffen, an die man sich erinnert. Ich habe bei GTCW PPV-Main Events bestritten. Ich habe bei Heir to the Throne vor 20.000 Zuschauern in meiner Heimatstadt den Showstealer geliefert. Okay, du kannst besser tanzen und bist außerhalb des Wrestlings bekannter, weil du im Livestream rumschreist und Spicy Sausage Challenges absolvierst…aber das ist mir scheißegal.“
Als wolle er es Matthews nicht nur verbal, sondern auch gestisch noch einmal so richtig zeigen, wischt Viggo den Choreographie-Zettel mit dem Fuß zur Seite.
Caracal Matthews: „Ich bin überall besser als du, Viggo. Ich musste es nur noch nicht beweisen.“ Viggo: „Du hast heute die Chance dazu.“
Irritierter Blick von Matthews. Der Royal Rookie tritt einen Schritt zurück – als würde er befürchten, sich in irgendetwas hineinzusteigern.
Viggo: „Wir beide, gleich da draußen im Ring. Lass uns vor dem Main Event rausgehen und fighten. Die Fans haben sicher nichts gegen einen zusätzlichen Kampf. Ich fordere dich heraus.“
Er streckt Matthews die Hand hin. Tammys wachsamer Blick wandert zu Matthews. Wie wird Caracool reagieren?
Cara legt seine Hand in die von Viggo. Seines einstigen Freundes. Dann löst er den Griff und moonwalkt davon.
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Backstage steht GFCWs eifrige Interviewerin Tammy mal wieder für ein Interview parat. Bei ihr eine menschliche Dame mit rosarotem Haupthaar in einer lila Weste mit lila Stiefeln und einem leopardigen Halstuch sowie ein Stoffschwein, welches die Frau unter dem Arm trägt. Kundige Fans wissen natürlich um wen es sich bei Frau und Schwein handelt, noch bevor Tammy sie zum Interview begrüßt.
Tammy: „Hallo Monica! Hallo Lady Rosi! Beim Carnival of Combat gab es deinen ersten PPV Sieg bei GFCW, was sicher Grund zur Freude war, nach deinen beiden Niederlagen gegen Aiden Rotari und Aldo Nero. Oder warst du etwas betrübt darüber, dass es Luna Rosario war, die für euer Team den Sieg geholt hat, und eben nicht du selbst?“
Tammy blickt Monica provokativ an, eine journalistische Investigativfrage direkt zu Beginn, keine Schonung für die Schweinehirtin, man will ja was bieten. Die guckt Tammy jedoch nur etwas verständnislos an und fühlt sich sichtlich Null unter investigativen Druck gesetzt.
Monica Shade: „Ich dachte du sollst die kompetente Interviewerin sein und MacMüll ist derjenige mit den Fragen, die seinem Namen entsprechen?“
Tammy schnappt nach Luft. Der hat gesessen.
Monica
Shade: „Lady Rosi meint ich soll es mal so erklären,
weil hier in Deutschland Fussball ja so ne große Sache ist.
Also auch ne Teamsportart mit vielen Leuten, wo letztlich der
Torschütze für den Sieg sorgt und im Fokus ist. Womit
dennoch der Rest des Teams nicht weniger wichtig ist. Kannst du
mir folgen?
Ein merkliches Ruckeln von Lady Rosi unter ihrem Arm verdeutlicht, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist.
Monica Shade: „Und dann könnte man auch einfach sagen, dass Rasmus Rantanen entscheidend für dieses Match war und wir ohne ihn nicht mal das bessere Team gewesen wären, aber sei es drum. Hauptsache gewonnen und ein Rematch wird es nun wohl eher nicht geben, ergo kann es mir letztlich egal sein. Die eigentliche Frage ist doch: was jetzt?“ Tammy: „Glaub es oder nicht, dasselbe hätte ich dich jetzt auch gefragt. Also: was jetzt?“ Monica Shade: „Mein Ziel GFCW Champion zu werden, um meine vorigen Niederlagen vergessen zu machen, ist klar formuliert, die Frage ist also wie ich mich für einen Titelkampf empfehlen kann. Und ob GFCW überhaupt so lange noch existiert, im Moment gibt es ja scheinbar ein paar echt üble personaltechnische Probleme wenn man den Dirt Sheets glauben darf.“
Darauf würde Tammy jetzt gern eine passionierte Antwort liefern, aber komplett aus der Luft gegriffen sind die kursierenden Gerüchte ja nun leider nicht.
Monica Shade: „Selbst Lunas große Klappe ist ja komplett verstummt, nachdem sie ein Mal von mir die Wahrheit gehört hat. Ich wusste ja, dass ich klar besser bin als sie, aber dass ich sie vernichtend schlagen würde ohne ihr das im Ring aufgezeigt zu haben, das ist auch für mich und Lady Rosi überraschend.“ Tammy: „Konstruierst du da jetzt nicht einen Zusammenhang, den es gar nicht gibt? Und bist du nicht etwas zu sehr von dir überzeugt?“ Monica Shade: „Nö, du bist nur nicht genug von mir überzeugt. Nur um mal die Perspektive aufzuzeigen: als ich Ende 2022 Weltmeisterin wurde, da war Aiden Rotari gerade damit fertig Fisch zu spielen und nicht mal relevant genug, um bei der Title Night auf der Card zu stehen, während Luna ein Match gegen Thomas Camden hatte, das so wichtig war, dass es nicht mal gefilmt wurde. Guck dir den VOD von Title Night 2022 an, das Match gibts da nicht. Anders gesagt war ich 2022 schon besser und wichtiger als Luna und Aiden und obgleich sie sich in der Zwischenzeit meinem Niveau etwas genähert haben – ich bin noch immer besser, auch wenn ich wohl oder übel nicht die Ergebnisse habe, auf dass es auch die Doofen verstehen.“
Tammy beißt sich auf die Zähne. Sie selbst kann Monicas Gedankengang auch nicht ganz nachvollziehen und gehört also aus ihrer Sicht „zu den Doofen“. Grund genug Kontra zu geben, nur freundlich genug, auf dass Monica nicht die Wildkatze in sich entfacht und ihr die Klauen zeigt.
Tammy: „Ist doch etwas frech gegen den Wrestler des Jahres 2024 zu verlieren und dennoch zu behaupten besser zu sein, findest du nicht?“
Tammy lächelt Monica betont freundlich an. Die Frage hat nun aber gesessen ohne unhöflich gewesen zu sein. Richtig? Nun, vielleicht. Monica scheint aber erneut eine klare Antwort parat zu haben und lächelt dabei selber etwas. Auch kein nervöses Zucken vom Stoffschwein. Die Frage scheint der Long Island Leopardin tatsächlich rein gar nichts auszumachen.
Monica
Shade: „Gegenfrage: hat irgendwer Aiden Rotari auf dem
Zettel für den Wrestler des Jahres 2025? Denke nicht. 2024
war für ihn ein Ausreißer nach oben und das weiß
er auch, sonst würde er jetzt nicht versuchen mit der LPG
als Krücke das Gold zurückzugewinnen, sondern auf seine
eigenen Fähigkeiten setzen. Miria und ich haben nicht gerade
bei vielen Themen ähnliche Ansichten, glaub ich, aber hier
haben wir ne recht ähnliche Einschätzung. Aiden Rotari: "Zwischen ferner Vergangenheit und Konjunktiv zu leben wird dich deinem Ziel nicht näherbringen."
Kann jemand überraschend im Bild auftauchen, wenn man sich dran gewöhnt hat, dass er überraschend auftaucht? Dieses Paradox möge jemand anderes auflösen, auf jeden Fall ist es zumindest in diesem Fall nicht überraschend, dass der Fokus aller auf Monica Shade gelegen hat, hat sie sich doch ordentlich in Rage geredet. Das erlaubt einem Aiden Rotari, relativ unbemerkt von der Seite ins Bild zu kommen, ohne, dass er sich großartig anschleichen muss. Er nickt Tammy höflich zu, ehe er sich an seine Partnerin aus dem Zirkus wendet
Aiden Rotari: "Meine Auszeichnung als Wrestler des Jahres als Schnee von gestern zu bezeichnen und gleichzeitig mit drei Jahre alten Errungenschaften auf fremdem Terrain zu protzen lässt dich nicht besser dastehen, bloß beleidigt und gekränkt. Man kann Frustration sehr viel sinnvoller kanalisieren als über fehlende VODs und abgeschaffte Match-Stipulationen zu fachsimpeln. Ich nehme doch an, du hast nicht vor zu enden wie Robert?"
Ist das schon eine Andeutung für das, was er später im Ring sagen möchte? Lorenz hat davon gesprochen, dass sich Rotari noch vor dem Publikum zum aktuellen Geschehen äußern wird. Dass Breads ein verbitterter Ewiggestriger geworden ist, ist nun wahrlich keine Neuigkeit, und davon ist Shade nicht nur Welten, sondern wahrscheinlich eine ganze Galaxie entfernt, aber Rotari scheint das auch eher als Warnung, denn als Feststellung zu äußern. Seine dunklen Augen haben Monica fest im Visier, während er sehr bewusst die Stimme nicht hebt oder übermäßig wütend klingt.
Aiden Rotari: "Meinen Weg zum Erfolg ethisch und moralisch einzuordnen überlasse ich anderen, es bleibt dabei, dass ich erfolgreich gewesen bin und gedenke, es wieder zu werden. Dazu ist mir jedes Mittel Recht - und das sollte es dich auch sein. Schließlich seid Luna und du jetzt dran, Jagd auf meinen Titel zu machen. Ich meinte es ernst, als ich sagte, ich würde diejenige unterstützen, die den Shot letztlich bekommt."
Er lässt dabei natürlich unter den Tisch fallen, dass er das Asterix "wenn ich anschließend den ersten Title Shot bekomme" hinzugefügt hatte, aber selbst, wenn er das nicht getan hätte: Jemand so offensichtlich und schamlos eigennütziges wie Rotari tut nichts, wenn er sich keinen Vorteil davon verspricht. Die Frage ist bloß: Auf kurze oder lange Sicht?
Aiden Rotari: "Solltest du einen Rat von jemandem wollen, der im Gegensatz zu dir den Olymp dieser Promotion bereits erklommen hat: Bereits aufgedeckte Schwachstellen nicht auszumerzen wird dir früher oder später den Kopf kosten."
Damit sieht er abschätzig und zum ersten Mal mit offener Verachtung zu Lady Rosi. Dass Rotari selbst es war, der diese "Schwachstelle" offen gelegt hat, wird selbstverständlich ebenfalls nicht erwähnt. Shade hat mit keiner Regung angedeutet, einen Ratschlag von Aiden Rotari erhalten zu wollen. Und doch blickt er sie nun forsch an, sieht ihr in die Augen und legt leicht den Kopf schief, als sei er sich nicht hundert prozentig sicher, ob er sie richtig eingeschätzt hat.
Aiden Rotari: "Du willst dir doch meinen Titel holen, oder?"
Monicas violette Katzenaugen funkeln ihren Landsmann an.
Monica Shade: „Dein Namensschild ist abmontiert und wenn du so weitermachst, kommt es auch nicht wieder drauf, das ist mein Rat an dich. Ansonsten...“
Monica wendet sich nonchalant von Aiden Rotari ab und der Interviewerin zu.
Monica Shade: „Hey, Tammy. Möchtest du Aiden sagen, was der springende Punkt ist, den er entweder vorgibt nicht verstanden zu haben, weil ihn zuzugeben peinlich für ihn wäre, oder den er tatsächlich nicht verstanden hat, was noch peinlicher für ihn wäre?“
Die Angesprochene hätte es durchaus vorgezogen nicht in dieses verbale Duell mit einbezogen zu werden, aber Monicas Stachel ihre Interviewfähigkeiten seien wie bei MacMüll, der steckt noch und so bringt sie sich dann doch ein.
Tammy: „Nun, ob es ein tatsächlicher Punkt ist, das kann man in Frage stellen, aber du möchtest sicherlich darauf hinaus, dass dein zurückliegender Titelgewinn noch immer relevant ist, weil du heute noch so gut oder besser bist als damals, während du Aiden absprichst noch so gut zu sein, wie er bei seinem Titelgewinn war.“ Monica Shade: „Korrekt. Das hast du prima dargelegt. Obendrein...“
Sie hebt Lady Rosi an, hält das Stoffschwein kurz vor Aidens Gesicht und bringt es dann wieder rasch unter ihrem Arm in Sicherheit.
Monica Shade: „Lady Rosi ist keine Schwäche, Lady Rosi ist Stärke. Wie ich zu sagen pflege: wer immer Schwein hat, hat immer Schwein. Ich war lediglich nicht darauf vorbereitet, dass jemand tatsächlich so wenig Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten hat, dass die Attacke auf ein süßes, wehrloses Schweinchen in Betracht gezogen wird, um die Lücke zu schließen, die es zu meinen Fähigkeiten gibt. Besonders von einem sogenannten Wrestler des Jahres hab ich so ne jämmerliche Aktion nicht erwartet. Bin ja jetzt auch schon ein gutes Weilchen dabei – gute sieben Jahre auf der großen Bühne plus ein bisschen was davor auf kleinerer Bühne und du bist echt der Erste, der moralisch kaputt genug war, um so ne Aktion zu bringen.“
Monica funkelt Aiden an, als ob sie ihn nun voll erwischt hätte. Doch dann dämmert es ihr.
Monica Shade: „Jetzt sag nicht, dass du das als Kompliment auffasst...“ Aiden Rotari: "Ich fasse es als wichtige Information über deine Denkweise auf."
Rotari lässt den Blick noch einmal zu Lady Rosi wandern, jetzt nicht mehr so abschätzig, sondern mit... was, einer gewissen Neugier? Fragt Aiden sich, ob das bedeutet, er kann mit dem gleichen Trick NOCHMAL gegen Shade gewinnen, sollten sie noch einmal aufeinandertreffen? Wie dem auch sei, der Blick wandert wieder nach oben, zu seiner Gesprächspartnerin.
Aiden Rotari: "Mein Angebot an dich steht auch weiterhin. Solltest du nahe genug an meinen Titel kommen, könnte es dir gelegen kommen, wie... moralisch kaputt ich doch bin. Überlege es dir gut. Ich bin sicher, du bist intelligent genug, um letztlich die richtige Entscheidung zu treffen. Und solltest du dein Ziel erreichen... nun, dann kannst du mir in einem Titel-Match beweisen, dass du mich doch schlagen kannst."
Er wendet die Augen von Monica ab, und sieht Tammy an.
Aiden Rotari: "Bitte entschuldige die Unterbrechung. Ich werde euch jetzt verlassen. Ich muss mich um die Zukunft kümmern."
Ein letztes Mal schaut er Monica an.
Aiden Rotari: "Wir waren ein tolles Team beim Pay-Per-View."
Mit diesen Worten tritt Rotari aus dem Bild, offenbar die letzten Vorbereitungen treffend, um die bereits angekündigte Rede im Ring zu halten. Er lässt die beiden Damen allein, ohne irgendjemandem die Chance zu geben, das letzte Wort zu haben. Oder, anders ausgedrückt: Bevor man ihm aus seinen eigenen Worten einen Strick drehen kann. Monica, Lady Rosi und Tammy gucken Aiden noch einige Augenblicke hinterher.
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