Während die meisten GFCW-Athleten bereits ihre Unterkünfte nahe der Open-Air-Arena bezogen haben – Hotels, Apartments, anonyme Rückzugsorte – scheint Aya einen anderen Weg gewählt zu haben. Etwas abgeschieden, im mondbeschienenen Glanz des ruhig daliegenden Sees, liegt das Seehotel. Die Leonardo Bar, eine Bar im Seehotel, wirkt fast leer. Nur wenige Gäste, die meisten schweigend, versunken in Gespräche. Aya sitzt an der Theke. Den Blick auf das Glas gerichtet, in dem ein eisgekühltes, alkoholfreies Getränk träge vor sich hin taut. Er wirkt ruhig – aber in seinen Augen liegt diese Unruhe, die man nur kennt, wenn der Kampf näher rückt. Die Art Unruhe, die früher immer von einem bestimmten Menschen gedämpft wurde. Ein Schatten fällt über ihn. Breit. Massiv. Langsam. Und er wächst. Eine schwere Hand legt sich auf Ayas Schulter – mit der Vertrautheit eines Mannes, der mehr weiß, als er je erzählen wird. Aya dreht sich um – und in dem Moment verliert der Abend etwas von seiner Schwere. Für einen kurzen Augenblick lächelt er – ehrlich.
Aya: „Schön, dass du da bist. Wie geht’s dir?“
Langsam
tritt die Gestalt ins Licht. Und in seiner rechten Hand: ein Gehstock. Schwer. Alt. Aber nicht weniger würdevoll. Er setzt sich. Langsam. Bedacht.
Jimirion: „Heh... ich... wie sagt ihr... bin noch hier, ne? Schmerzen... ja, bisschen, aber nix was paar Pill’n nich platt mach’n.“
Aya beobachtet ihn aufmerksam, während der Amerikaner sich ein Bier bestellt. Die Barkeeperin erkennt ihn. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Doch sie sagt nichts – sie stellt das Bier wortlos hin. Erst dann spricht Jimirion weiter in seinem Gebrochenen Deutsch, was ihn deutlich schwer fällt.
Jimirion: „Ich werde’ seh’n... du Steel Cage. Morgen. und... dieser... Jungspunnt.“
Aya: „Heh, Jungspund ist fies. Der geht auch schon auf die vierzig zu. Aber ja, ich weiß, was du meinst. Die Chemie... ist noch nicht da. Nicht wie damals bei uns.“ Jimirion: „Nix ist wie damals. Aber... erinner dich, was ich dir beigebracht hab’. Die innere Ruhe, ne? Die Kontrolle. Im Ring... und im Kopf.“
Kommt es leise und beruhigend von ihm während Aya langsam nickt. Dann nimmt er einen Schluck. Für einen Moment sagen beide nichts. Dann legt er sein Glas beiseite, dreht sich zu ihm.
Aya: „Ich würde dich morgen gern an meiner Seite im Ring sehen. Du weißt das. Jay ist nicht schlecht... aber er ist nicht wie du.“
Wieder ein langsames Nicken, aber diesmal vom Amerkianer.
Jimirion: „Nee... bin ich nich. Und er... er is’n andrer Typ. Ich war... Bum! Die Kraft. Du warst... schwing, schwing... Technik. Jetzt... hat sich’s gedreht. Du bist beides’n bisschen. Also... nimm, was du hast. Nicht was war.“
Ein Hauch Wehmut liegt in Ayas Blick. Aber auch Respekt. Er erhebt sich langsam, lehnt sich von der Theke ab, klopft Jimirion leicht auf die Schulter.
Aya: „Danke, mein Freund. Wirst du morgen da sein?“
Jimirion schüttelt den Kopf leicht und schaut seinen ehemaligen Tag Team Partner freundlich an.
Jinmirion: „Nee... tut mir leid, Bruder. Lang sitzen, lang steh’n... is’ nix mehr für mich. Aber... ich seh’s. Ich seh’s im Fernsehn. Ich drück euch die Daumen.“
Er hebt sein Glas, trinkt einen tiefen Schluck, ehe er nochmal spricht. Diesmal mit einem feinen Lächeln, das mehr sagt als tausend Worte.
Jimirion: „Holt euch das Gold, Champ.“
Aya nickt nur. Ein letztes Mal klopft er ihm auf die Schulter, fester, bedeutungsvoller, dann dreht er sich um. Und geht. Langsam. In die Nacht hinaus. Die Schatten der Vergangenheit bleiben zurück. Doch irgendwo zwischen Holz, Glas und dem Glanz längst vergangener Kämpfe hallen Jimirions Worte noch nach.
Das Ding steht.
Eine Beschreibung, die an Zweisamkeit von Sven mit Petes Mutter denken lässt. In diesem Fall ist es aber eine groß dimensionierte Videoleinwand, die zum Himmel aufragt.
Produktionsleiter Ralf Mohn hat die Hände an den Hüften und blickt mit dem Stolz eines Pyramiden-Erbauers auf sein Werk, welches dafür sorgen wird, dass noch der letzte Winkel des Saloonbrawls für alle Zuschauer gut zu sehen sein wird – selbst dann, wenn man als armer Tropf in der letzten Reihe sitzt.
Mohn blickt auf seine Armbanduhr.
Ralf Mohn: „Vier Stunden vor dem Zeitplan fertig. Sehr gut. Der frühe Vogel fickt den Wurm. Dann probieren wir es mal aus.“
Der Produktionsleiter nimmt ein Walkie-Talkie von seinem Arbeitsgürtel und drückt den Sprechknopf. Ralf lässt seine Stimme ertönen, von der nach 30 Jahren Jack Daniels nur noch Bass und Schnoddern übriggeblieben ist.
Ralf Mohn: „Regie? Hallo? Produktion an Regie! REGIE! Verdammt, BIN ICH ZU HÖREN?“
Mohn ist im Begriff, das Walkie-Talkie zurück an den Gürtel zu stecken. Er ballt die Hand zur Faust. Funktioniert das Scheißding nicht oder arbeiten die Faulpelze in der Regie noch nicht? Das muss eine VERSCHWÖRUNG gegen ihn sein. Wer will hier seinen Tag ruinieren? Sind es die Götter persönlich?
Ralf kneift die Augen zusammen und schirmt mit seiner Hand die nervende Scheiß-Sonne ab. Wenn die Weltregierung schon künstliche Schlieren in den Himmel spritzen muss, wieso sorgt das nicht einmal für Schatten? Er blickt über das Festgelände hinweg zu einem schwarzen Container ohne Fenster – die Regiebox. Mohn will losmarschieren. Mal nachschauen, was bei den faulen Affen in der Box eigentlich verkehrt ist. Und jeder GFCW-Mitarbeiter weiß: Wenn Ralf Mohn nur mal nachschauen will, findet er meistens was. Und wenn es ein Grund für eine Abmahnung ist.
Doch das Walkie Talkie knistert, kaum dass Ralf den ersten Schrittgesetzt hat.
Stimme: „Ja…ja, ich höre.“ Ralf Mohn: „Plötzlich Ohren gewachsen, was? Hat ja auch lange genug gedauert mit einer Antwort.“ Stimme: „Sorry, äh, ich habe den Knopf zum Sprechen nicht gefunden.“ Ralf Mohn: „Ich glaub‘, mich fickt ein Pferd.“ Stimme: „Heißt es nicht: Mich tritt ein Pferd?“
Der Produktionsleiter hält das Walkie Talkie ein Stück weiter von seinem Kopf weg und blickt das Gerät feindselig an, als wolle es höchstpersönlich ihn verarschen.
Ralf Mohn: „DU HAST DEN KNOPF ZUM SPRECHEN NICHT GEFUNDEN? DEIN ERNST? Wir benutzten die Scheißteile seit zehn Jahren.“ Stimme: „Ich bin ein Neuer hier in der Regie.“ Ralf Mohn: „Und ich brauche eine neue Herzklappe, wenn das so weitergeht.“
Ein Neuer am PPV-Tag? Jetzt will Dynamite persönlich ihm noch ans Bein pissen, oder? ODER? Es MUSS eine Verschwörung gegen ihn sein. Er nimmt sich vor, Claude Booker heute Abend auf die Liste zu schreiben.
Ralf Mohn: „Also gut, Manuel Neuer, hör‘ mir zu.“
In Kollegenkreisen war Ralf Mohn
noch nie für Langmut bekannt. Und so spürt er eine Wut
in sich hochkochen, die drauf und dran ist, einen sprudelnden
Vulkan zu produzieren, der statt Lava Frust spuckt. Doch dann
erinnert Mohn sich daran, was er in den Beratungen mit
Dreamweaver gelernt hat. Sitzungen, die Teil des Deals mit der
Personalabteilung waren, um den Job behalten zu dürfen.
Hintergründe sind unwichtig.
Ralf Mohn: „Ich will, dass du jetzt ganz genau zuhörst.“ Stimme: „Ok.“ Ralf Mohn: „Wir müssen testen, ob die Videoleinwand läuft, weil gleich kommt die Presse und will es sich anschauen. Spiel mal ein Video ein. Egal welches. Kriegst du das vielleicht hin?“ Stimme: „Bestimmt.“
Das letzte Geräusch, welches das Walkie-Talkie überträgt, ist eine Hand, die etwas am Regiepult drückt. Dann ertönt ein Piepen.
Ein Signal wird an die Leinwand geschickt. Sie leuchtet auf.
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Originalaufnahmen vom 08.03.2002
Es ist ein schöner warmer Tag in Edinburgh. In einem Cafe sieht man Fat Lip, wie er mit einer jungen hübschen Frau einen Kaffee trinkt und sich mit ihr unterhält.
Doch plötzlich erscheint Tha Bomb im Cafe.
Tha Bomb: "Eh Fat Lip alter Kollege alles klar bei dir." Fat Lip: "Bis jetzt ja! Aber du kommst ja immer dann wenn man dich nicht braucht!" Tha Bomb: "Ich kann ja auch wieder gehen Entschuldigung!"
Plötzlich schaute Tha Bomb wie hypnotisiert auf Fat Lip`s Freundin
Tha Bomb: "Was sehen dort meine entzündeten Augen? Sag mir Fat Lip, wer ist diese wunderschöne Frau die dort an deiner Seite sitzt! Etwa deine Freundin?" Hübsche Frau: "Ich bin Joana Sexianer aber die meisten nennen mich einfach nur SEX! Gefällt mir persönlich auch viel besser!" Tha Bomb: "Mir auch!!!
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Ralf Mohn: „Ich glaube, mein Schwein fickt.“ Stimme: „Es heißt: Mein Schwein pfeift, glaube ich.“ Ralf Mohn: „Was fällt dir ein, so ein Scheiß-Video abzuspielen!?“ Stimme: „Äh, ich sollte doch irgendetwas abspielen. Haben Sie gesagt. Und da hab‘ ich halt im Archiv irgendetwas angeklickt.“ Ralf Mohn: „Aber nur weil ich was sage, heißt es doch nicht, dass ich es auch meine. Hör mir zu, Manuel Neuer.“
Der Produktionsleiter streckt dem Himmel einen Mittelfinger entgegen. Scheiß Weltverschwörung. Umgeben von Idioten.
Ralf Mohn: „Gleich kommen die von der Presse. Die wollen ein paar Fotos vom Aufbau unserer Show machen. Und dann läuft auf der Leinwand besser was mit NIVEAU und nicht so eine sexistische Scheiße. Wir sind im Jahr 2025, nicht mehr 2002. Deiner Stimme nach warst du dort nicht mal geboren, Grünschnabel. Mach‘ irgendwas mit Wrestling. HABEN WIR UNS VERSTANDEN?“ Stimme: „Ok.“ Ralf Mohn: „Gut.“
Er senkt das Walkie Talkie und klemmt es an seinen Arbeitsgürtel zurück. Mohn blickt zur Leinwand.
Jeden Augenblick müsste die Presse kommen.
Flughafen Hamburg. Einige Tage vor High Noon.
In der Ankunftshalle des Airports Helmut Schmidt ist es laut und trubelvoll. Mehr als zehn Millionen Menschen kommen hier jährlich an oder reisen ab. Für die Angestellten ist es reine Routine, inmitten der Durchsagen aus den Lautsprechern und des vorfreudigen Geplappers von Reisegruppen einen kühlen Kopf zu bewahren und sich durch Kofferschlangen zu navigieren. Aber wer nur zu Gast ist, der kann schon einmal die Orientierung verlieren.
Und so kommt Tommy Qurashi im letzten Moment an. Er musste einen Sprint hinlegen, um da zu sein, als die Glastüren mit der Aufschrift „Arrival“ geöffnet werden und sich ein neuer Menschenstrom in die Ankunftshalle ergießt. Qurashi drückt sich an zwei Eltern vorbei, die Pappschilder hochhalten, um ihre Tochter nach einem Jahr als Au-Pair zurück in Deutschland zu empfangen. Tränen der Vorfreude laufen ihnen beim Anblick der Rückkehrerin über die Wange. Ganz so emotional geht es bei Tommy nicht zu, aber jemanden empfangen, das will er auch. Er versucht, bei all den Menschen einen Überblick zu bekommen und inmitten der Masse den Haarschopf zu erblicken, wegen dem er hier ist.
Dann erspäht er das zum Zopf gebundene blonde Haar. Ganz hinten im Menschenstrom schlendert Caracal Matthews heran. Er hat nur leichtes Gepäck, ein Lächeln auf den Lippen und sieht entspannt aus. Viel zu entspannt dafür, dass er aus Übersee eingeflogen kommt, um seinen GFCW-Vertrag zu verteidigen. Qurashi kräuselt besorgt die Stirn, aber zwingt sich zu einem Lächeln, als Matthews ihn entdeckt.
Caracal Matthews: „Tommy!“ Tommy Qurashi: „Caracal. Wie war der Flug? Wie fühlt es sich an, mal wieder in deiner beruflichen Heimat zu sein?“
Abrupt bleibt Matthews stehen. Zwei Schritte vor Qurashi, der bereits eine Hand zur Begrüßung ausgestreckt hatte.
Caracal Matthews: „Mal wieder in meiner beruflichen Heimat? Steckt da etwa ein Vorwurf in dem Satz? Du weißt, ich tanze stets auf mehreren Hochzeiten. Auch beruflich.“ Tommy Qurashi: „So war das nicht gemeint. Nur als…Smalltalk.“
Mit schiefgelegtem Kopf blickt Qurashi seinen Landsmann an, um zu erkennen, ob er diesen ernsthaft verärgert hat. Doch zu Tommys Erleichterung winkt Matthews ab.
Caracal Matthews: „Schon gut, schon gut. Ich weiß ja, dass du fast genauso engstirnig wie Halvor und Bjorn bist, was das angeht.“
Eine ziemlich offene Anspielung darauf, dass Tommy seine Unzufriedenheit mit Matthews in den vergangenen Monaten mehrfach ausgedrückt hatte, ehe es zum endgültigen Zerwürfnis mit den Scandinatives und der Verbündung mit Caracal kam.
Caracal Matthews: „Ich jedenfalls fühle mich heute großartig. Danke der Nachfrage.“
Der Royal Rookie lässt seine Sporttasche von der Schulter gleiten und wirft sie Qurashi zu. Tommy kann sie gerade noch fangen; ein paar Zentimeter, bevor sie auf den Boden schlägt.
Matthews nutzt die neue Freiheit, um ein kleines Tänzchen in der Ankunftshalle hinzulegen. Er dreht sich auf den Hacken, lässt die Hüften schwingen und wackelt mit den Schultern. Immer wieder klatscht er in die Hände, um den Takt vorzugeben. Einige der Umstehenden werfen dem Tänzer irritierte Blicke zu. Andere gehen schnell davon, manche zücken ihre Kamera.
Qurashi steht angesichts der plötzlichen Aufmerksamkeit, die auf Matthews – und damit auch auf Tommy selbst – liegt, peinlich berührt da. Er vergräbt die Hände in der Hosentasche und wartet zu Boden blickend, bis Matthews seine Performance beendet hat. Als es so weit ist, räuspert sich Qurashi, um die peinliche Stille zwischen ihnen zu durchbrechen.
Tommy Qurashi: „Also dann: Schon aufgeregt?“ Caracal Matthews: „Warum sollte ich?“ Tommy Qurashi: „Weil wir…in ein paar Tagen ein Match haben werden vielleicht? Ein Match, in dem es nicht nur um meine GFCW-Zukunft geht, sondern auch um deine. Schließlich hast du auch deinen Vertrag aufs Spiel gesetzt.“
Als wäre ihm der Grund für seine Anreise entfallen, winkt Matthews lässig ab.
Caracal Matthews: „Du musst lockerer werden, Tommy. Übrigens habe ich etwas für dich.“
Matthews öffnet seine Jacke, greift in die Innentasche und reicht Qurashi einen Umschlag. Der Kanadier nimmt das „Geschenk“ seines Landsmannes mit erhobenen Augenbrauen entgegen. Er öffnet den Umschlag. Im Inneren befinden sich einige krude Zeichnungen von zwei Menschen. Kaum mehr als Strichmännchen aufgeteilt auf ein gutes Dutzend Panels.
Tommy Qurashi: „Was ist das, Caracal?“ Caracal Matthews: „Unsere Choreographie.“
Matthews tritt vor und tippt mit den Fingerspitzen auf die Zettel in Qurashis Hand. Tommy blättert entgeistert durch die von Matthews vollgekritzelten Seiten.
Caracal Matthews: „Mit diesen Tanzmoves gehen wir VIRAL. Das wird der Kickstart für deine Karriere.“ Tommy Qurashi: „Ich glaube, ich möchte nicht tanzen.“
Inmitten einer Drehung hält Matthews inne. Er steht halb verdreht da und hat Augen und Mund geöffnet. Sein Ausdruck zeigt solch eine Verwirrung, als habe soeben jemand gesagt, er möchte keine große Summe Geld geschenkt bekommen.
Caracal Matthews: „Ooh, Tommy. Du musst doch keine Angst haben, vor Publikum zu tanzen. Wir können vorher üben. Bad Segeberg wird unsere Moves lieben.“ Tommy Qurashi: „Es geht nicht um das Publikum. Ich möchte generell…“
Er schiebt die Zeichnungen zurück in den Umschlag.
Tommy Qurashi: „…nicht tanzen.“ Caracal Matthews: „Häää?“
Mit zusammengekniffenen Augen atmet Caracool Royale durch.
Caracal Matthews: „Du willst nicht tanzen? Aber Tommy…was willst du dann?“ Tommy Qurashi: „Einfach nur Wrestling machen.“ Caracal Matthews: „Aber Tanzen IST Wrestling.“ Tommy Qurashi: „Das sehe ich nicht so.“
Matthews wirft die Hände ratlos in die Luft, als spräche er mit einem Kind, das einfach nicht willig ist, das 1x1 zu verstehen. Er legt eine Hand ans Kinn. Geht in Denkerpose, während er nach den passenden Worten sucht.
Caracal Matthews: „Was glaubst DU denn, was Wrestling ist? Etwa Ringen mit ein bisschen Treten und Schlagen?“ Tommy Qurashi: „Im Großen und Ganzen trifft es das wohl.“
Innerhalb einer halben Sekunde nach Abschluss von Tommys Satz hebt Matthews einen mahnenden Finger. Er baut sich vor seinem Partner bei High Noon auf, bohrt seine Augen (metaphorisch) in den Landsmann. Stemmt die Hände in die Hüften.
Caracal Matthews: „Du Dummerchen. Wrestling ist Entertainment. Es geht darum, die Fans glücklich zu machen. Und wann sind Fans glücklich? Wenn man tanzt. Das ist eine wirklich einfache Gleichung. Sag mir, Tommy, welches Jahr haben wir?“
Überrascht vom plötzlichen Themenwechsel entfährt Qurashi ein Grunzen. Zögerlich gibt er die Antwort auf die Frage, die sich Matthews natürlich auch selbst beantworten könnte.
Tommy Qurashi: „2025.“ Caracal Matthews: „Eben. 2-0-2-5! Es ist einfach nicht mehr genug, ein bisschen zu kämpfen und zu gewinnen. Nein, Wrestler müssen tanzen. Alles andere ist ein Verrat am Fan. Ein Dolch im Rücken der Unterhaltung. Schlimm genug, dass du kein Highflyer bist, aber du kannst den Fans nicht auch noch das Tanzen vorenthalten.“ Tommy Qurashi: „Schlimm genug, dass ich was nicht bin? So denkst du über meinen Stil?“
Konfrontativ reckt Tommy das Kinn vor. Doch Caracal scheint nicht zu bemerken, wie verletzend seine Bemerkung war. Er läuft vor Qurashi in der Ankunftshalle auf und ab.
Caracal Matthews: „Tanzen macht glücklich. Tanzen geht viral. Wer tanzt, fühlt sich besser. Ich würde behaupten: Wer nicht tanzt, hat das Wrestling nie geliebt.“
Er deutet auf den Umschlag, den Qurashi noch immer in den Händen hält und tippt darauf.
Caracal Matthews: „Spring‘ über deinen Schatten und studiere das ein. Du wirst sehen, dass es dir guttut.“
Unschlüssig steht der Angesprochene da. Lässt den Umschlag mit der Choreographie von der einen Hand in die andere gleiten. Währenddessen verfolgt Matthews jeden seiner Schritte. Er kann und will nicht verstehen, warum Tommy sich so schwertut.
Dann atmet Qurashi einmal lang und laut aus.
Tommy Qurashi: „Ich will die Fans ja unterhalten. Aber vor allem will ich gewinnen.“ Caracal Matthews: „Um – dann – zu – tanzen. Als Siegesfeier. LET’S GOOOO!“
Und schon beginnt Matthews wieder, mit der Hüfte zu wackeln. Er will nach Qurashi greifen und ihn zum Tanz heranziehen, doch dieser tritt zur Seite. Mittlerweile hat sich die Ankunftshalle um sie herum bereits gut geleert. Doch angesichts von Caracals exzentrischem Verhalten bleiben einige Urlauber stehen und schauen zu.
Tommy Qurashi: „Vielleicht ein andermal.“
Matthews verharrt in der Bewegung. Er reicht den Umschlag an Matthews zurück. Aber der Streamer und Star von „Subscribe to my Dances!“ weigert sich, den Umschlag zurückzunehmen. Nimmt sogar demonstrativ die Hände hinter den Rücken.
Caracal Matthews: „Komm‘ endlich zur Besinnung, Tommy. Sei ein guter Mensch. Mach die Fans glücklich. Wir sehen uns in Bad Segeberg und ich hoffe wirklich, dass du mich dann nicht mehr so runterziehst.“ Tommy Qurashi: „Zu meinem Auto geht es da lang.“
Er deutet in entgegen der Richtung, in die Matthews läuft.
Caracal Matthews: „Ich nehme ein Taxi. Vielen Dank.“
Wer hart genug ist, um den Wilden Westen zu überleben…
…ist es wert, in die Manege zu treten.
…
…
…
Doch kannst du andere erniedrigen oder bist du selbst der Clown? Dirigierst du die Show oder spielt man ein Spiel mit dir? Bist du ein Dompteur oder wirst du gezähmt?
…
…
…
Im Oktober zeigt sich, wer den Drahtseilakt schafft…
…und wer seinen Absturz erlebt.
…
…
…
Sonntag, 05.10.2025, Ferropolis
Ralf Mohn hört Schritte hinter sich. Er dreht sich um und sieht erst eine Frau im Poloshirt, dann einen alten Mann im kurzärmligen Hemd auf sich zuschlurfen. Die Frau hat einen Notizblock in der Hand, der Mann eine Kamera um den Hals.
Ralf Mohn: „Ah, guten Tag! Sie müssen vom Bad Segeberger Tageblatt sein, was?“
Plötzlich ist Ralf Mohn ein anderer Mensch. Er schüttelt hingebungsvoll die Hände der Presse und lässt sich fast zu einem Handkuss hinreißen.
Lokalreporterin: „Wie nett, dass wir vom Aufbau der Veranstaltung berichten dürfen. Eine Wrestling-Liga von solch stattlichem Format kommt nicht jeden Tag nach Bad Segeberg. Und wie ich sehe, haben sie auch ganz schön was auf die Beine gestellt.“
Die Frau deutet in Richtung der Videoleinwand. Der Fotograf zückt seine Kamera und schießt einige Fotos. Mohn betrachtet das Treiben lächelnd. So stolz hat er sich seit der Geburt seiner Enkeltochter nicht mehr gefühlt.
Ralf Mohn: „Eine Spezialanfertigung extra für High Noon. Das Bild ist so knackscharf, damit können sie noch auf 20 Meter Entfernung einen Echsenmenschen ausmachen. Übrigens kommen Sie gerade richtig. Just in diesem Moment wird ein Videotest laufen.“ Lokalreporterin: „Oooh. Wie schön.“
Der Produktionsleiter drückt einen Knopf auf seinem Walkie-Talkie.
Ralf Mohn: „Jetzt, Manuel Neuer.“
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Hintergrund-Aufnahmen vom 08.03.2002
Die Bildqualität ist unter aller Sau. Es dauert, bis man überhaupt erkennt, was man sieht. Oder besser gesagt: Wen.
Joana Sexianer. Allein. Ohne Tha Bomb, ohne Fat Lip. Die junge Frau sitzt auf einer Mauer in Edinburgh und lässt die Beine baumeln. Sie hat ein Bündel Scheine in der Hand. Keine schlechte Summe, aber es scheint sie nicht glücklich zu machen. Sie beachtet das Geld nicht und vergräbt stattdessen den Kopf in den Händen.
Im Hintergrund ist ein Fernsehteam damit beschäftigt, Kamera-Equipment zusammenzupacken und in einem Van mit der Aufschrift „GFCW“ zu verstauen. Joanas Kopf kommt aus der Versenkung zurück. Sie blickt mit Abscheu auf den Van.
Ihr Handy klingelt.
Joana: „Ja?“
Der Van wird endlich gestartet. Joana atmet erleichtert auf und schickt dem GFCW-Van bei der Abfahrt böse Blicke hinterher. Sie versucht sich trotz des Verkehrslärms darauf zu konzentrieren, was die Person am Telefon erzählt.
Joana: „Wie soll es mir schon gehen? Was glaubst du denn? Ich fühle mich scheiße. Als hätte ich meine Würde für ein paar Scheine verkauft. Geradezu entmenschlicht wurde ich vor laufenden Kameras. Wieso muss das Philosophie-Studium so teuer sein? Sonst müsste ich diesen Dreck nicht machen. Ich hätte lieber kellnern gehen sollen.“
Gedankenverloren streicht sie über die Geldscheine. Wird von ihnen gleichermaßen angezogen wie abgestoßen. Sie sind eine Notwendigkeit in dieser kapitalistischen Rotzwelt, nicht mehr. Etwas, wofür man manchmal einen Deal mit dem Teufel machen muss. Aber sie hatte nicht gedacht, dass der Teufel so ekelhaft ist und ihr bei War Evening begegnet. Bei jedem Wort ihres Gesprächspartners wird Joanas Miene noch ein Stück trauriger.
Joana: „Ich übertreibe nicht! Weißt du, was sie von mir wollten? Sie wollten, dass ich behaupte, ich wäre die Freundin vom diesem dicken Obertrottel und mein Nachname wäre Sexianer. Ja, kein Scherz. SEXIANER.“
In ihren Ohren klingt es so absurd, dass sie selbst lachen muss. Doch es ist ein grimmiges Lachen. Ihr treten Tränen in die Augen.
Joana: „Und dann sollte ich sagen…warte…du wirst es nicht glauben. Ich sollte wirklich sagen: Ich bin Joana Sexianer, aber die meisten nennen mich einfach nur SEX! Gefällt mir persönlich auch viel besser!“
Sie imitiert ihre ikonische Line mit verstellter Stimme, gibt sie der Lächerlichkeit Preis.
Joana: „Nein, das ist immer noch kein Scherz. Du kannst es bald im Fernsehen sehen.“
Offenbar wird sie unterbrochen. Sie hört einen Moment zu.
Joana: „Wie, warum? Na, weil dieser Trottel glaubt, dass er bei seinen Freunden cooler rüberkommt, wenn er eine Freundin hat. Glaub mir: Wrestling ist das Allerletzte. Stell‘ dir alle Klischees vor, die du über Wrestler hast: Dumm wie Brot, niveaulos, infantil. Ich sage dir – es ist noch viel schlimmer! Hundertfach schlimmer. Es sind alles Höhlenmenschen und dieser Fat Lip und seine Kumpel, das sind die Schlimmsten. Und sie merken das nicht einmal, dazu fehlt es ihnen an Intellekt. Wie sagte schon Bonhoeffer: Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit.“
Grad als Joana dabei ist, sich weiter bei ihrem Gesprächspartner auszulassen, erspäht sie etwas aus ihrem Augenwinkel. Sie legt das Handy zur Seite.
Joana: „Hallo? Ist da wer?“ Stimme: „Joana? Joana Sexianer?“
Ein Mann tritt ins Bild. Er ist eine kümmerliche, schmale Gestalt und tritt schüchtern von einem Fuß auf den anderen.
Joana: „Oh Gott. Ich kenne dich. Bist du nicht auch einer vom Wrestling?“
Der Mann räuspert sich. Er tritt vollends ins Licht. Sein Anzug ist ihm zu groß, die Haare stehen ungekämmt zur Seite. Sein jungenhaftes Lächeln könnte dem Maskottchen des MAD-Covers gehören.
Pete: „Das bin ich.“ Joana: „Dann hau‘ ab.“
Damit ist für Joana das Gespräch beendet. Sie nimmt das Handy wieder ans Ohr. Pete geht nicht. Er steht weiter da und starrt Joana an.
Joana: „Was willst du noch?“ Pete: „Mich entschuldigen.“
Die Augenbrauen Joanas gehen hoch. Ihr Gesichtsausdruck formuliert ein stummes Wofür?
Pete: „Die Rolle, die du für Fat Lip spielen musstest, ist erbärmlich. Das hast du nicht verdient. Ich habe euer Segment gesehen und gleich hinter deine Fassade geblickt. Welch…äh…kluger Geist sich hinter JOANA SEXIANER verbirgt.“ Joana: „Oh, wow. Ich hätte nicht gedacht, dass sich ein Wrestler entschuldigt.“ Pete: „Ich bin kein Wrestler. Ich bin ein erbärmlicher Wurm, das sieht man doch.“
Stille.
Pete: „Das war übrigens ein Scherz. Bitte lache.“
Keine Reaktion von Joana.
Pete: „Naja, Wurm und Kommentator. Aber vor allem bin ich ein Intellektueller, der vielleicht ein paar falsche Abzweigungen genommen hat.“ Joana: „Ach, wirklich? Ein Intellektueller im Wrestling. Ich glaub’s dir nicht.“ Pete: „Weißt du, ich glaube nicht, dass ich diese Wrestling-Sache noch lange mache. Wir haben jetzt März 2002 und ich wette, im Herbst bin ich schon woanders. Das neue Jahrtausend hat begonnen. Wir haben so viele Möglichkeitne, etwas aus unserem Leben zu machen!“
Der junge Pete macht eine große Geste mit den Händen.
Pete: „Eine geradezu lächerliche Vorstellung, dass ich an der Seite von diesem Sven versaue. Bald mache ich was anderes, ganz sicher. Hab eine Promotionsstelle an der Uni in Aussicht, weißt du? Aber bis dahin verdiene ich mir im Wrestling was dazu. Es ist nicht so schlimm, wenn man es intellektuell interpretiert.“ Joana: „Die einzige Interpretationsmöglichkeit ist, dass Wrestling ein Proletenhobby ist. Da gibt es nichts anders zu deuten.“
Sie will sich von dem kümmerlichen dreinblickenden Typen abwenden. Steckt das Bündel Geldscheine ein.
Pete: „Ich betrachte den Ring als poststrukturalistischen Diskursraum, in dem Körper zum Text werden und Schmerz zur Semantik. In jedem Kampf wetteifern die Athleten darum, Hegels Herr-Knecht-Dialektik empirisch zu verifizieren. Ich bin ein Beobachter in diesem Prozess.“ Joana: „Du…du hast Hegel gelesen? Ein…ein SEELENVERWANDTER? Im Wrestling?“
Ihr Mund steht offen. Sie lässt das Handy sinken und legt in Gedanken verloren auf, obwohl auf der anderen Seite der Leitung jemand spricht. Plötzlich ist etwas anders zwischen ihnen. Sie blickt Pete mit offenem Interesse und Rehaugen an.
Joana: „Wie war noch gleich dein Name?“ Pete: „Pete.“
Er ergreift ihre Hand. Joanas Haut fühlt sich unendlich weich an. Wie das Fell eines Heulers am Strand, der im rauen Wind ausharrt und darauf wartet, gerettet zu werden. Pete beginnt zu zittern. Doch sein Wille ist stark.
Pete: „Nach einem Tag am Kommentatorenpult fühle ich mich reif für eine kleine Flucht in akademische Gewässer. Mö…mö…möchtest du mich dabei vielleicht begleiten?“
Seine Stimme überschlägt sich fast. Er schafft es nicht, Joana in die Augen zu schauen, ohne dass seine Biene weich wie Honig werden.
Pete: „Vielleicht bei einem Kaffee, wo wir Sartre im Milchschaum deuten?“
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Ralf Mohn: „ICH MACH‘ DICH KAPUTT, MANUEL NEUER!“ Lokalreporterin: „Aber Herr Mohn, Sie vergessen sich!“ Ralf Mohn: „Was denkt dieser originale Nichtskönner sich da in seiner Box? Ist die Katze aus dem Haus, ficken die Mäuse auf dem Tisch, oder was?“ Lokalreporterin: „Ich glaube, es heißt, die Mäuse tanzen auf dem Tisch.“ Ralf Mohn: „Entschuldigen Sie mich. Ich muss da etwas klären.“
Erst nimmt Ralf Mohn das Walkie Talkie aus dem Gürtel und hält es an den Mund. Doch dann entscheidet er, dass die Sache etwas ist, die man nicht per Funk klärt. Nein: Wer ihn anpissen will, den besucht er persönlich. Der Produktionsleiter stapft in Richtung der schwarzen Regiebox.
Ralf Mohn: „Ich habe mich doch wohl klar und deutlich ausgedrückt! Keine komischen Videos von früher, Mann! WAS MIT WRESTLING!“
Während der Fotograf ihm hinterherhetzt und eifrig Fotos schießt, umklammert Ralfs Hand den Türgriff der Regiebox mit einer Schraubstockhand.
Ralf Mohn: „Neuer, wo hast du dieses Video überhaupt her!?“
Er reißt die Tür auf.
Ralf Mohn: „Jetzt geht’s dir an den Kragen, Junge. Ich werde dafür sorgen, dass…“
Der Produktionsleiter verstummt. Er bleibt in der Tür stehen und schaut sich verwirrt um.
Die Regiebox ist leer.
GFCW High Noon 2025, Amphitheater, Bad Segeberg, 27.07.2025
7.500 Zuschauer im restlos ausverkauften Amphitheater in Bad Segeberg brüllen sich die Kehlen heiser als Kais BANGER von einem Introvideo über die überdimensionierte Videoleinwand läuft. Was für eine Szenerie, das hat die GFCW-Galaxy so noch nicht gesehen: Dort, wo sonst die Figuren Karl Mays zum Leben erwachen, steht heute alles im Zeichen des Wrestlings. Drei Elemente hat die Liga dafür auf den Sandplatz gebracht, der von mächtigen Felsen auf der einen Seite umgeben ist und von fest installierten Zuschauerreihen auf der anderen – die bereits erwähnte Leinwand in Blickrichtung rechts, auf der linken Seite ein prächtiger Saloon mit offenem Dach für das Special-Match und in der Matte das allerwichtigste, der Ring.
Laura: „Howdy, meine Damen und Herren. Herzlich Willkommen zu GFCW High…“
Die Ringansagerin hat sichtlich Spaß an ihrem Job und dem Western-Theme der Veranstaltung. Sie hat einen Cowboy-Hut auf dem Kopf, trägt eine Lederweste und ein kariertes Hemd. Mit geübter Stimme zieht sie den Namen der Veranstaltung lang, um dem Publikum die Chance zum Mitgrölen zu eröffnen.
Laura: „…Nooooooooon!“
„GFCW!“
„GFCW!“
„GFCW!“
Laura: „Begrüßen Sie mit mir die Kommentatoren des heutigen Abends. Die bemerkenswerteste Bande seit den Daltons. Hier sind für Sie…SVEEEEEEEEEEEN…“
Unendlicher Jubel im Amphitheater. Einige Zuschauer stehen von den Sitzplätzen auf, andere verbeugen sich, um ihre Unwürdigkeit, im Antlitz des Gottes wandeln zu dürfen, auszudrücken. Plakate mit Svens Gesicht werden emporgehoben.
Laura: „…und, naja, halt auch Pete.“
Was willste machen?
Dann kommen sie: Aus einem Höhleneingang treten zwei Maulesel hervor. Keine Pferde, um auf sämtliche Befindlichkeiten und Antipathien von Special Needs-Zuschauern Rücksicht zu nehmen. Sven reitet, natürlich, voran. Er sitzt aufrecht und stolz auf seinem schokoladenbrauen Maultier, hält sich mit nur einer Hand lässig fest und hat so genügend Freiraum, um mit der anderen Hand zum Gruße einen federweißen Hut zu schwenken. Frauen werfen ihm Küsse zu, Väter halten ihren Töchtern die Augen zu.
Hinten, auf einem greisen, mausgrauen Maultier, folgt Pete. Er sitzt falsch herum und ängstlich da, blickt nach hinten, während das Tier altersschwach zum Ring eiert. Trotzdem scheint die Reise für Pete zu heftig zu sein, er klammert sich mit Armen und Beinen auf dem Rücken des Maultiers fest, wobei er durch seine Sitzposition mit dem Gesicht auf dem Hintern des Unpaarhufers aufliegt.
„GFCW!“
„GFCW!“
„GFCW!“
Laura hilft Sven vom Maultier herunter und nutzt die Gelegenheit, um der Legende neckisch ins Ohr zu pusten und mit dem Handrücken an der Wange zu streicheln. Dann beobachtet sie emotionslos, wie Pete beim Versuch des Absteigens in den Staub fällt und stöhnend liegen bleibt.
Währenddessen setzt sich Sven bereits das Headset auf.
Sven: „Es ist High Noon, Ladies und Gentleman. Ich bin der Ölprinz und dort im Dreck liegt Pete. Eine neue GANG ist in der Stadt und zwar das Roster der G-F-C-W! Schauen wir uns doch einmal an, welche Männer und Frauen heute zu allen Schandtaten bereit sind, um diese Stadt zu übernehmen.“
Singles Match: Viggo vs. Robert Breads Referee: Jack Bobo
Sven: „Viggo führt fort, was Mirkan Uysal begonnen hat. Und damit ist nicht nur das Trainer-Amt des Förderkaders gemeint. Nein, auch die Rivalität mit Robert Breads hat er geerbt – wenn auch wider Willen.“ Pete: „Bevor sich nachher die Rookies messen werden, die die Breads und Viggo betreuen, werden die Coaches ihre Animositäten im Ring klären. Keine Sonderregeln, einfach nur One-on-One.“ Sven: „Ach, Pete, auch schon da?“ Pete: „Ich werde nie wieder reiten.“ Sven: „Ein Satz, den deine Mutter noch nie gesagt hat, wenn sie mein Hotelzimmer verlassen hat.“
Singles Match: Aiden Rotari vs. Monica Shade Referee: Mike Gard
Pete: „Vertragen sich Schakal und Leopard eigentlich im wahren Leben, Sven?“ Sven: „Dies ist das wahre Leben, Pete.“ Pete: „Naja, ich meine…so richtige Schakale und Leoparden.“ Sven: „Du redest wirres Zeug, Junge. Hier tritt ein richtiger Leopard, nämlich der Long Island Leopard Monica Shade, gegen den Schakal Aiden Rotari an. Ein Kampf, in dem es im wahrsten Sinne des Wortes um viel Prestige geht. Aiden will Shades guten Namen nutzen, um wieder nach oben zu kommen.“ Pete: „Er hat sich ausgerechnet die Frau ausgesucht, die mit Robert Breads zusammenarbeitet.“ Sven: „Aidens einstigem Mentor.“ Pete: „Wobei, wenn es nach Rotari geht, ist der Rücktritt von Breads ja ohnehin überfällig. Was sagst du dazu, Sven?“ Sven: „Würde man den Satz „Robert Breads Rücktritt ist überfällig“ mit einem anderen Namen, einem mit vier Buchstaben, beginnen lassen, wäre es jedenfalls korrekt.“
Looser leaves League-Match: Scandinatives (Halvor Howard & Bjorn Johansen) vs. Tommy Qurashi & Caracal Matthews) Referee: Thorsten Baumgärtner
Pete: „Die Phase, in der Tommy Qurashi und Halvor Howard Caracal Matthews während dessen Abwesenheit vertreten haben, darf wohl getrost als Fehlschlag bezeichnet werden.“ Sven: „FAKT!“ Pete: „Aber entweder für Tommy oder die Scandinatives endet die Phase wenigstens mit einem blauen Auge. Denn wer hier gewinnt, darf dauerhaft bei GFCW bleiben.“ Sven: „Und Caracal hat sich sogar provozieren lassen, den eigenen Vertrag ebenfalls aufs Spiel zu setzen. Somit könnten wir Matthews heute auch zum letzten Mal sehen.“ Pete: „Aber das will Matthews‘ Teamkollege Qurashi auf jeden Fall verhindern. Schon aus Eigeninteresse. Eine interessante Ansetzung, wenn man bedenkt, dass Qurashi und die Scandinatives in den letzten Monaten Zwangsgefährten waren – doch nun treten sie gegeneinander an.“
Singles Match: Jakob Fleestedt vs. Rasmus Rantanen Referee: Mike Kontrak
Sven: „Das Switziverse hat so heftig um Rasmus Rantanen gebalzt wie du, Pete, anno 2002 um Joana Sexianer. Möchtest du darüber reden, was vor der Show zu sehen war?“
Pete: „Nein.“ Sven: „Dann kann ich mir denken, wie es mit euch ausgegangen ist. Ungefähr so wie die Versuche des Switziverse. Denn Rantanen hat sich eindeutig gegen einen Beitritt entschieden und dem Switziverse gar das Gauntlet-Match gegen Jason Crutch gekostet.“ Pete: „Dafür soll Rantanen heute bezahlen. Fleestedt will dafür sorgen, dass Rantanen bestraft wird – währenddessen bereitet sich Alonso auf die Saloon Battle Royal vor.“ Sven: „Aber Rasmus Rantanen hat nicht nur ein paar beachtenswerte Siege im Rücken, sondern auch Gott hinter sich. Das kann sonst nur deine Mutter behaupten, wenn wir im Dogg…-“ Pete: „KOMMEN WIR ZUM NÄCHSTEN MATCH!“
Dog Collar Match: DER Fuchs vs. Drake Nova Vaughn Referee: Peter Cleven
Pete: „DER Fuchs und Drake waren nicht brav und werden dafür an die Leine genommen.“ Sven: „Es ist völlig unmöglich, diese Cardbesprechung zu machen, ohne an Anekdoten aus meinem Liebesleben mit deiner alten Dame zu denken.“ Pete: „…“ Sven: „Doch DER Fuchs und Drake haben sich gar nicht mal so lieb, muss man sagen. Nein, es ging richtig zur Sache zwischen ihnen. Und das schon seit längerem: Erst hat Drake zusammen mit Zane versucht, die Tag-Team-Titel gegen die Hasen des Fuchses zu halten, nun – nach der Verletzung seines Partners – ist er auf der Jagd nach dem Meister der Gruppierung.“ Pete: „Weil eine Kette zuletzt eine gewichtige Rolle bei War Evening zwischen ihnen spielte, wird das heute zur offiziellen Stipulation. Einen Vorteil hat das zumindest: DER Fuchs dürfte nicht weglaufen können, um irgendwelche Mindgames zu machen. Bringt das Drake den entscheidenden Vorteil?“ Sven: „Es würde mich wundern, wenn DER Fuchs und seine Horror-Hoppler nicht irgendwas geplant haben. Aber warten wir es ab.“
GFCW Intercontinental Title-Cage Match: Darragh Switzenberg (c) vs. Jason Crutch Referee: Guido Sandmann
Pete: „Die letzte Chance für Jason Crutch. Die Legende hat alles auf diese eine Karte gesetzt.“ Sven: „Seitdem Jason zu Beginn des Jahres Battlemania gewonnen hat, ist er auf der Jagd, um die Regentschaft Switzenbergs zu beenden. Mehrmals ist er gescheitert. Und zwar völlig zurecht.“ Pete: „Diesen Kampf gibt es nur, weil Switzenberg dem zugestimmt hat. Doch zu seinen Bedingungen: Wenn Crutch verliert, treten mehrere Sonderbedingungen in Kraft. Unter anderem wird es Jason dann verboten sein, Switzenbergs Siege jemals verbal in Frage zu stellen. Und er muss in Werbespots für das Switziverse auftreten.“ Sven: „Letztgenanntes wäre doch eine schöne Sache. Möchtest du eigentlich noch mit Luna Rosario knuddeln, Pete?“ Pete: „…“ Sven: „Dieser Kampf findet im Käfig statt. Einer Bedingung, der Switzenberg zugestimmt hat. Er setzt alles auf diese eine Karte…für den ultimativen TRIUMPH.“
Tag Team-Title Cage Match: TSEizn Ra(re)BBits (Tsuki Nosagi & El Metzli) (c) vs. Aya & Jay Taven Referee: Karo Herzog
Pete: „Für Jay Taven ist es das größte Match seiner Karriere. Jahrelang ist er in den Niederungen dieser Liga herumgekrochen, wurde meist gar nicht eingesetzt. Doch an der Seite von Aya hat er neue Relevanz gewonnen.“ Sven: „Sein Wert ergibt sich also durch den Partner. Kommt dir das bekannt vor, Pete?“ Pete: „Heute gibt es für Taven gar eine Titelchance bei einem PPV. Ob er damit je gerechnet hätte? So viel Spotlight?“ Sven: „Und doch kann sich Taven nicht ungebrochen freuen. Denn JIMIRON ist zurück. Der ehemalige Tag-Team-Partner von Aya. Und nicht zuletzt durch die Mindgames der Rabbits steht die Frage im Raum, ob Taven plötzlich nur noch das fünfte Rad am Wagen ist. Der Pete dieser Gruppierung sozusagen.“ Pete: „Wir werden sehen, ob das heute einen Einfluss nimmt. Mental zumindest – weil physisch wird es keine Einflüsse geben. Zumindest nicht von außen. Dafür ist der Käfig da, der zum zweiten Mal am Abend zum Einsatz kommt.“
Saloon-Battle Royal Alle angekündigten Teilnehmer + Überraschungensauftritte
Pete: „Man schaue auf den prächtigen Saloon hier links von uns, den die Crew hingezaubert hat.“ Sven: „Was für eine Kulisse, um in den Fußstapfen von Bud Spencer und Terence Hill zu wandern.“ Pete: „Mehr als ein Dutzend Wrestler wurden bereits bekanntgegeben, um hier in diesem Fight dabei zu sein. Es geht um einen Pokal und einen goldenen Hut, vor allem aber um die große Ehre, den ersten Saloon Brawl der GFCW-Geschichte zu gewinnen.“ Sven: „Zane Levy, Luna Rosario, Marc Hill, Ashley Anchorage. Das sind nur vier der Namen, auf die wir uns freuen dürfen.“ Pete: „Und wie ich aus gut unterrichteter Quelle weiß: Es werden noch viel, viel mehr Wrestler als die bereits angekündigten. Der Saloon wird rappelvoll mit Wrestlern. Und darunter ist manch großer Name der Vergangenheit.“
GFCW Heavyweight Titlematch: Aldo Nero vs. Ask Skogur (c) Referee: Robin Stahlbrand
Sven: „Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird mein ALDO NERO heute Champion. Es gibt nur einen Unsicherheitsfaktor.“ Pete: „Was…du zweifelst an Aldo Nero?“ Sven: „Nein.“ Pete: „Was ist dann der Unsicherheitsfaktor?“ Sven: „ROBIN STAHLBRAND!“ Pete: „Ein Schwede.“ Sven: „Was für eine fehlerhafte Ansetzung für einen PPV Main Event. Robin Stahlbrand ist damals in die GFCW gekommen, als man einen Referee brauchte, um Asks Fight gegen Holly Hutcherson in einem schwedischen Wald zu leiten. Ein Landsmann von Ask…da ist es doch wohl klar, dass er parteiisch ist. Ich habe keine Zweifel, dass dies der Versuch der Liga ist, den Kampf zugunsten des Hirsches zu manipulieren.“ Pete: „Ich halte dagegen. Robin wird keine Rolle im Match spielen. Es wird ein Main Event der Extraklasse werden. Zwischen zwei Athleten, die bereits bei Aurora um den Titel gekämpft haben. Damals noch mit Luna Rosario in einem 3-Way.“ Sven: „Robin Stahlbrand, ich sage dir was: Om du tittar på Aldo Nero på fel sätt en enda gång så kommer jag personligen till Sverige och ger din mamma världens fetaste Köttbullar.“ Pete: „Wie ich schon sagte: Ein Fight der Extraklasse. Mit Klassikerpotenzial. Wer geht als Champion nach Hause? Welche Rolle spielt Corleone? Wird Aldo Nero seinen unfassbaren Aufstieg heute krönen?“ Sven: „Er wird. Das und mehr heute bei HIGH NOON.“
Robert Breads: "Man kann den Fortschritt nicht aufhalten."
Er steht unter freiem Himmel - das ist für eine GFCW-Show ungewöhnlich, aber heute nicht überraschend. Es sind nur noch wenige Momente, bis Breads sich in seinem x-ten Pay-Per-View Duell mit Viggo misst. Er wirkt fokussiert, ernst und nicht in der Stimmung für Spaß. Heute soll Viggo dran glauben, wie schon Mirkan Uysal dran geglaubt hat, um vergeblich zu versuchen das Loch im Inneren des Hall of Famers mit dem nächsten sinnlosen Opfer zu stopfen.
Robert Breads: "In ein paar Monaten werden es 16 Jahre GFCW für mich sein. Wie ihr alle wisst, werde ich die siebzehn nicht mehr voll machen. Dennoch: Eine große Zahl. Eine große Anzahl von Jahren. Und doch ist das hier heute das allererste Mal, dass ich bei "High Noon" stehe, einem brandneuen Event. Es ist das erste Mal, dass in einem Saloon gekämpft wird. So eine Arena habe ich für eine Show noch nie gesehen. Die GFCW marschiert unaufhaltsam nach vorne, probiert neue Dinge aus, ändert Dinge. Anpassungsfähigkeit ist eine fatal unterschätzte Qualität. Und niemand hat sie so sehr unter Beweis gestellt wie ich."
Der Kanadier verschränkt die Arme vor der Brust, den Blick intensiv direkt auf die Kamera gerichtet. Er scheint auf einen bestimmten Punkt hin zu arbeiten.
Robert Breads: "Genau deshalb konnte ich so lange an der-" „Deshalb hab ich zwei Damen unnötig lange warten lassen. Wolltet Ihr das sagen?“
Eine Stimme unterbricht diesen Ansatz von Breads’ neuesten Version seiner nicht patentierten und doch von niemand anderem in dieser Form versuchten, elendigen "Nein ich bin IMMER noch gut, versprochen"-Promo. Eine Stimme, die zu einer Frau gehört, die nun schon länger nicht mehr bei GFCW gesichtet wurde und die in Begleitung einer weiteren Frau ist, die ebenfalls seit geraumer Zeit nicht mehr anwesend war. Zwei Frauen mit auffällig spitzen Ohren und einer fürs menschliche Auge weithin als höchst attraktiv geltenden Optik, die dennoch ehrlich gesagt niemand wirklich vermisst hat. Besser gesagt zwei [i]Elfen[i], die niemand wirklich vermisst hat und das nicht einmal zwingend aufgrund einer Form von Antipathie, sondern einfach weil die meisten längst vergessen haben, dass sie überhaupt existieren: die grün bezopfte Umweltaktivistin Fredrika Ortlinde und die schwarzmähnige Aliensucherin Elin Montero – die Elven Alliance. Beide kommen dem Anlass entsprechend in Kostümen, die verdächtig indigen aussehen obgleich Fredrika es sich nicht hat nehmen lassen ein bauchfreies Shirt mit klarer Message zu tragen: Wir schwitzen im Sommer, unser Planet die ganze Zeit – stoppt den Klimawandel!
Elin Montero: „Elin grüßt Euch, Herr Breads. Lange nicht gesehen.“
Die beiden Elfen scheinen „Good Elf, Bad Elf“ spielen zu wollen, Elin sieht auf jeden Fall viel friedlicher aus als Fredrika, die sich leicht aggressiv vor dem selbsternannten GOAT von GFCW aufbaut.
“Fabulous“ Fredrika Ortlinde: „Lange genug, dass wir uns allmählich gefragt haben, ob wir Opfer von Ghosting sind. Nur weil wir Elfen ewig lang jung und schön bleiben, anstatt alt und schrumpelig zu werden, so wie andere, heißt das noch lange nicht, dass wir gern lang warten...“
Ehe Fredrika weiterreden kann, wird sie von Elin unterbrochen.
Elin Montero: „Elin möchte dich korrigieren, dass auch Menschen in höheren Altersklassen noch immer über ein gesundes, ansprechendes Äußeres verfügen können, je nachdem wie gut sie auf ihre Körper achten. Es ist nicht fair die Menschen auf jene zu reduzieren, die durch harte körperliche Arbeit über viele Jahre viel früher als nötig alt aussehen und gebrechlich werden...“
Okay, vielleicht spielen sie auch „Bad Elf, Bad Elf“. Dabei ist sogar fraglich, ob diese Aussagen überhaupt dazu gedacht waren Robert Breads vor den Kopf zu stoßen oder ob sie einfach nur dahingesagt waren und sich rein zufällig wie unverblümte Attacken gegen Robert Breads anfühlen. Tatsächlich wirkt der Kanadier überhaupt nicht begeistert von einer Diskussion über das Altern, in welcher Form auch immer, muss er es doch theoretisch nur noch knapp neun Monate lang ignorieren und weiter in seiner eigenen Welt leben. Leider holt ihn die Realität immer wieder ein - in diesem Fall eine Realität voller Elfen. Dass Breads die Ironie darin nicht erkennt, ist mit über 15 Jahren GFCW Weirdness leicht zu erklären.
Robert Breads: "Was soll das?"
Irritierte Blicke der Elfen. Sie haben doch ziemlich eindeutig klar gemacht, worum es ihnen geht.
Robert Breads: "Vor meinem Match? Direkt vor meinem Match? Habt ihr den Verstand verloren?"
Damit geht er in keinster Weise auf das ein, was die zwei inhaltlich von sich gegeben haben, aber das mindert seine Verärgerung keineswegs. Im Gegenteil: Sein Zorn scheint nur zu wachsen, je länger er spricht.
Robert Breads: "Ihr denkt echt, das ist die beste Methode und der beste Zeitpunkt, um sich bemerkbar zu machen? Wisst ihr denn nicht, wie wichtig Konzentration und Fokus sind? Wenn ich jetzt gegen Viggo verliere, könnt ihr euch warm anziehen."
Nur ein echter, erbärmlicher Feigling würde die Chance gleich nutzen, um aus dieser Sache eine Entschuldigung für eine potenzielle Niederlage zu machen, inklusive Schuldigen, die natürlich nicht "Robert Breads" heißen.
Robert Breads: "Also, jetzt habt ihr mich ohnehin schon rausgebracht. Was wollt ihr?" “Fabulous“ Fredrika Ortlinde: „Zuhören ist echt nicht Eure Stärke, oder? Ich hab doch ziemlich unmissverständlich meinen Unmut darüber geäußert, dass wir nun über etliche Wochen nichts mehr von Euch LPG Leuten gehört haben obwohl wir meines Wissens nach noch immer Kandidatinnen für diese Perlenkette sind. Also warum kriegen alle anderen Show für Show die Chance sich zu präsentieren, wir aber nicht? Und natürlich suchen wir Euch jetzt auf, einfach weil wir jetzt wissen, wo wir Euch finden könn--“
Elin packt sich Fredrika und zieht sie ein Stück vom Kanadier weg. Dann spricht sie beruhigend auf die Schwedin ein.
Elin Montero: „Wie aggressiv du bist, Fredrika. Elin muss dich zügeln und darauf hinweisen, dass Herr Breads unser Anliegen vielleicht nicht mit böser Absicht ignoriert hat. Vielleicht hat er es schlicht nicht gehört, weil du zu leise warst. Vielleicht ist sein Gehör nicht mehr das Beste und er ist zu eitel für ein Hörgerät, das wäre doch durchaus denkbar. Nur weil viele ihn nicht mögen und für einen gigantischen Egozentriker halten, musst du noch lange nicht das Schlechteste von ihm denken. Diese Vorwürfe können ja schließlich auch völlig haltlose Unterstellungen von Neidern sein.“
Falls Robert Breads nicht tatsächlich ein Hörgerät braucht, war diese „beschwichtigende Aussage“ unweigerlich laut genug, dass er mitgehört hat.
Robert Breads: "Eure momentan laufende Präsentation macht auf jeden Fall keinen sonderlich guten Eindruck."
Breads rollt mit den Augen, als hätte er diese ganze Sache nicht angeleiert, als wäre es nicht buchstäblich seine Aufgabe sich um so etwas zu kümmern und als wäre die Forderung, sich präsentieren zu dürfen, eine furchtbare Plage für den Geisteszustand von Robert Breads. Dass er von den Worten der Elfen nicht begeistert ist, kommt allerdings wenig überraschend.
Robert Breads: "Von mir aus. War Evening in Rostock, ihr beide. Ihr kriegt eure Chance, verdammt nochmal."
Einmal mehr zeigt sich, wie ungeeignet Breads eigentlich für die Position ist, die er sich anscheinend selbst als Idealvorstellung für seine Gegenwart und Zukunft ausgemalt hat. Wenn er große pathetische Reden schwingen will, haben die jungen Leute zuzuhören, aber wenn es ein Problem gibt - an dem der Kanadier nun wahrlich nicht unschuldig ist, auch er kann sicherlich ein Smartphone oder einen PC bedienen - dann bitte nur, wenn es "Canada's Own" gerade passt.
Robert Breads: "Und ich werde mich persönlich davon überzeugen, dass ihr hier gerade nicht umsonst meine wertvolle Zeit verschwendet habt. Verdammt, meine ganze Konzentration, Viggo... wisst ihr was? Ich werde mich WIRKLICH persönlich davon überzeugen. Und damit meine ich im Ring. Ich schnappe mir jemanden zum Teamen, und ihr zwei kriegt eure Chance gegen den GOAT höchstpersönlich. Ist euch das jetzt Rückmeldung genug?"
Fredrika gibt den Daumen nach oben, was unfassbar höhnisch wirkt, vielleicht aber gar nicht so gemeint ist. Vielleicht aber doch.
“Fabulous“ Fredrika Ortlinde: „Jop, das war ne ordentliche Rückmeldung. Geht doch. Wusste ich doch, dass Tacheles reden die Sprache ist, die man hier sprechen muss.“
Der letzte Satz ging nicht einmal in Richtung Robert Breads, obgleich er ihn sicherlich auf sich beziehen wird, da er immer alles auf sich beziehen muss, weil das in seiner Welt so zu sein hat. Klarer Fall von dem, was heutzutage gern mal Main Character Syndrome genannt wird.
Elin Montero: „Elin gesteht zu, dass Elin nicht dachte, dass dies so gut funktionieren würde, hat es aber. Elin findet es aber doch etwas seltsam, uns für mangelnden Fokus verantwortlich machen zu wollen, wenn er nun selbst ein ganz neues Match für sich ansetzt, noch bevor er sein aktuelles Match bestritten hat. Das wirkt auf Elin sehr unprofessionell.“
Und das ging sogar komplett an Fredrika und gar nicht an Robert Breads, obgleich der Inhalt ihrer Aussage Robert Breads ist und dieser immer noch direkt neben den Elfen steht und daher natürlich jedes Wort mitgehört hat.
Robert Breads: "Eine Elfe die von sich selbst in der dritten Person spricht wird mir nicht erklären, was "seltsam" ist und was nicht. "Unprofessionell" ist einzig und allein euer Auftritt zum ungünstigsten Zeitpunkt. Und jetzt verschwindet. Ich habe einen Förderkader zu beerdigen - mal wieder."
Einige Stunden vor der Show.
Sechs Tage hat Gott für sein Werk gebraucht, dann ward die Welt geboren und der Herr mit seiner Arbeit zufrieden.
Und immerhin sechs Stunden waren es, die die GFCW-Crew benötigte, um den Saloon – die vielleicht wichtigste Kulisse des heutigen Tages – aus den angelieferten Bauteilen zusammenzusetzen. Und sie sind mit ihrer Arbeit zufrieden. Jetzt, wo die letzte Schraube verschraubt, und die letzte Niete vernietet ist, haben sich die Arbeiter an die Bar zurückgezogen, hocken am Tresen und erholen sich bei einem kühlen Getränk. Geschafft von der Arbeit, doch selig mit dem, was errichtet wurde, blicken sich die Männer und Frauen um. Feierabendstimmung.
Doch als Schritte vor dem Saloon ertönen, springt die Crew schlagartig aus ihrem Müßiggang auf.
Tammy: „Darf ich mal einen Soundcheck machen?“ Crewmitglied: „Klar.“
Erleichtertes Schulterzucken bei der Crew. Es gibt GFCWler, denen man nicht überraschend begegnen will. Tammy gehört glücklicherweise nicht dazu. Und so lässt die Crew die Interviewerin gewähren. Tammy tritt durch Tür, deren halboffene Flügel zurückschwingen. Während ihre Westernstiefel auf dem Holzboden klacken, schaut sie sich um. Alles ist genauso, wie sie es sich vorgestellt hat: Dort, auf der linken Seite, die Bar. Mit einer beeindruckenden Auswahl an Getränken, und das, obwohl es nur Kulisse für einen einzigen Abend ist. Rechts von ihr die runden Tische. Vor dem inneren Auge kann man sich gut vorstellen, wie Raubeine daran hocken und um hohe Einschätze spielen. Vor allem jedoch interessiert Tammy die kleine Erhöhung am Ende des Saloons – die Bühne. Dort steht bereits ein Piano. Und davor, nicht ganz authentisch für die simulierte Zeit - aber wen schert’s? – ein Mikrofon, damit sie bei ihrem späteren Auftritt den Klang der Prügelei übertönen kann. Tammy umgreift den Schallverstärker mit ehrfürchtiger Vorfreude.
Tammy: „Figaro! Figaro! Figaroooo!“
Strahlend blickt sie sich um.
Tammy: „Klingt gut. Ich kann es kaum erwarten. Und da…“
Ihre Worte bleiben ihr im Hals stecken, denn just in diesem Moment treten zwei Männer durch die Schwingtür und bleiben am Eingang stehen, um den Saloon auf Herz und Nieren zu prüfen. Es sind bekannte Gesichter. Pete und Sven. Der Erstgenannte trägt Funktionskleidung, deren Qualität ebenso lappenhaft wie seine Körperhaltung ist. Sven hingegen ist in ein Bärenfell gehüllt, darunter ein roter Samtanzug. Mit einem Gehstock, dessen Griff vergoldet ist, klopft er ungeduldig auf den Fußboden.
Pete: „Was für ein Riesending! Man weiß kaum, wo man zuerst hinschauen soll. Ich bin mir sicher, dass wir heute eine Menge Spaß haben werden.“ Sven: „Man merkt wirklich, dass du der Sohn deiner Mutter bist. Die gleichen Worte wählt sie auch immer.“ Pete: „Tut sie das?“ Sven: „Wenn ich meine Hose ausziehe.“
Die Mitglieder der GFCW-Crew stehen von ihrem Platz am Tresen auf und prosten und jubeln Sven zu. Der Applaus übertönt gar Tammys erneuten Soundcheck. Sven wirft einen Handkuss in den Raum und pustet einen Fussel von seinem Bärenfell direkt in Petes Gesicht. Jemand fällt vor dem gottgleichen Kommentator auf die Knie, um ein Autogramm zu erbittet, doch wird mit dem Gehstock zur Seite geschoben.
Wimmernd und erniedrigt wendet sich Pete ab, um aus dem Saloon zu stürmen, um vor der Überlegenheit seines Partners zu fliehen.
Doch er wird fast über den Haufen gerannt, denn ein viertes bekanntes Gesicht betritt just in diesem Moment die Kulisse.
Ein einmaliges Match im Western-Stil, da darf einer der größten Schurken der GFCW-Geschichte sicherlich nicht fehlen. Mit schweren Schritten tritt ein Mann in den Saloon ein, der in seiner aktiven Phase oft gefürchtet aber dem dennoch der ganz große Wurf verwehrt blieb. Die beigen Stiefeletten sind blank geputzt. Die klassische Wrangler-Jeans plus Jeans-Hemd und Bandana lassen erahnen – hier kommt ein „richtiger Cowboy“. Der weiße Cowboy-Hut rundet den Auftritt für das erste ab. Herausgeputzt hat er sich modisch schon für seine Verhältnisse, doch das schlechte Benehmen hat sich seiner Demission nach Title Night 2023 nicht geändert. Tiefe Furchen und Narben kennzeichnen das Gesicht von Niander Cassady-Taylor. Als er in den Saloon eintritt, spuckt er demonstrativ erstmal auf dem Boden – lecker. Dann schaut er grimmig in die Runde. Die meisten Anwesenden bekommen despektierliche Blicke ab. Ein joviales Auftreten bleibt ihm noch immer fremd.
Niander Cassady-Taylor eilt ein Ruf voraus, keine Frage. Und deshalb ziehen sich nicht nur Pete, Sven und Tammy unauffällig aus dem Saloon zurück, bevor NCT Stress macht, sondern es braucht es einen langen Moment, bis sich einer der Männer der Crew überwindet, eine Frage an ihn zu richten. Oder besser gesagt DIE Frage, die ihnen allen auf der Zunge liegt, seitdem NCT mit feindseligen Blicken die Kulisse geentert hatte.
Crewmitglied: „Stimmt was nicht, Mister?“
NCT macht ein paar Schritte auf das Crewmitglied zu und schaut herablassend auf den Fragenstellenden.
NCT: „BIG SHIT! Das alles hier ist ein riesiger Haufen SCHEIßE! Am Arsch die Räuber, welches Spatzenhirn kommt auf die Idee, dass DAT HIER EIN waschechter Saloon ist? Und dann fragst du mich, ob etwas nicht stimmt? Wie ein C-Western aus den Dolomiten wirkt hier die Kulisse. Hat denn keiner Klasse von euch? Weiß denn keiner von euch, wie Freiheit schmeckt? Rauchig, klebrig, miefend. So muss auch ein Saloon sein und nicht so eine sterile Scheiße, wie der ganze Bumms hier.“
Nun läuft NCT durch den Saloon und dreht den Laden erst mal „auf links“. Stühle werden geworfen und es gibt ein paar kräftige Punches auf den Bartisch. Ein Knacken und Knarzen ist zu hören, und der 194 cm große Cowboy scheint gerade erst in Wallung gekommen zu sein.
NCT: „Muss man denn alles alleine machen…“
Dann verscheucht er die Crew von der Bar, schenkt sich was zu trinken ein und beginnt die Crew rumzukommandieren, dass sie gefälligst nochmal umdekorieren sollen. Er nimmt sich eine Falsche Jack Daniels und gießt sich einen Doppelten ein, Mit einem großen Schluck leert er das Glas und wirft es dann klirrend an die Wand. Die restlich verbleibenden Crew-Mitglieder gehen in Deckung. Dann greift er zu einer Flasche Fireball-Likör und schaut die Flasche stirnrunzelnd an. Dann kippt er sich den gesamten Inhalt mit einem Zug hinter die Binde, doch nach circa der Hälfte spuckt er den Inhalt in Form einer Fontäne in die Mitte des Saloons aus.
NCT: „FIREBALL? WER TRINKT HIER SO EINE SCHEIß PLÖRRE? Das ist doch für Leute, die Mudder und Vadder erschlagen haben.“
Anschließend entdeckt der Mann aus dem mittleren Westen wieder seine Leader-Qualitäten als einstiger Führer der Children of Wrarth und lässt die anderen für sich arbeiten. Eine Rolle, die dem narzisstischen Unsympathen sichtlich gefällt.
Niemand ist hier darauf aus, NCT noch weiter zu reizen. Und so buckeln die eben noch so glücklichen Crewmitglieder unter der Kommandantur des Amerikaners. Dieser hockt wie ein Pascha an der Bar und kippt Whiskey um Whiskey, während er zusieht, wie andere die Arbeit für ihn machen.
Grad will NCT einen weiteren Schluck nehmen, da vernimmt er aus den Augenwinkeln eine Bewegung – die Tür zum Saloon schwingt wieder auf. Herein tritt ein Mann, den der Veteran noch nie gesehen hat: Es ist ein braungebrannter junger Typ mit breiten Schultern. Sein Gesicht wird von einem Dreitagebart geziert, oben auf dem Kopf sprießt von der Sonne gebleichtes Haar. Der Mann trägt eine Lederweste, die über seinen breiten Schultern spannt. In seiner Hand hält er einen Cowboyhut.
NCT: „Schau, schau an. Frischfleisch. Dein Blick sagt mir, du bist entweder gefährlich oder der größte Volltrottel, hier nun so hereinzuplatzen. Wie ist Dein Name, Kid?“ Dex Blarney: „Ich bin Dex. Aber ich lege nicht viel Wert darauf, mich dir vorzustellen, auch wenn unsere Herkunft und Kultur ziemlich ähnlich scheinen…“
Der Förderkader-Wrestler fährt mit der Hand über sein Outfit, nickt dann in Richtung NCT, dessen Kleidung ebenfalls dessen Cowboy-Hintergrund verrät.
Dex Blarney: „…denn im Gegensatz zu dir weiß ich scheinbar, was sich für einen Mann des Westens gehört.“ NCT: „Tu uns beiden einen Gefallen und versuch mich nicht zu belehren…. Dex Blarney: „Leute wie wir sollten keine Probleme damit haben, sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Mir würde nie einfallen, wie ein Sklaventreiber am Tresen zu hocken und andere Leute herumzuscheuchen.“
Um seinen Worten Ausdruck zu verleihen, nimmt Blarney einem der Crew-Member den Besen aus der Hand, mit dem gerade die von NCT verursachten Glasscherben zusammengefegt werden.
Sorgfältig schiebt Blarney jeden kleinen Splitter mit dem Besen durch den Raum – und bringt ihn vor die Füße von Cassady-Taylor. Der Veteran blickt Blarney feindselig an, doch falls dahinter eine Drohung stecken sollte, tut Blarney sie mit einem Schulterzucken ab. Ach ja, das Selbstbewusstsein eines Youngsters.
Blarney drückt NCT den Besen in die Hand.
Dex Blarney: „Ein Outlaw ist sich nicht zu schade, seinen Scheiß alleine zu machen.“
NCT fährt seine Unterkiefer wieder nach hinten und scheint sichtlich eine entspanntere Haltung einzunehmen. Dann schaut er kurz nach links und rechts uns verfällt in ein leichtes grinsen.
NCT: „Junge, hast ja schon Recht. Ich packe auch mal an.“
Kurioserweise packt sich Niander einen Besen und fegt ein paar Scherben zusammen, die er selbst vorhin dahingeworfen hatte. Dabei summt er fröhlich Jonny Cashs „Ring of Fire“.
Blarney ist sowohl irritiert als auch hochzufrieden, dass seine Ansprache offenbar beim Veteranen gefruchtet hat. Er hatte mehr Probleme erwartet. Doch offenbar hat er Cassady-Taylors Temperament falsch eingeschätzt. Jetzt scheint er fast eine Art Verbindung zu Morbeus‘ Nemesis zu spüren, er nickt ihm dankbar zu und schlägt NCT auf die Schulter.
Auch NCT schenkt Blarney ein Lächeln und erwidert die Geste des Schulterschlags. Etwas härter, aber trotzdem respektvoll. Blarney wendet sich ab, um die letzten der von NCT umgeworfenen Stühle aufzuheben.
Plötzlich tauscht NCT seinen Besen gegen einen äußerst stabilen Holzhocker aus. Er stellt sich hinter Dex und auch wenn ein Raunen bei den Crew-Mitgliedern kurz zu vernehmen ist, trifft Blarney der Barhocker mit voller Wucht am Hinterkopf. Wie ein nasser Sack geht das Top-Talent aus dem Förderkader auf die Bretter. Niander spuckt sich dann noch auf die Schuhe und drückt mit dem Absatz seiner Stiefelette sein Gesamtesgewicht von circa 120 Kilogramm in den unteren Rücken von Dex Blarney. Triumphierend schaut sich Cassady-Taylor um, bevor er noch ein paar „warme Worte“ für den ausgeknockten übrig hat…
NCT: „….Outlawregel Nummer 1 für dich, Jüngling: Wenn du jemandem wie mir ans Bein pissen willst, solltest du Augen im Hinterkopf haben.“
Dann macht sich NCT bereit, den Saloon zu verlassen. Auf dem Weg nach draußen schmeißt er noch eine Flasche Jack Daniels an die Wand und schubst ein Crew-Mitglied zur Seite.
NCT: „Hätte Wild Bill Hickok auch mal wissen sollen.“
FINI
Einige Stunden vor der Show...
Luna: „Macht 15€ bitte. ...und 5 für dich zurück, danke euch. Nächster?“
Vor dem Eingang zum Amphitheater in Bad Segeberg, das aus unerklärlichen Gründen nicht „Segewerk“ heißt, herrscht reges Treiben. Aus dem inneren der – wir nennen sie der Einfachheit halber mal so – Arena leuchten bunte Scheinwerfer in den Abendhimmel und klingen flotte Klänge der Musik nach draußen. Schlangen von Menschen stehen an, um sich mit Snacks und Getränken einzudecken, zu ihren Sitzplätzen zu gelangen, oder ihr hart verdientes Geld an einem der zahlreichen Merchandise-Stände zu lassen.
Und ganz vorne mit dabei in dieser großen Geldmacherei, wie sollte es auch anders sein…
Maximilian Lunenkind: „OINK!“
Ein helles Blitzlicht leuchtet auf.
Luna: „Fünfzehn uuuund dankesehr, weiter geht’s.“
Die LPG. Selbstredend. Ein ganzes Areal haben sich die GFCW-eigenen Wall-Street Titanen hier eingerichtet. Die Einzäunung betritt man durch einen großen Bogen, der „LPG-Wonderland“ deklariert. Auf einem großen Video-Screen läuft pausenlose Dauerwerbung für den Merchandise-Shop der Gruppierung.
Marc Hill: „POWER!“
Mit einem triumphierenden Schrei drückt er die Hand seines Gegners auf den Tisch und legt zufrieden einen weiteren 10 Euro Schein in die HSV-Box, welche neben ihm steht. Nun schwenkt die Kamera ein wenig weiter und fängt die Tafel ein, welche neben dem Eingangs“tor“ steht.
Marc Hills POWER Arm-Wrestling Challenge: 10€ Einsatz. Maximilian Lunenkinds OINK Shooting, sponsored by Trade Republic: 1 Bild mit der LEGENDE = 15€.
Das Quizrohr: „LÜGE!“
Blitzartig raschelt der Schein in eine Dose, die in dem Bauchladen steht, das es umhat.
FAKTencheck, das FAKTenquiz: 1 Spiel = 15€
„MAMA MAMA SCHAU MAL!“
Ein kleines Kind zerrt begeistert seine Mutter hinter sich her zu einem extra abgezäunten Bereich im Wonderland, in dem ein Rodeo-Reiter versucht sich auf einem Stier zu halten, dessen Fell rot eingefärbt wurde.
RED RODEO: NICHT NACHMACHEN! PROFESSIONELLE STUNT-PERFORMER (Zuschauen 1 Minute=5€)
Luna: „KOMMEN SIE REIN KOMMEN SIE RAN, DIE HIGH PERFORMER DES WRESTLINGS HEIßEN SIE WILLKOMMEN!“
In einer für die Situation viel zu eleganten Garderobe steht sie selbst hinter zwei Tischen, welche zusammen mit zahlreichen Kisten hinter ihr als Merch-Stand dienen. Ein Langes, wallendes schwarzes Kleid ziert sie, auf ihrem Rücken kristallisieren sich farblich abgehoben im Spitzenstoff die Buchstaben „LPG“ heraus.
In einem pinken Ganzkörperanzug posiert Lunenkind fleißig mit Kindern, die das ganze unfassbar lustig finden, während Rosario den ziemlich angefressenen Eltern die Scheine abnimmt.
„Entschuldigung?“ Luna: „Hiiiiii, na du, cooles Shirt hast du an.“
Mit dem freundlichsten Grinsen geht sie neben dem Tisch in die Hocke um auf Augenhöhe mit dem jungen Mädchen zu reden, das in einem Luna Shirt aus Leviathanzeiten und einem LPG Plüschschwein im Arm vor ihr steht.
Luna: „Möchtest du was haben?“
Schüchtern nickt das Kind und greift mit all seiner Körpergröße nach einer Papp-Figur des Testrohrs, die zwischen den anderen Produkten auf dem Tisch steht.
Luna: „Hast du deine Mama oder deinen Papa dabei, damit sie dir das kaufen kann?“ „Ich hab mein Taschengeld gespart…“
Energisch schüttelt das Kind einen Geldbeutel mit Klettverschluss.
Luna: „Hey, wie cool. Dann viel Spaß mit deinem Testrohr. Das sind dann 35€.“ „Äh...So viel habe ich aber nicht dabei.“
Traurig streckt das Kind Luna 18 Euro und 29 Cent entgegen.
Luna: „Hmmmmm. HEY, LUNI!“ Maximilian Lunenkind: "Huh?"
Der kostümierte Mann glotzt zu Rosario herüber, scheinbar noch immer im Glauben, das wäre sein Stichwort, um mit einem Dosenöffner auf grässliche Art und Weise ermordet zu werden. Aber zum wiederholten Male passiert das nicht. So langsam bekommt er den Eindruck, der LPG-Beitritt von Luna Rosario ist gar kein komplexes Komplott eines kriminellen Masterminds, um Zungi auf hinterliste und brutale Art und Weise zu foltern und zu töten, insofern man eine Zunge töten kann. Wenn es jemand kann, dann aber bestimmt Luna "Tongue Torturer" Rosario.
Maximilian Lunenkind: "Hat dieses WESEN etwa nicht genug PIGCOIN, um alle seine Wünsche zu erfüllen?" Luna: „Was sagst du?“ Maximilian Lunenkind: "Voller Preis." Luna: „Aber es ist n Kind.“ Maximilian Lunenkind: "Dann solltest du den doppelten Preis verlangen." Luna: „Okay, aber ich mach es anders als du oder Lorenz. Mir sind meine Fans wichtig. Hier, weißt du was. Nimm sie umsonst mit. Und pass gut auf es auf.“ „Danke! Danke danke danke!“
Zufrieden hüpft das Kind zu seinen Eltern, die Luna dankbar zunicken, doch weniger dankbar ist…
Lorenz: "HAST DU DEN VERSTAND VERLOREN?!" Maximilian Lunenkind: "Ja." Lorenz: "Nicht du." Maximilian Lunenkind: "Nice."
Lunenkind nimmt sich eine wohlverdiente Pause von seinem momentanen Auftrag und schiebt sich dabei unauffällig einen Euro Trinkgeld auf die lange Zunge, ehe er sie wieder in den Mund schiebt. Hortet er es dort wie ein Eichhörnchen? Schluckt er es herunter? Nicht auszumachen. Aber es scheint momentan ohnehin Wichtigeres zu geben, denn ein potenziell ausbrechender Streit verspricht Unterhaltung. Das Quizrohr und Marc Hill werden schon dafür sorgen, dass Patte fließt.
Lorenz: "Das ist ein absolutes Unding." Maximilian Lunenkind: "Nicht so wie Ebon Moss-Bachrach."
Der Marketing-Experte sieht verdammt wütend aus. Es würde einen kaum überraschen, wenn ihm gleich Schaum vor den Mund tritt, aber das würde wohl sein Hemd versauen, und deshalb belässt er es bei einem Blick, der irgendwo zwischen "Tadel" und "Verachtung" einzuordnen ist. Passend zum Anlass hat Lorenz einen Stetston Skyline 6X Fur Felt Westernhut aufgezogen, den er sich auf dem Kopf zurecht schiebt, damit seine Hände etwas zu tun haben. Der markante Cowboyhut begeistert mit klassisch hoher Krone und imposanter Krempe – eine Reminiszenz an die Legenden des Wilden Westens, meisterhaft umgesetzt von Stetson. Der aus edlem Kaninchenhaarfilz gefertigte Hut verbindet robuste Langlebigkeit mit einem besonders angenehmen Tragegefühl, unterstützt durch ein seidig schimmerndes Innenfutter und ein elegantes Lederfutterband. Das filigran verzierte, Ton in Ton gehaltene Garniturband mit stilvollen Westernschnallen unterstreicht den authentischen Charakter des Modells. Ein Statement für echte Abenteurer und Individualisten.
Lorenz: "Was machst du hier überhaupt? Hast du eine Autorisierung? Von mir hast du keine. Und diese Produkte... wer hat die in Auftrag gegeben? Wer hat sich das ausgedacht? Luna Rosario, weißt du was DIE FOKUSGRUPPE hierzu sagt, wenn du hier heute Minus machst? Ich hatte gerade ein Telefonat mit Mayckell Wieland-Johnson, und die Feedback-Dynamik aus der Fokusgruppe lässt sich momentan wirklich nur als toxisch-dissonant beschreiben – sämtliche Core-Messages verpuffen entweder im inhaltlichen Vakuum oder triggern aktive Ablehnung. Wenn du glaubst, im Ring auszubluten wäre schlimm, hast du noch nie eine negative Performance PowerPoint von Mayckell kassiert. Selbst seine Folienübergänge sind vernichtend. Gott, wärst du doch nur mehr wie Miria, dann hätten wir-"
Klatschend schlägt Lunas Hand gegen seinen Brustkorb. Doch nicht um ihm Schmerzen zuzufügen. Mit der Handfläche presst Rosario einen Zettel gegen die Brust des Chef-Strategen der LPG im Bereich Marketing und PR.
Lorenz: "Was hat das zu bedeuten?"
Als Luna grinsend und stur in sein Gesicht blickt und keine Anstalten macht, ihn loszulassen, greift er allerdings nun zögerlich nach dem Zettel und blickt darauf.
… …. …..
Als hätte er gerade die weltgrößte Dosis Crack (Shout-Out an Hunter Biden) eingeworfen weiten sich Lorenz´ Pupillen.
Lorenz: „Das ist... das ist...“
Er leckt sich die Lippen. Fast scheint er in Ohnmacht zu fallen.
Luna: „Ach sag bloß, du Genie. Das ist PAPPE. Marc kriegt n Workout und wird dafür BEZAHLT. Und die öffentliche Wirkung von…“
Ausführung längst überflüssig.
Lorenz: "Exzellente Arbeit, Junior Sales Managerin Rosario. Ich bin sicher, die Fokusgruppe wird hoch erfreut sein."
Noch einmal starrt er auf den Zettel, als wäre es sein erstgeborenes Kind. Welche Zahl auch immer dort hingekritzelt wurde, sie ist hoch genug, als dass Lorenz seine Meinung ändert.
Lorenz: "Machen Sie so weiter wie bislang, und ich bin sicher, das schlägt sich positiv in ihrem Quartals-Review wieder. Die Probezeit sollten sie damit sicher überstehen können."
Beinahe zärtlich faltet er das Stück Papier zusammen und steckt es sich mit einem seeligen Lächeln in die Brusttasche seines mit Sicherheit brutal überteuerten Hemdes.
Luna: „Na immerhin bin ich jetzt schon von Praktikantin in Probezeit aufgestiegen oder so.“
Das Murmeln unter Lunas Atem nicht einmal vernehmend, tippt Lorenz sich an seinen Hut.
Lorenz: "Es ist mir ein Vergnügen, mit... wobei... eine Frage hätte ich da noch, Junior Sales Managerin Rosario. Verursacht das hier nicht eine Unmenge von Kosten?"
Mit dem Finger deutet er - weniger anklagend als zuvor, aber immer noch eindeutig anklagend - auf das Rodeo.
Luna: „Hey, Mooooooment Mal!“ Maximilian Lunenkind: "Es war auf jeden Fall richtig teuer, diese fette Kuh zu kaufen. Ich hatte nicht mal mehr genug Geld für einen Maler und Lackierer und musste sie selbst anmalen."
Die plötzliche Notwendigkeit, sich in die Debatte einzuschalten, überfordert Zungi, so dass Euromünzen aus Lunenkinds Mund quer über den Boden rollen. Damit wäre die Frage von vorhin also auch beantwortet. Überhaupt: Woher nimmt der Mann die Aufmerksamkeit, so lange einem Gespräch zu folgen? Irgendwie schon seinen gesamten Einsatz in der LPG ein wenig seltsam? Wurde er genetisch verändert? Ist er ein Cyborg? Und warum liegt da eigentlich Str…
Luna: „PLUS das Geld kommt ja wieder rein. Also erstmal wäre es schon ein gutes Investment gewesen, das von Firmengeldern zu finanzieren und zweitens hat Maxi das aus seiner eigenen Tasche finanziert. Nicht für dich natürlich. Diese Kreatur hypnotisierender Schönheit war ein Geschenk an mich. Aber ich könnte mir nichts befriedigenderes vorstellen, als sie der LPG zur Verfügung zu stellen. … mal komplett abgesehen davon, dass ich absolut keinen Plan habe, was ich sonst mit einem SCHEIß BULLEN ANFANGEN SOLL.“
Ihr Kopf wendet sich einmal, als sie wieder in Richtung Lunenkinds starrt. Doch der ist damit beschäftigt, sein Kleingeld wieder aufzusammeln und scheint den Seitenhieb, der eher ein Faustschlag mit Anlauf war, gar nicht zu registrieren.
Luna: „Eh wobei. Vielleicht kann man den daheim unterbringen. Eigentlich is es n ganz cooles Geschenk. Iks de. Drake killt mich. Lol. ANYWAY, Lorenz, Kosten sind ja NOCHMAL weniger, weil nachdem ich den Bullen also schon geschenkt bekommen habe, sind die Performer ja AUCH noch umsonst. Alternative Verhandlungsmethoden sind die Zukunft. Komplett unrelated Question…. Wie teuer sind eigentlich Anwälte?“
Noch bevor Lorenz irgendetwas an dieser Aussage hinterfragen kann, ertönt ein zufriedenes Grunzen hinter den beiden.
Maximilian Lunenkind: "Dann sind wir jetzt also allerbeste Freunde, bis dass uns ein hässlicher finanzieller Disput scheidet." Luna: „Ähhhhhh. So… in der Art. Yes. Genau.“ Maximilian Lunenkind: "Dann ist es nun an der Zeit, unsere neugewonnene Freundschaft richtig einzuläuten: Indem ich BEDINGUNGEN stelle!" Luna: „TRUE. Genauso funktioniert das mit den Freunden. Maxi Luni Mausi… hattest du in deinem Leben schonmal Freunde oder hast du davon nur mal gelesen und versuchst das jetzt irgendw… warte kannst du lesen?“ Maximilian Lunenkind: "Du darfst nichts Gemeines zu mir sagen." Luna: „Träum weiter.“ Maximilian Lunenkind: "Na gut. Aber du wirst Zungi in Ruhe lassen."
Beschwichtigend hebt Luna die Hände.
Luna: „Wenn´s nur das ist.“ Maximilian Lunenkind: "UND - sollten wir zusammen ein Match haben - werden wir zusammen zu unserem neuen Theme Song herauskommen." Luna: „Niemals.“
Enttäuscht blickt Lunenkind sie an.
Luna: „Ich mag meinen Song. Jeder mag meinen Song. Hast du Lack gesoffen? Know what? Antworte nicht darauf, bitte. Also ja ne. Ich lasse Zungi in Ruhe. Wenn man nicht Drake und Zane heißt, verstümmelt man sich unter Freunden nicht. Aber ich werde weder aufhören dich zu beleidigen, NOCH wird es IRGENDEINE Welt geben, in der ich mein Theme aufgebe.“ Maximilian Lunenkind: "Das ist ja das Geniale: Du musst ihn nicht aufgeben. Du musst nur zulassen, dass er... upgegradet wird."
Breit grinsend deutet Lunenkind quer durch die Menge mit einem Finger auf DJ Freundlicher Orang-Utan, den man an ein DJ-Pult gestellt hat, das nirgendwo angeschlossen ist, wo er wahllos an irgendwelchen Knöpfen dreht, ohne zu bemerken, dass gar keine Musik spielt.
Maximilian Lunenkind: "EY YO, DJ! LOAD THAT SHIT UP! OINK OINK!"
Triumphal wackelt Lunenkind mit der Zunge. DJ Freundlicher Orang-Utan reagiert nicht und zieht die Nase hoch.
Maximilian Lunenkind: "Vermutlich hat er mich nicht gehört. Die Musik ist zu laut." Luna: „Deine Mutter ist zu laut, wenn ich sie...“
Und so eilt Lunenkind los, durch die Menge, auf das Lenovo Thinkpad zu, das mit dem großen Video-Bildschirm verbunden ist, welchen man neben DJ Orang-Utan geparkt hat - wohl in der (korrekten) Annahme, dass sich niemand diesem seltsamen Typen nähern würde. Der DJ murmelt etwas von "später noch einen Termin", bevor er die Augen schließt und einen heftigen Übergang produziert, den niemand außer ihm hören kann. Währenddessen tippt Lunenkind hektisch mit seiner Zunge auf der Laptop-Tastatur herum.
Luna: „Wissen wir, was er da tut?“ Lorenz: "Ich hatte noch nie eine Ahnung, was Maximilian vor hat. Deshalb ist er so wertvoll für uns - er denkt "Outside The Box". Dazu gibt es ein faszinierendes Buch von Kathy Yohalem, in welchem-" Luna: „Ich weiß, ich hab gefragt aber...Bitte halt die Klappe.“
In diesem Moment taucht auf dem Video-Screen etwas Neues auf, das nichts mit Werbung zu tun hat, was Lorenz selbstredend sofort sauer aufstößt. Aber das bleibt nicht lange so, denn in kurzer Zeit wandelt sich sein Blick - von Ärger über Verwirrung bis hin zum blankem Entsetzen. Die Köpfe im LPG-Wonderland drehen sich, als eine fremdartige Melodie, aber ein bekannter Text erklingt.
Rosario hingegen bricht in schallendes Gelächter aus. Mit Mühe und Not kann sie sich noch am Tisch auf den Beinen halten, während man meint, das Tier, aus dem Lorenz Hut besteht, würde gleich wieder zum Leben erweckt werden, nur um der Szene zu entkommen. Irgendwo hält eine Mutter ihrem Kind die Augen zu und Donald Trump stimmt zu zurückzutreten solange diese Scheiße nur aufhört.
Und währenddessen steht Maximilian Lunenkind da und sieht Luna strahlend an. Er formt ein Herz - nicht mit beiden Händen, sondern mit einer Hand und seiner Zunge - und deutet mit der freien Hand auf seine linke Brust.
Allerbeste Freunde.
Tyo Johns: „So, ihr BURSCHEN, da bin ich! Ein MANNHAFTES Galigrü an alle!“
Unnötig laut, durchdringend, unmelodisch. So tönt die Stimme Tyos durch den Backstagebereich, just nachdem der Neuankömmling die Tür zum Container des Förderkaders aufgerissen hat. Er stampft wie ein Elefant heran. Benji Akbulut und Sofio, die gerade dabei sind, sich umzukleiden, zucken erschrocken zusammen. In perfekter Parallelität drehen sie ihre Köpfe in Richtung Tyo Johns. Der Landwirt steht in der Tür, deren Rahmen er beinahe völlig ausfüllt.
Tyo Johns: „Habt ihr euch etwa erschreckt? Nur weil mal jemand laut und lustig redet, was? Naja, so bin ich halt. Ich bin ja ein MANN und kein stummes Mäuschen.“
Er stemmt die Hände in die Hüften und lässt seinen Blick durch den Container schweifen. Anders als Benji und Sofio ist er noch nicht in den Matchvorbereitungen. Tyo trägt einen Retro-Trainingsanzug, der völlig verknittert und an den weißen Nähten schmutzig ist. Unter der geöffneten Jacke zeichnet sich sein rotes Singlet mit der Aufschrift „MANN“ ab, welches er vor zwei Wochen bereits im Ring trug.
Tyo Johns: „Sieht wohl aus, als ob wir bis zum Auftritt noch ein paar Stunden Zeit haben, die es totzuschlagen gilt. Da ergibt sich für einen MANN eine Frage: Und zwar wem ich noch eine Bratwurst zur Vorbereitung mitbringen kann.“
Snow und Akbulut blicken einander an. Da Benji noch nicht fertig angekleidet ist, bleibt noch offen, welchen GFCW-Altstar er heute imitieren möchte. Bislang steht er nur in Trainingshose und oberkörperfrei da. Nun kratzt sich Akbulut am Kinn.
Benji Akbulut: „Danke, Tyo. Aber ich denke, wir möchten beide keine Bratwurst.“ Tyo Johns: „Dann aber zumindest Bier?“ Snow: „Auch nicht, danke.“
Der MANN kneift die Augen zusammen und blickt sich abermals um. Was er damit sagen will, scheinen die anderen Anwesenden nicht zu verstehen, wie an ihrer irritierten Miene abzulesen ist.
Tyo Johns: „Habe ich mich im Raum geirrt?“ Benji Akbulut: „Hä? Du bist doch hier bei uns.“ Tyo Johns: „Ich dachte, hier fände ich ein paar KERLE mit großem Hunger und Durst. Aber scheinbar bin ich bei den kleinen Mädchen gelandet, he?“
Vorwurfsvoll starrt er seine Förderkader-Kollegen an. Es scheint ihn wirklich zu wurmen, dass das Duo auf das Angebot eines Snacks verzichtet.
Snow: „Ich glaube einfach, dass Bier und Bratwurst nicht die beste Vorbereitung für ein Match sind. Wir sind versorgt, danke.“
Was er mit „versorgt“ meint zeigt Snow, indem er auf zwei Shaker mit Proteinpulver deutet, die für ihn und Benji bereitstehen. Durch den Himbeergeschmack hat es eine entsprechende Farbe. Tyo blickt das Getränk feindselig an.
Der Gesichtsausdrucks Snows wird feindseliger. Er hat keine Lust auf diese Diskussion. Aber kommt nicht dazu, etwas zu entgegnen, weil Tyos Stimme so laut ist, dass er jedes Gegenwort einfach akustisch übertönt.
Tyo Johns: „Ein MANN ist von Natur aus eine Kampfmaschine. Was wir brauchen, ist ganz einfach Energie. Essen. Rustikal und nahrhaft. Also frage ich nochmal: Wem darf ich jetzt eine Bratwurst mitbringen? Schließlich gibt es später eine zünftige Prügelei, wie es sich für KERLE gehört. KERNIG wird das. Und da ist mein Ansatz die beste Vorbereitung.“
Weil er bei Snow kein Gehör findet, wendet sich Tyo an Akbulut. Nachdem sie vor zwei Wochen gemeinsam im Ring standen, hofft er auf mehr Verbundenheit. Doch der junge Deutsch-Türke zuckt nur mit den Schultern.
Benji Akbulut: „Sorry, Mann. Aber ich glaube deine Art von Vorbereitung ist nicht unsere. Es läge mir beim Match zu schwer im Magen.“
Tyo fallen fast die Augen aus dem Kopf. Er rauft sich das Wenige, das von seinem Haar noch geblieben ist.
Tyo Johns: „Hab‘ ich das grad wirklich gehört? Das kann nicht aus dem Mund eines MANNES gekommen sein. Zu schwer im Magen? Glaubt ihr, mein Traktor beschwert sich, wenn ich ihn bis zum Rand mit gutem Diesel auffülle? Heult er dann los von wegen Verdauungsprobleme? Nein, der zieht durch! KERNIG! Den ganzen Tag kann ich mit dem dann Schweinescheiße wegkarren.“ Snow: „Wir sind aber keine Traktoren. Wir sind Wrestler. Menschen. Traktoren…naja, dehnen sich ja auch nicht so aus, wenn sie jeden Tag bis zum Rand aufgefüllt werden.“ Tyo Johns: „Hast du gerade etwas gegen meinen MÄNNER-Bauch gesagt?“
Der Förderkadler öffnet den Reißverschluss seiner Jacke noch ein Stück mehr. Er beginnt, sich bedrohlich auf den Bauch zu klatschen wie ein Gorilla auf die Brust.
Snow: „Ich versuche dir nur zu sagen, dass dein Trainingskonzept mehr auf Kraft setzt als meins. Mir geht es auch um Ausdauer, Beweglichkeit.“ Tyo Johns: „Und das aus dem Mund eines KERLS. Ach was, eines KNABEN, wenn überhaupt. Ich sag‘ dir was. Das hier…“
Er klatscht sich abermals auf den Bauch.
Tyo Johns: „…ist überhaupt kein Bauch. Das ist ein Feinkostgewölbe. Und in diesem Gewölbe können zwei Dinge gespeichert werden: ENERGIE und MANNHAFTE Genüsse. Hast du da etwas gegen?“
Keine unmittelbare Antwort von Snow. Eine Zurückhaltung, die Tyo als Affront empfindet. Johns entledigt sich seiner Jacke und marschiert weiter auf seinen Teamkollegen zu. Akbulut steht unschlüssig da und scheint zu überlegen, ob er eingreifen muss, bevor die Beiden Stirn an Stirn stehen.
Doch es ist das Geräusch der Tür im Hintergrund, welches die Situation löst.
Mit einem angestrengten Keuchen tritt Viggo in den Raum. Der Schweiß läuft dem Trainer des Förderkaders von seinem Körper. Die Spuren des Matches gegen Robert Breads sind unübersehbar. Viggo wirft sich auf eine der Bänke, nimmt ein Handtuch und wischt sich trocken. Seine Miene ist wie versteinert. Und plötzlich sind die Streitigkeiten im Förderkader nicht vergessen, aber vertagt. Vor ihrem Coach wollen sie wirklich nicht die Nerven verlieren. Vor allem nicht, wenn dieser grad eine schmerzhafte Niederlage hinnehmen musste und entsprechend eigene Probleme hat.
Viggo: „Ihr seid so still. Was ist mit euch?“
Der Coach wischt sich mit dem Handtuch durch das Gesicht und pfeffert es dann in einen der Spinde. Das Metall scheppert. Viggo lehnt sich vor, drückt das Gesicht in die Hände und atmet einmal tief durch. Dann blickt er sich zwischen den Rookies um. Niemand will das Wort ergreifen. Was könnte man auch schon sagen? Der Schmerz der Niederlage – vor allem unter solchen Umständen – ist nicht wettzumachen. Die Förderkader-Mitglieder blicken bedröppelt zu Boden. Als könnten sich mit ihrem Schweigen Solidarität mit dem Trainer ausdrücken.
Viggo: „Ihr braucht nicht auf Grabesstimmung machen, nur weil ich verloren habe, Jungs. Lasst das mein Problem sein.“
Erleichtertes Ausatmen bei den Förderkadlern. Die Anspannung löst sich etwas. Viggo steht von der Bank auf und läuft durch den Raum.
Viggo: „Was ihr gerade gesehen habt, Jungs…ist der Triumph eines verachtenswerten alten Mannes.“
Eine unverhohlene Anspielung auf den unfairen Sieg von Robert Breads.
Viggo: „Versteht mich nicht falsch. Ich respektiere Robert, immer noch. Wenn er in einem halben Jahr zurücktritt, habe ich vielleicht meinen Zorn bereits runtergeschluckt und stehe mit dem anderen Athleten Spalier, um seine Karriere zu ehren. Weil es dann für ihn vorbei ist. Aber bis dahin werde ich kein positives Wort über Breads verlieren. In seiner Verzweiflung, den Verfall aufzuhalten, beweist er Match für Match, dass er positive Worte nicht verdient hat.“
Stummes Nicken der Rookies. Sie lassen die Tirade ihres Trainers in Richtung des Hall of Famers über sich ergehen. Wenn es dafür sorgt, dass die Stimmung wieder besser wird, sind sie gerne das Publikum hierfür.
Viggo: „Wahrscheinlich ist er gerade backstage und feiert sich. Das sollte mich wahrscheinlich rasend machen. Doch wisst ihr was? Es ist mir ziemlich egal. Sogar ganz schön egal. Fast schon scheißegal. Denn was Robert in seiner Alterssturheit vergisst, ist etwas ganz Entscheidendes.“
Auf Viggos Lippen bildet sich ein grimmiges Lächeln.
Viggo: „Heute Abend geht es überhaupt nicht um mich und ihn. Nein, das war im Grunde ein Match ohne größere Bedeutung für die Zukunft. Es wird Roberts Verfall nicht stoppen und mich nicht zerstören. Worum es ging…das war immer um euch.“
Nacheinander fährt er die Gesichter seiner Rookies ab.
Viggo: „Diese Sache dreht sich um den Förderkader und Breads‘ eigenes Team. Es ist ein Duell der Trainer. Und dieses Duell kann nur durch die Leute entschieden werden, die man…nun ja…eben auswählt und trainiert. Deswegen ist die anstehende Saloon Battle Royal das große Finale unserer Sache. Nicht das, was wir eben gesehen haben.“
Eine Gedankenrichtung, der man kaum widersprechen kann. So sehen es auch die Rookies. Ohne Zögern zeigen sie mit eifrigem Nicken, dass es keinen Widerspruch zu Viggos Ausführungen gibt.
Viggo: „Wenn ihr gleich dort rausgeht und seine Rookies aus dem Saloon werft, wird morgen schon niemand mehr über Breads‘ Sieg im Match sprechen. Nein, dann geht es nur um seine abermalige Niederlage als Coach. Um sein Scheitern. Seit Monaten versucht Robert zu beweisen, dass er einen besseren Förderkader auf die Beine stellen kann als die GFCW selbst. Doch heute, ja heute, ist der Moment gekommen, wo endlich all das Gerede nicht mehr zählt. Es ist der Tag, an dem Robert ein für allemal das Gegenteil bewiesen wird.“
Er hebt mahnend einen Finger, als er zum Schluss kommt. Jetzt sollen Snow, Akbulut und Tyo besonders aufpassen.
Tyo Johns: „Ich bin Landwirt.“
Drei irritierte Augenpaare, die sich auf Tyo richten.
Tyo Johns: „Ich weiß, dass Verlässlichkeit das Entscheidende ist. Auf diesen MANN kannst du dich verlassen, Coach.“
Stolz klatscht sich Tyo auf den Bauch und deutet dann auf die Aufschrift „MANN“. Viggo nickt zufrieden. Dann fährt sein Blick zu Benji Akbulut hinüber.
Benji Akbulut: „Für den anstehenden Kampf habe ich eine ganz besondere Persona ausgesucht. Ich werde als Ben Streetman auftreten. Und so wie mein Vorbild Lex trotz vieler Rückschläge immer wieder ganz an die Spitze kam, so werde ich im Saloon nicht aufgeben, bis der letzte Gegner im Staub liegt.“ Snow: „So wie auch ich, Coach.“
Der Youngster mit den weißgefärbten Haaren tritt vor.
Snow: „Ich habe noch einmal über deine Worte nachgedacht. Über das Verhältnis von Inszenierung und Erfolg. Darüber, wieviel ich als Rookie auf meine Inszenierung achten sollte.“ Viggo: „Gut. Und was hast du dabei gelernt?“ Snow: „Dass ich unbedingt diesen goldenen Hut brauche. Das wäre DAS passende Accessoire für einen echt starhaften Auftritt. Dann wäre meine Inszenierung endlich perfeeeeekt.“
Viggo blickt seinen Rookie lange an, ehe er gedankenverloren seufzt und den Kopf schüttelt.
Viggo: „Nun, immerhin hast du dann einen Grund, alles für den Sieg zu geben. Ich sehe also, ihr seid bereit. Oder? SEID IHR BEREIT?“
Als Viggo im Stile eines Fußballcoaches bei der letzten Ansprache vor dem Match losbrüllt, erwacht endgültig das Feuer in den Rookies. Das Trio tritt zusammen und klatscht miteinander ab.
Förderkader: „WIR – SIND – BEREIT!“
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