Die Kamera fährt durch den Backstage-Flur der Arena –
hier, an einem Knotenpunkt, wo Gänge zu Büros,
Umkleiden und dem Equipment-Lager führen, herrscht
geschäftiges Treiben. Einige GFCW-Mitarbeiter laufen eilig
mit Klemmbrettern und Kisten umher, man hört Funksprüche,
das Klacken von Rollcontainern – typische Geräusche
hinter der Bühne einer großen Show.
Tammy,
elegant gekleidet und mit konzentriertem Blick, steht bereit. Sie
hält ein Mikrofon in der Hand und justiert gerade das Kabel
an ihrer Hüfte, offenbar bereit für ein spontanes
Interview. Die Kamera beginnt leicht zu zoomen, als aus einem der
Seitengänge der Wuppertaler Ayains Bild tritt.
Sein Auftreten ist ruhig, aber eindrucksvoll. Noch immer trägt
er jenen schwarzen Hartholz-Baseballschläger bei sich –
das Symbol seiner Intervention in die Märchenstunde von
Fuchs, El Metztli, Tsuki Nosagi und dem „Weihnachtsmann“.
Aya bleibt stehen, fixiert Tammy mit einem ernsten Blick, was sie
kurz zögern lässt. Gerade, als sie das Mikro an die
Lippen führen will, wird der Moment unterbrochen.
Drake
– scheinbar
gedankenversunken und auf dem Weg zu einem anderen Bereich –
kommt aus dem gegenüberliegenden Gang und will die Szene
eigentlich ignorieren. Doch als er auf Aya trifft, bleiben beide
Männer abrupt stehen. Ihre Blicke treffen sich. Hart.
Unerbittlich. Ein Moment geladener Stille liegt in der Luft, wie
ein aufziehendes Gewitter.
Tammy
erschrocken, aber noch ruhig, betrachtet die beiden Männer.
Tammy
: „Uhm…
Jungs? Alles in Ordnung…?“
Dann
– ein plötzlicher Schrei
von Tammy,
schrill und überraschend.
Die
Bilder werden weiter übertragen aber anstatt Tammy zu
lauschen hört man nun die Stimmen von Pete und Sven.
Pete
: „Was
zum Teufel?! Das ist ein Hinterhalt! Die Hasen! El Metztli und
Tsuki Nosagi stürzen sich auf Aya – und da ist der
Weihnachtsmann! Der attackiert Drake aus dem Nichts!“
Sven:
„Heilige
Mutter Maria! Hier eskaliert’s komplett! Das ist kein Brawl
– das ist ein Backstage-Massaker!“
Die
Kamera schwankt, als der Kameramann hektisch reagiert. Der
Schläger fällt klirrend auf den Boden, als Aya von den
Hasen gegen eine Wand gedrückt wird. Drake taumelt
rückwärts, nachdem der Weihnachtsmann ihm einen
Rammbock verpasst. Zwei Kämpfe – eine Szene. Beide
Duos prügeln sich in unterschiedliche Richtungen. Drake und
der Weihnachtsmann stürzen sich in einen schmalen Nebengang,
verschwinden dort in einem Treppenhaus,
wobei sie sich gegenseitig gegen das Geländer und die
Betonwände prügeln. Ihre Schritte hallen nach, als sie
nach unten taumeln – Stufe für Stufe – während
die Kamera bei Aya
und den Hasenbleibt.
Pete:
„Wir
verlieren Drake und diesen verrückten Weihnachtsmann –
sie prügeln sich im Treppenhaus nach unten! Aber wir bleiben
bei Aya, der gerade eine wahre Tortur über sich ergehen
lässt!“
Sven:
„Metztli
knallt ihn gerade mit voller Wucht gegen die Technik-Kiste! Und
Tsuki springt mit einem Knie voran hinterher – das ist
Wahnsinn!“
Aya
hält sich tapfer. Blut rinnt aus einem kleinen Schnitt an
seiner Stirn, doch seine Bewegungen bleiben präzise. Er
blockt einen rechten Haken von Tsuki, wirft ihn gegen eine
Absperrung, duckt sich unter einem Tritt von Metztli hindurch –
und rammt sie
mit der Schulter gegen einen Lagerwagen.
Metztli kracht in eine gestapelte Reihe von Lichttechnik-Boxen,
die scheppernd zu Boden gehen.
Pete:
„Aya
kommt zurück! Mein Gott, dieser Kerl ist zäh wie Leder!
Sven:
„Aber
die Hasen sind flink – die fighten wie zwei Schatten in
einer Vollmondnacht!“
Ein kurzer Rückblick auf Drake und den Weihnachtsmann ist
nicht nötig – aus dem Treppenhaus hört man nur
noch dumpfe Aufpralle und entferntes Grunzen. Die Kamera bleibt
bei Aya, der inzwischen zwischen Kabeln und herumliegenden Cases
steht. Er wirft Tsuki über eine Transportkiste, als sein
Blick auf etwas fällt.
Den
Baseballschläger.
Nur wenige Meter entfernt. Seine Finger zucken.
Er
taucht unter einem Stuhl, den Metztli nach ihm wirft, hindurch,
taucht ab –
und greift sich mit einem festen Griff den Schläger.Das Holz liegt wieder sicher in
seinen Händen.
Pete:
„Er
hat ihn wieder! Aya hat den verdammten Schläger wieder!“
Sven:
„Ich
würd’ jetzt rennen, wenn ich Häschenohren hätte…“
Metztli
stutzt – Tsuki stockt in seiner Bewegung. Zu spät. Aya
holt aus –nichtum
sofort zuzuschlagen, sondern um die bloße Drohung in seinen
Augen sichtbar werden zu lassen. Beide Hasen wissen, was jetzt
kommt, wenn sie bleiben.
Pete:
„Sie
fliehen! Die Hasen nehmen die Beine in die Hand! Rückzug
durch den Seitengang – und ich kann’s ihnen nicht mal
verübeln!“
Sven:
„Aya
steht da wie ein verdammter Richter! Der hat heute kein Urteil
gesprochen, aber eine Warnung gesendet.“
Aya steht allein inmitten der zerbeulten Technik, Schweiß
tropft von seiner Stirn, das Holz des Schlägers ruht fest in
seiner Faust. Die Kamera zoomt leicht heran, zeigt den ernsten
Blick des Wuppertalers, während aus dem Treppenhaus keine
Geräusche mehr kommen. Was mit Drake und dem Weihnachtsmann
geschieht, bleibt unklar.
Die Kamera hält noch einige Sekunden auf Aya.
Feierabend.
Wieder
einmal kann Darragh Switzenberg zufrieden nach Hause gehen. Er
hat ein Statement gesetzt, niemand hat ihm ernste Probleme
gemacht und die Zahl auf seinem Konto ist durch die Gage
weiterhin aufsteigend. Perfekte Voraussetzungen, um der
ungeliebten GFCW wieder für zwei Wochen den Rücken zu
kehren und sich eine entspannte Zeit auf der Wolke Sieben des
Erfolgs zu machen.
Gerade
biegt er um die letzte Kurve Richtung Parkplatz. Zac Alonso und
Jakob Fleestedt sind nicht bei ihm. Ihre Aufgabe ist heute, wenn
auch mit Mängeln, bereits beendet wurden. Nein, Switzenberg
ist allein.
Nur
noch wenige Schritte trennen ihn von der Tür nach draußen,
da nimmt er einen Umriss aus dem Augenwinkel wahr.
Der
Umriss ist genau dort, wo er hinwill.
Als
er sich umdreht, steht dort Jason Crutch. Mit schwarzem Basecap,
mit schwarzer Jacke mit hochgeschlagenem Kragen, ein Bein an die
Wand gelehnt, mit verschränkten Armen und gesenktem Kopf.
Jason
Crutch: „Wohin des Wegs?“
Switzenberg
tut Jason nicht den Gefallen, auf die Frage direkt zu antworten.
Der Intercontinental-Champion stellt seine Sporttasche auf dem
Boden ab und seufzt betont langgezogen. Als würde ihn der
Anblick des Konkurrenten, den man fast schon einen ewigen Rivalen
nennen muss, langweilen.
Darragh
Switzenberg: „Jason. Ich hatte gedacht, nach einem halben
Jahr ist deinem Nostalgie-Mobil endlich der Sprit ausgegangen.“
Er
tritt nicht näher als nötig an Jason heran, hält
bewusst gute zwei Meter Abstand. Nah genug, um das Gespräch
zu führen, aber nicht so nah, um Crutch die Chance zu geben,
etwas Unüberlegtes zu tun.
Darragh
Switzenberg: „Was willst du noch? Findet der alte Mann
nicht mehr den Ausgang zurück in sein Leben auf dem
Abstellgleis?
Jason
Crutch regt sich nicht. Er verharrt in seiner Position und macht
keinerlei Anstalten, irgendwo anders hinzugehen. Die Tatsache
bleibt: Jason Crutch versperrt ihm den Weg in die „Freiheit“.
Mit knurriger Stimme, in der nichts liegt, keine Wut, kein Hass,
keine Freude, keine Überlegenheit…es ist einfach nur
eine kühle, berechnende Stimme oder irgendwelche Emotion und
begleitet von keinerlei Regung:
Jason
Crutch: „Du weißt, was ich will. Ich will ein
weiteres Match um den Intercontinental-Championtitel.“
Switzenberg
verzieht das Gesicht.
Darragh
Switzenberg: „Du weißt, ich mag Filme, Jason. Und
‚Täglich grüßt das Murmeltier‘ ist
wirklich gut. Die Sache mit der Zeitschleife. Aber ich brauche
nicht Jahrzehnte später die Fortsetzung namens ‚Täglich
nervt Jason Crutch‘. Du hattest zwei Chancen, du hast
zweimal den Titel nicht gewonnen.“
Keine
Reaktion von Crutch. Wenn Darragh gehofft hatte, dass der
vierfache Champion jetzt zur Seite tritt, hat er sich getäuscht.
Darragh
Switzenberg: „Geh‘ aus dem Weg. Und das meine ich
sowohl wörtlich als auch metaphorisch. Deine Zeit ist
vorbei. Deine Chancen sind es auch.“
Und
immer noch steht dort an der Tür, den Weg nach draußen
versperrend, der Oberpollinger. Das Bein bleibt weiterhin an der
Mauer gelehnt, die Arme verschränkt, der Kopf gesenkt, das
Gesicht dadurch im Schatten der Basecap verborgen. Was sich
ebenso wenig ändert ist die Tonlage in Crutchs Stimme, als
er folgendes sagt:
Jason
Crutch: „Ich weiß, dass ich diese Chance offiziell
nicht mehr habe. Du hast mich besiegt, Darragh. Und der
Matchausgang ist Bullshit. Es ist eine verdammte Schande. Es ist
Mist. Es ist Scheiße. Es PISST mich an, verdammt nochmal!
Aber ich habe sofort nach dem Match mit Dynamite geredet, er hat
es mir bestätigt. Es täte ihm leid. Einmal mehr.“
Dann
entfleucht ihm der zischende Laut eines Schmunzelns, und die
beiden Sätze, die er nun sagt, wirken so, als würde er
sie lediglich zu sich selbst sagen:
Jason
Crutch: „Zum Teufel, wie leid ich es selbst bin, das von
ihm zu hören. Und wie ich einfach nur die Schnauze voll
habe, ständig betteln zu müssen.“
Und
dann erfolgt endlich die erste Regung des ehemaligen mehrfachen
World Champions. Er verlässt seine Position und bewegt sich
die vier, fünf Schritte auf den amtierenden
Intercontinental-Champion zu. Und er bleibt vor ihm stehen. Die
Klamotten – die schwarze Jacke, das schwarze Basecap, die
schwarze Jeans – all das ist ein Outfit, das Crutch in elf
Jahren seiner Karriere nie getragen hat. Dieses Tiefschwarz, das
er hier trägt, scheint fast seine Gefühlswelt zu
repräsentieren. Und es scheint zu unterstreichen, in welcher
absoluten Ausnahmesituation Jason Crutch sich – evtl. sogar
erstmals in seiner Karriere, wer weiß? – befindet.
Sein Kopf bleibt weiterhin gesenkt. Und so steht er nun also vor
Switzenberg. Leise und in aller Ruhe (und deswegen wirkt es so
bedrohlich) spricht er:
Jason
Crutch: „Ich weiß also, dass es nur noch einen
einzigen Weg gibt, dieses Titelmatch zu bekommen.“
Und
nun hebt er den Kopf und blickt seinem Gegenüber in die
Augen.
Jason
Crutch: „Indem du es mir freiwillig gibst.“
Darragh
Switzenberg: „Das werde ich nicht tun. Somit ist dieses
Gespräch beendet.“
So
schnell Darragh die Antwort im ersten Augenblick rausgerutscht
ist, so verwirrt ist er im zweiten. Meint Jason Crutch das
wirklich ernst? Dem Blick nach ist es so.
Und
je länger Darragh darüber nachdenkt, desto ärgerlicher
wird er. Bis seine Gesichtszüge einfrieren.
Was
für eine maßlose Dreistigkeit. Was für eine
Frechheit. Was maßt sich Jason Crutch hier eigentlich an?
Wie kann Jason ihn mit solch einem absurden Szenario vom
wohlverdienten Feierabend abhalten?
Darragh
Switzenberg: „Ich hoffe wirklich, dass du es als Witz
meinst, Jason. Vielleicht als erster Schritt für deine neue
Karriere als Comedian. Jetzt, wo es als Wrestler für dich
vorbei ist.“
Er
verzieht amüsiert das Gesicht.
Darragh
Switzenberg: „Es ist doch ein Witz, oder?“
Die
Antwort darauf gibt Switzenberg Jason, indem er lauthals zu
lachen beginnt. Es ist mir als auffällig, dass das Lachen
vorgespielt wird und keine echte Emotion ist. Doch das macht es
nur noch verhöhnender für Crutch. Dort der lachende
Champion und ihm gegenüber der ehemalige mehrfache World
Champion, fast schon in sich gesunken, gekleidet in schwarz wirkt
er fast wie ein Schatten seiner selbst, der sich hier vor seinem
Rivalen erniedrigen muss und um die Chance BITTEN muss…
Jason
Crutch: „Jetzt hör auf mit dem Mist!“
…ruft
Jason Crutch laut aus. So laut, dass der IC-Champion regelrecht
zusammenzuckt, weil ihm ordentlich in die Parade gefahren wurde.
Für einige Augenblicke ist es mucksmäuschenstill. Man
könnte die berüchtigte Stecknadel fallen hören.
Die Atmosphäre ist, wie unmittelbar vor einem Gewitter, zum
Zerreißen gespannt. Und es mutet beinahe wie eine Muhammad
Ali/George Foreman-Situation, wie sie sich hier gegenüberstehen.
Dann setzt Jason Crutch ruhig, aber bestimmt fort.
Jason
Crutch: „Lass mal den ganzen Scheiß, ok? Ich habe
jetzt die Schnauze endgültig gestrichen voll von dir und
deinem Rotz.“
Und
wieder ist es ruhig. Switzenberg atmet schwer. Wahrscheinlich
eher vor Wut. Crutch blickt seinen Gegenüber intensiv an.
Jason
Crutch: „Sieh mir in die Augen, Darragh.“
Der
Intercontinental-Champion steht mit gesenktem Kopf dort. Er hasst
es, Befehle entgegenzunehmen. ER ist derjenige, der befiehlt.
Niemals andersherum. Und wieder ist es ruhig. Die Forderung von
Crutch steht nach wie vor im Raum. Aber Switzenberg blickt
demonstrativ zu Boden.
Jason
Crutch: „Schau mir in die Augen, verdammt nochmal!!“
Switzenberg
schnauft verächtlich.
Doch
dann tut er, wie ihm geheißen. Aber nicht, um Crutchs
Befehl zu gehorchen, sondern um sich keine Blöße zu
geben. Dafür ist er dann doch zu stolz. Und für weitere
Augenblicke, die wie Minuten wirken, so intensiv sind sie,
stieren sich beide Männer an. Sie wirken ruhig, doch an der
Bewegung ihrer Schultern und ihrer Nüstern erkennt man, dass
sie vor Adrenalin strotzen. Und dann setzt der Oberpollinger
fort, ruhig, aber bestimmt und eindringlich. Seine Stimme klingt
– immer noch - bedrohlich…
Jason
Crutch: „Seit Jahresbeginn bekriegen wir uns. Und permanent
gibt es diese Situationen, in denen du dich hinter deinen Stooges
versteckst. Bei Brainwashed. Bei War Evening. Und nun bei
Aurora.“
Darragh
Switzenberg: „…“
Jason
Crutch: „Halt den Mund!! Halt einfach deinen verdammten
Mund und hör zu!! Lass mich ausreden, verdammt nochmal!!“
Am
liebsten würde der IC-Champion ihm in die Fresse schlagen.
So sieht es zumindest aus. Doch er verkneift es sich. Mag es
Ehrfurcht sein. Mag es…RESPEKT sein…? Nein.
Wahrscheinlich eher nicht. Er will sich nur nicht die Blöße
geben, einer Provokation von Jason Crutch auf den Leim zu gehen.
Er schweigt. Und hört tatsächlich weiter zu.
Jason
Crutch: „Ich bin es leid, hörst du. Und ich weiß:
du bist es auch leid! Ich gehe dir auf den Sack. Ich weiß,
dass du mich abgrundtief hasst. Du hasst mich mit jeder Pore
deines Leibes, richtig? Dann tu etwas dagegen. Tu endlich etwas
dagegen…du kleiner Pisser!“
WOAH!!
Hat er das eben wirklich gesagt? JASON CRUTCH?!
Jason
Crutch: „Ich will jetzt, dass du mir zuhörst. Ein
letztes Mal. Und hör mir ganz genau zu, denn ich will, dass
du das endlich und ein für alle Mal kapierst. Darragh. Ich
schwöre dir, bei dem Leben meiner Kinder…“
WHAT???
Jason
Crutch: „DU. WIRST. MICH. NICHT. LOS! Okay? Ich gebe nicht
auf. Ich gebe nicht auf, bis du mich im Ring geschlagen hast.
Fair! 1. 2. 3. Ohne Ausreden. Ohne Einwände. Ohne Eingriffe.
Du willst mich loswerden? Du willst, dass ich aus deinem Leben
verschwinde, huh? Dann besiege mich. Besiege mich!!!! 1. 2. 3.
Besiege mich wie ein Mann, verdammt nochmal! Und ich weiß,
Darragh, ohoho…ich WEISS, dass du tief, tief, tief in dir
drin, tief in deinem INNERSTEN…dass du davon ÜBERZEUGT
bist, dass du das auch KANNST. Du WEISST tief in dir drinnen,
dass du mich schlagen KANNST. Aber die Gier nach demhier…“
…und
er nickt in Richtung Intercontinental-Champion-Gürtel, der
auf Darraghs Schultern ruht…
Jason
Crutch: „…ist so unermesslich groß, dass du
das vergessen hast. Um das
zu
behalten, tust du alles.“
Darragh
scheint nun genug gehört zu haben. Und ja, er weicht nun
Crutchs Blick aus, unterbricht das unsichtbare Band, zuckt und
will wohl tatsächlich beidrehen. Doch er kann nicht. Denn JC
neigt den Kopf – und sucht wieder Darraghs Blick. Der
IC-Champion versucht, in die andere Richtung abzudrehen, aber JC
neigt seinen Kopf nun in die andere Richtung und sucht auch hier
Darraghs Blick. Letztlich hält Darragh inne, geht zurück
in die ursprüngliche Position – und wieder treffen
sich die Blicke. Das Blickduell ist wieder hergestellt. Bei
Crutch zuckt ein Mundwinkel nach oben. Aber nur flüchtig.
Und seine Tonlage geht noch eine Lautstärkestufe nach unten
– und wirkt dadurch noch ein Stück bedrohlicher und
eindringlicher.
Jason
Crutch: „Wo willst du hin. Huh? Hab ich einen wunden Punkt
getroffen? Habe ich recht? Ja, du WEISST, dass ich recht habe. Du
WILLST es dir beweisen, nicht wahr? Du WILLST wissen, ob du mich
fair schlagen kannst. Du willst es mehr, als alles andere auf der
Welt. Aber du hast zu viel Angst, zu versagen, und das
hier zu
verlieren.“
Wieder
das Nicken in Richtung Championgürtel. Und tatsächlich:
wieder lässt Darragh den Blick abschweifen, verliert das
Blickduell erneut. Crutch entfleucht ein lautes „Huh“,
das Erstaunen ausdrücken soll. Beinahe erstaunt blinzelt er.
Und wie, wenn es ihm gerade wie Schuppen von den Augen gefallen
wäre, erhöht sich die Lautstärke seiner Stimme und
reißt im Grunde alle, die Crutchs Monolog und die gesamte
Szenerie verfolgt haben, aus ihrer Gespanntheit.
Jason
Crutch: „Du…du hast tatsächlich Angst?! Das ist
es wirklich! Ich hatte mehr dahinter vermutet, aber es ist simpel
wie noch was: Du hast ganz einfach ANGST! Es steckt gar nicht
mehr dahinter! Du hast so eine verdammte Angst davor, den
Intercontinental-Championtitel und alles, was damit verbunden
ist, zu verlieren, dass du mir nicht in einem fairen Match
gegenüberstehen willst. Diese Angst ist größer
als deine innerliche Frage, ob du mich fair schlagen kannst und
das Verlangen, mich loszuwerden! Du…“
Fast
schon resigniert weicht Jason Crutch einen Schritt zurück.
Er betrachtet, schwach, fast schon abwertend lächelnd, den
Mann, den er schon beinahe ein halbes Jahr lang verfolgt, und der
ihm solches Kopfzerbrechen bereitet hat, von oben bis unten. Und
von einem Moment auf den anderen – so wirkt es! –
scheint Jason Crutch jeglichen Respekt vor seinem Gegenüber
verloren zu haben. Und mit süffisantem Ton stellt er dann
für sich einfach nur fest:
Jason
Crutch: „…du bist einfach nur ein verdammter
Feigling!“
Switzenberg
steht da. Er tritt von einem Fuß auf den anderen. Ein Stück
weit sieht es aus, als wolle er Crutch an den Kragen gehen. Doch
statt um Jasons Kehle graben sich seine Hände in die
Hosentaschen. Als Demonstration…oder um sich zu beruhigen?
Darragh
Switzenberg: „Halt den Mund, Jason.“
Jetzt
macht Switzenberg doch die Schritte auf Crutch zu, die er zu
Beginn ihrer Begegnung noch bewusst zwischen ihnen gelassen
hatte. Etwas hat sich verändert.
Darragh
Switzenberg: „So viele Worte von dir. Ich bin mir sicher,
die hast du dir lange zurechtgelegt. Wäre nur besser
bekommen, wenn du auch Recht damit hättest.“
Er
sucht den Blick von Crutch. Jetzt, nachdem er das so lange
vermieden hatte. Die Rollen haben sich vertauscht.
Darragh
Switzenberg: „Ich bin kein Feigling…“
Aber
glaubt er das selbst? Etwas hat sich in Switzenbergs Haltung
verändert. Seine betonte Lässigkeit hat Risse bekommen.
Darragh
Switzenberg: „Ich habe es nur nicht nötig, dich ohne
Hilfe zu besiegen.“
Und
doch: In der Stimmlage liegt etwas, das deutlich macht, als wolle
er ein weiteres „Aber“ einfügen. Nur kostet ihn
das Überwindung.
Darragh
Switzenberg: „Doch mit einer anderen Sache hast du recht,
alter Mann. Ja, ich hasse dich. Und wie ich dich hasse. Weißt
du, was ich besonders an dir hasse?“
Er
legt den Kopf schräg und taxiert den Schwarzgekleideten von
oben bis unten.
Darragh
Switzenberg: „Dass wir miteinander verbunden sind. Meine
Regentschaft als Intercontinental-Champion sollte diese Liga
verändern. Sie soll mein Triumph sein, der bisherige
Höhepunkt meiner Legende, die ich gerade schreibe. Aber seit
Januar, seit einem verdammten halben Jahr, habe ich nur mit dir
zu tun. Wer später über diese Phase des Switziverse
nachdenkt, wird nicht nur an meine Triumphe denken. Nicht nur
daran, dass ich mit Jakob und Zac zwei der größten
Talente hervorgebracht habe. Nein…die Leute werden an den
verdammten, alten Jason Crutch denken. Weil du dich seit Monaten
an uns festgesaugt hast wie eine Zecke.“
Kurz
rutscht Switzenbergs Hand aus der Hosentasche. Man sieht, dass
sie zur Faust geballt ist. Und Crutch ist das nicht entgangen,
denn auch er
ballt
die Faust. Beide Männer sind auf alles
gefasst
und rechnen mit allem.
Darragh
Switzenberg: „Du wirfst einen Schatten über meine
Herrschaft, weil du einfach nicht loslassen kannst. Und dafür
hasse ich dich, Jason Crutch. Ich will, dass du loslässt.
Ich will, dass du verschwindest.“
Jetzt
ist sein Blick starr auf Crutch geheftet.
Darragh
Switzenberg: „Ich will, dass du zu Ende bist.“
Switzenberg
drückt den Satz zwischen zusammengekniffenen Zähnen
hervor. Dann merkt er scheinbar, dass er sich für einen
Moment verloren hat. Dass er doch Jasons Provokation auf dem Leim
gegangen ist. Von einer Sekunde auf die andere verändert
sich etwas an seiner Körperhaltung. Er lehnt sich zurück
und versucht, Gelassenheit vorzutäuschen.
Darragh
Switzenberg: „Was deine Anfrage angeht…du wirst in
zwei Wochen etwas dazu hören.“
Dann
nutzt der Champion den Moment der Überraschung und drückt
sich an Crutch vorbei. Da der vierfache Champion noch mit den
Worten Switzenbergs beschäftigt war, schafft er es nicht
schnell genug, sich in Darraghs Weg zu stellen. Switzenberg ist
schon an ihm vorbei, schon zur Tür unterwegs – und
tritt hinaus.
Der
Oberpollinger bleibt allein zurück, blickt seinem
Widersacher hinterher, bis er verschwunden ist. Aber selbst dann
starrt er weiterhin auf die schwere Doppeltür, die sich
langsam schließt und dann träge ins Schloss fällt.
Ein solch intensives Gespräch musste er in der GFCW lange
Zeit nicht mehr führen. Erinnerungen an die glorreichen
Aufeinandertreffen mit Zereo Killer, Johnboy Dog oder Don Sheen
werden wach. Auch dort lag reichlich Intensität in der Luft.
Doch diesmal war es anders. In gewisser Weise musste er sich
erniedrigen, musste betteln. Und er fragt sich nach diesem
Gespräch: ist es das wert? Und was ihn noch mehr
verunsichert: hat er erreicht, was er wollte? Konnte er Darragh
Switzenberg überzeugen? Hat er wirklich den wunden Punkt
getroffen, den er treffen musste, um das zu bekommen, wonach ihm
so sehr verlangt? Wonach ihm IMMER NOCH verlangt?
Nachdenklich
– den Blick immer noch auf die ja mittlerweile geschlossene
Tür geheftet - schiebt er beide Hände zurück in
die Jackentasche. Und dann – absolut nichtsahnend und im
Grunde genauso schlauch wie zuvor – zieht er endlich von
dannen.
Welches
Nachspiel wird dieses Aufeinandertreffen haben?
In
zwei Wochen gibt es die Antwort.
Das
gewaltige Banner flattert im Wind auf der sterilen, weißen
Wand, im Hintergrund des Podiums, an dem Lorenz mit dem
zuckersüßesten Lächeln steht.
Wir
sind in einem Gebäude, hier dürfte es keinen Wind
geben. Vielleicht hat man also einen leisen Ventilator aufgebaut,
damit das Banner mit dem triumphalen Schwein und dem gefallenen
weißen Tiger darauf so weht wie eine gehisste Flagge nach
einem beeindruckenden Triumph, oder aber irgendjemand -
vermutlich das Sprachrohr - wackelt Off-Camera an einer Schnur.
Dazu
kommt noch, dass dieses Video seltsam... blutleer wirkt. Die
Farben scheinen nicht ganz richtig durchzukommen. Ist das hier
live? Ist das hier aufgezeichnet? Wo genau sind wir überhaupt,
mal abgesehen von "wahrscheinlich in Flensburg" und "in
irgendeinem Gebäude"?
Lorenz:
"Meine Damen und Herren, alle Anderen innerhalb und
außerhalb des Gender-Spektrums... herzlich willkommen zur
Investoren-Tagung."
Eindeutiger
Fake-Applaus wird eingespielt, so euphorisch und begeistert, dass
er überhaupt nicht echt sein kann. Davon einmal abgesehen
sehen wir immer noch bloß Lorenz an seinem Podium vor
seinem Banner - gäbe es eine echte Crowd, oder sogar eine
echte BEGEISTERTE Crowd, würde man diese doch sicherlich
zeigen?
Lorenz:
"Genauer genommen: Zur Investoren-Tagung der Abteilung
"Werbung und Marketing im Bereich "Sonstiges" der
Sport-Division."
So
läuft die GFCW also bei der LPG - unter "Sonstiges".
Warum bekommt das eine eigene Investoren-Tagung? Alles an diesem
Segment wirkt faul und fake. Alles. Vor allem Lorenz, bei dem
diese Fakeness auf eine ganz seltsame Art und Weise vollkommen
natürlich wirkt.
Lorenz:
"Zu dem Allerwichtigsten und dem, wofür sie eigentlich
hier sind - den Zahlen - kommen wir selbstverständlich
noch."
Wieder
eingespielter Beifall. Man kann das glückliche Schluchzen
von jemandem hören, der vor Freude in Tränen ausbricht.
Wir sehen natürlich nichts davon.
Lorenz:
"Aber lasst uns die Zeit nehmen, auf ein paar angenehme und
positive Nebenschauplätze zu schauen. In den Ring, zum
Beispiel."
Der
Ring als Nebenschauplatz - die Lerbitz Performance Group, wie sie
leibt und lebt.
Lorenz:
"Dort konnten wir zuletzt einige neue Assets akquirieren."
Die
Rede dürfte von Marc Hill sein.
Lorenz:
"Unsere Partnerschaft mit externen Partnern - oder
Partnerinnen, in diesem Fall - zahlt sich weiterhin aus. Die
großartige und fantastische Miria Saionji und die
talentierte Quinn El Ranemilan sind die Speerspitze einer
wundervollen Initiative, die vom unangefochtenen und beim
vergangenen Pay-Per-View einmal mehr erfolgreichen GOAT Robert
Breads angeführt wird. Ich bin mir sicher, dass diese
beiden... und die anderen... in Zukunft weiterhin-"
Weiter
kommt Lorenz nicht, weil seine Ansprache von einem plötzlichen
Einwand aus dem Nichts übertönt wird. Es können
also nicht nur RKOs aus dem Nichts kommen, sondern auch Stimmen.
Dann wiederum kommt die Stimme eigentlich gar nicht aus dem
Nichts, sondern lediglich von jenseits des Kameraauschnitts.
„Ich
bin „The Phoenix“ Milly Vermillion, nicht „andere“.“
Womit
uns die Kameras nun demonstrieren, dass Lorenz doch etwas live
Publikum hat und zumindest ein bisschen Reaktion echt war –
obgleich die zur Stimme gehörende Feuervogeldame in
Menschengestalt ihm sicherlich nicht zugejubelt hat. Vielmehr ist
ihre Körperhaltung einmal mehr lax und ihre Stimme pompös,
ganz im Kontrast zu ihrer kleinen Statur – die wiederum ein
gewaltiger Kontrast zur Frau ist, die neben ihr türmt: die
Schneewölfin Skaði Fenrir, die ihrerseits nicht sehr
angetan von dieser Pressekonferenz aussieht. Was wiederum ein
Kontrast zur dritten Frau in der ersten Reihe ist: Miria Saionji.
Die schwarzmähnige Opportunistin trägt demonstrativ ein
Greatest Pigster Shirt als Kleidersatz und eine verdammt teuer
aussehende Perlenkette dazu. Perlen für sie selbst statt für
die Säue, die Implikation ist dennoch da – und sie hat
sogar Lorenz „echt“ zugejubelt. Auch wenn ihr Jubel
quasi noch faker war als der Eingespielte. Anders als Millys
auflodernde Wut, die ist sehr echt.
Milly
Vermillion: „Ich
habe einen Namen und du bist gut beraten ihn zu benutzen, dafür
ist er nämlich da. Ich dachte deine Expertise wäre
Marketing oder wie das heißt und sogar ich weiß, dass
der erste Schritt Marken zu kreieren darin besteht, sie beim
Namen zu nennen.“
Die
Frau im feuerfedrigen Poncho mit den blonden Locken guckt leicht
verächtlich zu Miria herüber.
Milly
Vermillion: „Besonders
wenn du solche No Names wie die da beim Namen nennen kannst.“
„Die
da“ sieht erst so aus, als ob sie etwas erwidern möchte,
doch dann entscheidet sich „The Aion“ aus purer
Berechnung dagegen. Gerade wüst unterbrochen und belehrt
worden zu sein, dürfte Lorenz alles andere als gefallen
haben und wenn Milly sich nach Robert Breads höchstselbst
nun auch noch bei Lorenz unbeliebt machen möchte, dann
sollte sie dies ungehindert tun können. Doch nicht nur
Kalkül verhindert eine Wortmeldung von Miria Saionji,
sondern auch die wie immer hochtrabende Stimme der großen
Schneewölfin, die jetzt laut wird.
Skaði
Fenrir: „Ich
kann meine Überraschung nicht verhehlen, dass du etwas
gesagt hast, welchem ich meine vollumfängliche Zustimmung
aussprechen kann, doch das berühmte Sprichwort mit dem Huhn
und dem Korn hat einmal mehr einen Moment im Rampenlicht.“
Milly
Vermillion: „Hast
du Pelzknäuel mich gerade als Huhn bezeichnet?“
Milly
beugt sich zu Skaði herüber und guckt sie schief an, was
diese naturgemäß wenig beeindruckt, geschweige denn
einschüchtert.
Skaði
Fenrir: „Mitnichten
und ich würde es vorziehen, wenn du es vermeiden würdest
auf deinen großen Moment der Sinnhaftigkeit zeitnah einen
peinlichen Moment des Nonsens folgen zu lassen. Wichtiger ist
doch aufzuzeigen, dass weder du noch ich einfach nur als „die
anderen“ tituliert werden sollten, wird dies doch weder dir
noch mir gerecht.“
Millys
Augen verengen sich zu Schlitzen, die Phönixfrau überlegt
intensiv, ob sie sich von Skaði jetzt beleidigt fühlen
sollte oder nicht, stellt sich dann aber doch wieder gerade und
verschränkt nur nickend die Arme – im Großen und
Ganzen war man in der relevanten Sache, von Lorenz hier
respektlos behandelt worden zu sein, einer Meinung und das genügt
für den Moment. Wer sich derweil fragt, wo eigentlich die
Frau ist, welche Milly und Skaði, nicht aber Miria, zur LPG
vermittelt hat: Monica Shade steht etwas abseits im Hintergrund
und muss all ihre Sinne zusammennehmen, dass ihr Stoffschwein
Lady Rosi ihr nicht aus dem Arm kippt. Eigentlich freut Monica
der Erfolg des Greatest Pigsters ja, aber ihn nun so
ausgeschlachtet zu sehen hat sie erblassen lassen. Als ob sie in
der heimischen Promotion und insbesondere bei deren Hauptsponsor
nach dem Verlauf und illegitimen Ausgangs des Aurora Matches bei
Aurora nicht eh schon im Doghouse sitzen würde.
Lorenz:
"Meine Damen, es gibt wirklich keinen Grund hier in einen
Streit auszubrechen."
Er
wirft Miria kurz einen Blick zu, bei dem er mit den Augen rollt
und damit deutlich zeigt, dass er von ihren "Kolleginnen"
genervt ist. Er zupft an den Ärmeln seines Hemdes, welches
das unverwechselbare Dior Oblique Motiv präsentiert. Das
legere Design aus weißem und blauem Seidentwill überzeugt
durch ein steigendes Revers und einen hinten längeren Saum.
Lorenz:
"Wir wollen zelebrieren. Wir wollen in die Zukunft blicken,
in die glorreiche Zukunft der Lerbitz Performance Group und
deshalb sollten wir in erster Linie eines bleiben: produktiv."
Natürlich.
Das ist das Wichtigste.
Lorenz:
"Nehmt euch ein Beispiel an Miss Shade, die sich im Rahmen
des letzten Pay-Per-View und des triumphalen Erfolgs des Greatest
Pigster ganz klar auf Seiten der LPG positiniert hat, über
jede Ligen-Zugehörigkeit hinweg. Endlich einmal
vorbildhaftes Verhalten und ein wichtiges Zeichen pro Loyalität
zum Brand und zum-"
herauszukommen.
Doch ist es Miria Saionji, die an dieser Stelle ihre Chance
gekommen sieht sich einzubringen.
Miria
Saionji: „Korrekt, wir stehen hier doch alle auf derselben
Seite und sollten uns folglich auch entsprechend verhalten. So
aggressiv wie ihr beiden euch aufführt, da wird doch das
Schwein im Stall verrückt. Ich jedenfalls wüsste im
Moment nicht, ob man euch Beiden im Ring vertrauen könnte
oder ob ihr nur darauf aus wärt euch selbst zu profilieren.
Schade eigentlich, dass man Teamfähigkeit nicht einfach so
testen kann...“
Miria
zwinkert Lorenz vielsagend zu.
Lorenz:
“Eine brillante Idee.”
Strahlend
schaut Lorenz zu ihr zurück. Die einzige Person, von der er
noch begeistert ist als Miria, ist die Entrepreneurin Lerbitz
höchst selbst.
Lorenz:
“Schade, dass unser Vorzeige-Wrestler Aiden Rotari heute
unerwartet nicht erschienen ist, sonst hätten wir gleich ein
Match gegen Sleaze ansetzen können. Oder doch besser
gegeneinander? Was würde sich wohl besser vermarkten lassen?
Das sollten wir bis zur nächsten Show geklärt
bekommen.”
Mit
einem freundlichen Zwinkern richtig Saionji erwidert Lorenz die
ursprüngliche Geste, ehe er fortfährt.
Lorenz:
“Doch bevor wir den betörenden Klängen
vielversprechender Zukunftsmusik lauschen, müssen wir noch
einmal kurz in die Vergangenheit gehen – zum grandiosen
Aurora-Pay-Per-View. Denn dort hat sich Ethan Carlyle zwar als
talentiert, aber nicht besonders clever erwiesen. Zum Glück
für uns gab eine positive Überraschung.
Der
Mann, der bei Brainwashed einen beeindruckenden Erfolg gegen die
Lerbitz Performance Group feiern konnte, hat eingesehen, wo seine
Chancen für die Zukunft liegen. Rasmus Rantanen wollte den
Spot nicht. Ethan Carlyle wollte den Spot nicht. Sie werden den
Preis bezahlen, nicht in Form von brutalen Attacken, sondern
schleichend einsetzender Irrelevanz. Nicht so dieser Mann, das
neueste Asset im Portfolio der Lerbitz Performance Group. Der
Hamburger Jung, der Sergej Barbarez der GFCW, der Mann aus der
Erstliga-Stadt – die Lerbitz Performance Group ist stolz
den Mann mit der POWER auf ihrer Seite zu haben und in ungeahnte
Höhen zu führen. Wir sind der Merlin Polzin zu seinem
Davie Selke. Ein herzliches “Moin” an den Mann mit
Weitsicht, den Mann mit Rückgrat, den Mann mit POWER: Marc
Hill!”
Ob
es realen Applaus gibt oder nicht ist unmöglich zu sagen,
denn der schon zuvor verwendete Fake-Applaus dröhnt nach der
Erwähnung des Namens unmittelbar in solcher Lautstärke,
dass jedes natürliche Geräusch daneben zugrundegeht.
Und so wirkt es, als würde Kaiser Augustus höchstpersönlich
für einen Triumph in die Stadt Rom einziehen.
Marc
Hill stört sich nicht an den künstlichen Reaktionen, er
hat ein Grinsen auf den Lippen, dass man in dieser Breite seit
Monaten nicht mehr bei ihm gesehen hat. Als er sich zu Lorenz
stellt, hebt er als Dank die Hände in die Luft, posiert als
wäre er ein Politiker nach einer gewonnenen Wahl.
Marc
Hill: „Nu‘ mal Butter bei die Fische, Leute.“
Der
Hamburger spricht mit betontem Dialekt, den er vor zwei Wochen
noch nicht halte. Der Tonfall ist so übertrieben, man könnte
ihn für eine Parodie auf seine eigene Herkunft halten –
doch nein, es müsste eine Marketing-Idee sein.
Marc
Hill: „Meine Entscheidung für die LERBITZ PERFORMANCE
GROUP…“
Wieder
Applaus. Wieder stürmisch. Wieder künstlich.
Marc
Hill: „…war die beste Entscheidung meiner bisherigen
Karriere. Ich war in einer Situation gefangen, die keinen
positiven Ausgang mehr nehmen konnte. Doch wie sagt man in
Hamburg? Nicht lang schnacken, Kopp in Nacken. Also habe ich die
Initiative ergriffen und einen neuen Weg eingeschlagen. Einen Weg
an die Seite von GEWINNERN!“
Das
Sprachrohr: „FAKT!“
Aus
dem sprichwörtlichen Nichts (aka dem Bildrand) springt das
Sprachrohr mit einem Salto vor das LPG-Banner. Er schlägt
ein Rad. Neuerlicher Applaus.
Marc
Hill: „An der Seite vom Greatest of All Time, dem GOAT
Robert Breads, dem Harbinger of Glory, dem HOG Maximilian
Lunenkind aka dem verdammt großartigen Pigster und dem
Sprachrohr werde ich meine POWER…“
„POWER!“
schallt mit einer schnell erkennbaren AI-Stimme aus den Boxen.
Marc
Hill: „…so richtig unleashen. Meine Karriere wird im
Ring neue Höhen erreichen und neben dem Ring wird mir die
LERBITZ PERFORMANCE GROUP dabei helfen, ein echter Wrestling-Star
zu werden.“
Zum
Glück hat Marc Hill den Namen Mike Müller längst
verdrängt. Vielleicht als Nebeneffekt seines
Selbstbewusstseins.
Marc
Hill: „Mirkan Uysal und der Rest der Förderkaders
haben HAMBURG nicht respektiert. Sie haben nicht das
Marketing-Potenzial meiner Herkunft erkannt und vor allem nicht
meine POWER im Ring. Und dafür werde ich sie bei War Evening
im Main Event in den Boden rammen. Das ist ein POWER-…“
Das
Sprachrohr: „…FAKT!“
Power-Fakt.
Der neue Virus der Marketing-Terms. Während Lorenz heftigen
künstlichen Applaus einspielen lässt, wiederholen Marc
Hill und das Sprachrohr den Ausdruck im Chor, um viralen
Wiedererkennungswert zu schaffen.
Marc
Hill: „POWER!“
Das
Sprachrohr: „FAKT!“
Marc
Hill: „POWER!“
Das
Sprachrohr: „FAKT!“
Marc
Hill: „POWER!“
Das
Sprachrohr: „FAKT!“
Marc
Hill & Das
Sprachrohr: „POWER-FAKT!“
Während
sich das Duo bei ihrem Geschrei verausgabt, da es mit dem
loopenden Applaus-Sample konkurrieren muss, kramt Lorenz etwas
hervor. Es ist ein T-Shirt. Stolz präsentiert er es den Fans
wie eine Trophäe. Dann reicht er es an Marc Hill. Der
Hamburger zögert keinen Moment und zieht es sich über
den Kopf. Er wirkt aufrichtig beglückt.
Sein
erstes eigenes Marketing-Shirt. Schon jetzt hat sich der Wechsel
zur LPG gelohnt.
Marc
Hill: „Ich bin MARC HILL und stolzer Teil der LPG. Ein Wort
an meine Crew…“
Er
wendet sich Lorenz und dem Sprachrohr zu und klopft ihnen jovial
auf die Schulter.
Marc
Hill: „…ihr seid die Besten. Und ein Wort an die
Versager des Förderkaders. Springt lieber von Bord. Sonst
gibt es Fischbrötchen mit Faustgeschmack! POWER…“
Das
Sprachrohr: „…FAKT!“
„MEINE
SEHR VEREHRTEN DAMEN UND HERREN UND ALLE DIE ZU STABIL SIND SICH
MIT DIESEN KATEGORIEN AUFZUHALTEN!“
Pete:
„Uh oh.“
Laut und
kräftig dringt die Stimme durch die Lautsprecher ins Innere
der Arena. Im ersten Moment dachte man noch, es wäre Zeit
für den 6-Men Main Event, auch Mike Kontrak und Laura stehen
schon bereit im Ring und wirken nicht weniger irritiert, als
Sven, Pete oder tatsächlich der gesamte Rest der Arena.
„ICH
PRÄSENTIERE FEIERLICH…“
Während
sich der Vorhang schon schemenhaft bewegt, dringt das Rasseln
einer Kette ebenfalls in die hörbare Geräuschkulisse
ein.
Drake:
„Diesen elenden Bastard.“
Mit kaltem
Blick, Kapuzenjacke und Cargohose wie so oft tragend, tritt Drake
Nova Vaughn auf die Bühne. Das Mikrofon abgesetzt, zerrt er
mit beiden Händen etwas – oder besser jemanden –
hinter sich her.
Dort im Staub
der Bühne, an einer Kette geschleift, die in einem
Hundehalsband um seinen Nacken endet, liegt der Mann, der in
Santas Outfit bei Aurora noch einen Stuhl über Drakes Kopf
zerschlug.
Sven:
„DER WEIHNACHTSMANN!“
Pete:
„GESCHIEHT IHM RECHT!“
Sven:
„ES IST DER WEIHNACHTSMANN!“
Pete:
„GERECHTIGKEIT!“
Sichtlich
zufrieden mit sich selbst, hebt Vaugh einen Mundwinkel, bevor er
mit einem hörbaren Laut die Kette in einer Hand doppelt legt
und dem Weihnachtsmann damit einen harten Schlag über den
Rücken verpasst.
Drake:
„Ich denke, es ist Zeit… Dass wir alle mal die Luft
anhalten und uns überlegen, worum es hier eigentlich geht.
Denn ich weiß, ich mag vielleicht auf manche nicht so klar
oder da oder whateeeeeeeeeeeeeeeeeeeever gewirkt haben ABER ich
glaube TROTZ ALLEDEM muss trotzdem ICH trotzdem wieder der
trotzdem Vernünftige sein. Also….“
Unter einem
von Erschöpfung erstickten Laut des Schmerzes rührt
sich der Weihnachtsmann unter dem zweiten Hieb.
Drake:
„SCHNAUZE!“
Erneut knallt
der Stahl auf den blanken Rücken, über welchem das
Rot-Weiße Outfit zerrissen wurde.
Drake:
„Wir sollten uns alle mal besinnen… Wegen
weihnachten versteht ihr. Wir sollten uns alle mal besinnen,
Worum es hier geht. Denn ich sag´s wie es ist. Ich war
stolz, diese Titel getragen zu haben. Sie sind weg. Ich war froh,
mit Zane gemeinsam kämpfen zu können, ich liebe Zane,
er ist verletzt. Ich hatte… Mitleid mit jemandem, der
irgendwie in Spielchen der Hasen gezogen wird, unschuldig. Aber
es geht nur um… ach ja.“
Er blickt nach
unten.
Drake:
„Weihnachtsmann my Ass, das näheste am Weihnachtsmann,
das wir haben, sind Flaschenpissende misshandelte
Amazon-Mitarbeitende. Aber wenn. Und das sage ich in aller
Deutlichkeit. WENN jemand meint, Leviathan sei nicht mehr der
Name, wenn es um Terror hier geht, WENN jemand meint, dass jetzt
schon alte Männer in lustigen Outfits und featuring
Stockholm Syndrom mir ans Bein pissen können, dann betet ihr
besser zu an was auch immer ihr glaubt. Und mit JEMAND…
Meine ich dich. TYLER.“
Ein Würgelaut
entrinnt dem Mann am Boden, als Vaughn mit aller Wucht an der
Kette reißt.
Drake:
„Du… und deine ganze Familie. Ich glaube, ja, ich
weiß, dass wir da noch einiges zu bereden haben, hm? Also
tun wir das doch. Ich werde warten. In diesem Ring da vorne. In
zwei Wochen. Du. Ich. Und lass deine dämliche Maske daheim.
Nicht JBDs Bastard. Nicht dein Säuferbruder. Nicht deine
Playmate Hasen. Nichtmal DER FUCHS. Nur wir zwei. Drake und
Tyler. Ganz… romantisch.“
Seine Hand
ballt sich verkrampft um die Kette, als er zwar zu Tyler, aber
gleichzeitig mit ausladenden Gesten und aufmerksamen Blick zum
gesamten Publikum spricht.
Drake:
„Du denkst vielleicht, du hast Schmerzen erfahren oder Leid
oder was immer du da meintest. Sünden des Vaters my Ass. Du
kennst noch keine Sünde Tyler. Bis heute hast du nur das
Paradies gekannt. Also kommt mit mir, du und ALLE die mich hören,
esst vom Baum der Erkenntnis, brecht aus, aus eurem Paradies von
Lügen, steigt ein in die Realität, die Realität
über die Familie des Hundes. Die Realität, dass ihr
Ende schon längst besiegelt ist… Und ich nur noch ein
Grab voller Parasiten plündern kann.“
Normalerweise,
und das hat er in seiner gesamten Karriere IMMER so gehalten, bei
jeder Show, bei jedem PPV, bleibt er, bis die Lichter ausgehen.
Ein altes, ungeschriebenes Gesetz unter Ehrenmännern besagt,
dass man, auch wenn man an einem Abend nicht gebookt wurde, die
Show bis zum Schluss zu Ende sieht. Das gilt zumindest für
diejenigen GFCW-Wrestler und -Wrestlerinnen, die noch Anstand und
Respekt für die Kollegen und Kolleginnen haben – und
im Grunde für das gesamte Business. D. h. es würde für
Leute wie z. B. Jimmy Maxxx oder Darragh Switzenberg nicht
gelten. Doch für ihn
gilt
es schon. Aber nicht nur, weil es so sein sollte,
sondern
weil er den Respekt vor den Kollegen tatsächlich
spürt.
Ja, selbst für Darragh Switzenberg, wie er schon betonte -
auch wenn er sich damit immer schwerer tut. Und, nun ja, dieser
Respekt im Grunde nur für Switzenbergs Inring-Fähigkeiten
gilt, wenn man es genau nimmt.
Aber
heute? Heute kann
er
einfach nicht. Er kann
es
einfach nicht. Zu nachhaltig war das heutige Gespräch mit
Darragh Switzenberg. Die Tatsache, dass er sein Anliegen heute
noch nicht klären konnte und nun weitere zwei Wochen warten
muss, wurmt und beschäftigt ihn – und nagt an seinem
Gemüt. Verunsichert ihn. Und so schultert Jason Crutch
tatsächlich seine Sporttasche – die er grundsätzlich
immer dabei hat. Man weiß ja nie.
Gekleidet
ist der Oberpollinger immer noch, wie wir es an ihm NOCH NIE
gesehen haben, in schwarz: schwarze Jeans, schwarze Jacke,
schwarze Basecap, die schwarz verspiegelte Sonnenbrille. Heute
ist ihm einfach nicht danach, noch mehr Zeit als nötig hier
zu verbringen. Und das alleine zeigt schon, wie aufgewühlt
JC derzeit ist. Das zeigt auch, wie sehr die Geschichte mit
Darragh Switzenberg an ihm nagt. Und vor allem die Niederlage bei
Aurora.
Gerade
führt er noch einen knappen Smalltalk mit einem vom
GFCW-Staff. Man kennt sich. Doch in Jason Crutchs Gesicht zeigt
sich keine Regung. Es bleibt bei einem Wortwechsel, bei dem
sicherlich nicht mehr als zwei, drei Worte Crutchs Mund
verlassen. Und schon setzt er sich auch wieder in Bewegung, immer
weiter in Richtung Ausgang. Er wirkt beinahe wie eine
Fremdgestalt.
???:
„Hey Mann….wo willst du denn schon hin?“
Er
hält unvermittelt inne. Der Ruf galt eindeutig ihm. Sein
Blick wandert in die Richtung des Rufs. Und er sieht den ominösen
Rufer. Crutch verlässt seine Route, die er eigentlich
Richtung Ausgang hätte nehmen müssen, und biegt
halblinks ab. Nach einigen Schritten, bei denen ihn die Kamera
natürlich begleitet hat, bleibt er stehen – und wir
sehen, WER ihm da gerufen hat. Und wer ihn veranlasst hat, sein
angestrebtes Ziel, den Ausgang, zu ändern. Und als sich die
beiden Herrschaften hier gegenüber stehen, geht zunächst
ein lautes Raunen durch das Rund der Halle – das diese
Bilder natürlich auf der Videoleinwand sehen kann. Denn in
all den Monaten seit Jason Crutchs Comeback sind sich diese
beiden Männer nicht vor der Kamera begegnet.
Der
geheimnisvolle Rufer ist der amtierende GFCW-Heavyweight-Champion
Ask Skógur, der Jason Crutch hier gegenübersteht. Und
der scheint doch sichtlich gut gelaunt.
Wieso
auch nicht? Bei Aurora hat er nicht nur seine lästigen
Gegner Luna Rosario und Aldo Nero besiegen können, nein, er
hat das auch noch in seinem Heimatland, vor seiner Heimatcrowd,
mit dem unfassbarsten Jubel getan, den er jemals bekommen hat.
Also,
wenn man danach nicht gut drauf ist, nach was dann?
Und
jetzt? Auf zu neuen Ufern. Neue Herausforderungen erwarten den
GFCW-Champion und eine davon dürfte wohl die GFCW-Legende
Jason Crutch sein.
Naja…
so ganz richtig ist das nicht. Aldo Nero hat unmissverständlich
erklärt, dass er mit dem Champion noch nicht fertig ist und
nach dem Match gegen Luna dürfte er wohl jedes Recht auf ein
neues Titelmatch haben. Aber trotzdem… so ein bisschen den
Ton angeben darf Ask als großer Champion schon auch mal.
Für
einen kurzen Moment steht man sich einfach wortlos gegenüber.
Dann streckt Jason Crutch die Hand nach vorne. Nicht zögernd,
nicht zu schnell. In genau dem richtigen Tempo, wie es für
eine Respektsbekundung vonnöten ist.
Jason
Crutch: „Freut mich, dich zu sehen, Ask. Bis auf die
Glückwunsch-SMS zu deinem Titelgewinn an Title Night und das
kurze Telefonat neulich haben wir uns noch nicht richtig viel
gesehen. In jedem Fall, so oder so: Glückwunsch zur
Titelverteidigung bei Aurora! Momentan führt einfach kein
Weg an dir vorbei! Und ein Champion wie du tut der
GFCW-Heavyweight-Championship einfach gut!“
Aha.
Ein Kontakt hat natürlich bestanden. Es geschieht viel
hinter den Kulissen, was wir nicht mitbekommen. Natürlich
sind sich der vielerorts als künftiger Hall of Famer
gehandelte Jason Crutch und der amtierende Heavyweight-Champion
schon begegnet.
… und
auch, wenn er es nicht nutzt, aber selbst ein Ask Skógur
scheint ein Telefon zu haben, mit dem er ab und an mit anderen
Menschen kommuniziert.
Ask
schaut auf die Hand von Crutch. Für einen Moment ungläubig,
denn viel zu oft ist Ask schon auf tatsächlich nette
Menschen in der GFCW hereingefallen, so oft, dass er daran kaum
noch glauben mag.
Und
doch… irgendwie will Ask einfach nicht zu dem zynischen
Griesgram werden, der sich seinen schlechten Erfahrungen hingibt.
Er
schlägt ein.
Ask
Skógur: „Ich danke dir, Mann. Echt cool zu hören.
Vor allem von jemanden wie dir.“
Dass
Ask großen Respekt vor legitimen Größen der
GFCW-Geschichte hat, ist keine neue Erkenntnis und das ist auch
bei Jason Crutch nicht anders.
Ask
Skógur: „Ist ein bisschen Zeit vergangen, seitdem du
mich damals zum Sieger gekürt hast gegen die Fists For
Future Foundation, was?“
Ask
deutet auf das Jason Crutch Invitational von Brainwashed 2023, da
war Jason Crutch der Guest Referee und hat tatsächlich Ask
zum Sieger gekürt, nachdem der zuletzt Thomas Camden
eliminiert hat.
Und
ja – seitdem ist ordentlich Zeit vergangen und Ask wurde
nicht nur Intercontinental, sondern nun auch World Champion der
GFCW.
Der
Oberpollinger wirkt nach wie vor angespannt, lässt keine
Emotion erkennen. Er kann nicht aus seiner Haut.
Jason
Crutch: „Ja. Tatsächlich ein toller Moment. Für
mich nach langer Abstinenz, aber sicherlich auch für dich.
Einer der ersten großen Würfe für dich, was? Aber
was war nochmal der Grund, für…ich war gerade…auf
dem Weg…“
Er
wirkt abwesend. Und Ask ist das nicht entgangen.
Ask
Skógur: „Naja, also… ich bleib bei meiner
Frage. Was treibt dich hier weg?“
Der
Begründer der Crutch-o-Mania kratzt sich etwas verlegen am
Hinterkopf, dass das Basecap verrutscht; das er aber sofort
wieder zurechtrückt.
Jason
Crutch: „Es ist…grade alles etwas schwierig. Du
weißt, wie Switzenberg mich bei Aurora einmal mehr
drangekriegt hat. Das Switziverse ist mir…momentan immer
einen Schritt voraus. Und das…das…“
Er
ringt selbst mit den Worten, wirkt geistesabwesend. Dann scheint
er sich selbst ruckartig aus seinen Gedanken zu reißen.
Jason
Crutch: „…nun ja, es ist schwierig, verstehst du?
Aber, siehst du…in manchen Momenten zweifelt man dann auch
wieder. Ich weiß, ich sollte nicht an mir selbst zweifeln
und gerade ich als alter Haudegen…aber ich kann nicht aus
meiner Haut. Ich bräuchte einfach…“
Wieder
ist er auf der Suche nach Worten. Einfach, weil er sich gerade
selbst nicht schlüssig ist, was er braucht. Und
wahrscheinlich tut es ihm gerade gut, sich einfach mit
irgendjemandem auszutauschen.
Jason
Crutch: „…ich bräuchte…den Kick. Sowas
wie eine ordentliche Vorbereitung. Verstehst du? Auf das, was so
ansteht. Ich…ich weiß auch nicht. Ich hänge da
gerade etwas in der Luft. Und…irgendwie weiß ich
selbst grad gar nicht, was ich überhaupt brauche…“
Ask
Skógur: „Du brauchst eine ordentliche Abreibung, das
denke ich.“
Ask
sagt das vielmehr scherzhaft, fast schon auf eine kumpelhafte Art
und Weise, als ob er und Crutch sich schon viel länger
kennen würden, als es hier den Anschein trägt.
Aber
all zu verschieden sind sich er und Crutch wohl auch nicht, vor
allem nicht, was deren moralischen Standpunkt zum Wrestling
angeht. Also wieso nicht auch mal etwas positive Vibes in der
sonst so bösen und tristen Wrestling-Welt der GFCW?
Ask
Skógur: „Switzenberg… issn dummer Penner. So
viel ist klar. Und du… du bist eine Legende. Ich denke
nicht, dass du eine Vorbereitung auf irgendwas brauchst, aber
falls du ein Match willst, dass dich richtig fordert, ohne
Eingriffe oder irgendwas sonst… nein, ein richtiges Match,
wie es sich gehört… dann musst du es nur sagen.“
Und
damit mein Ask mehr als offensichtlich sich selbst. Der Champion
scheint wohl auch seine Vorstellung davon zu haben, wen er
herausfordern will und wen nicht – und genau das vertritt
er auch. Er will kämpfen und bestenfalls mal ohne unnötigen
Stress von außerhalb.
Und
Crutch? War das ein Anflug von einem Lächeln? Es ist keines
der Lächeln Nr. 01 – 13. Nun ja, höchstens das
Lächeln Nr. 08 geht annähernd in die Richtung. Aber
welcher Nummer man dieses Crutchsche Lächeln auch zuordnen
möchte: ein Mundwinkel scheint nach oben zu zucken. Ist es
wirklich DAS, was Jason Crutch gerade braucht? Eine
Herausforderung? Ein Match, auf das er sich freuen kann? Ein
Match, auf das er sich zu 100% fokussieren kann, einfach, weil er
weiß, dass Ask Skogur ein fairer Sportsmann ist. Und er
kann für dieses Match sämtliche Rahmenbedingungen (wie
ein evtl. Eingreifen des Switziverse) ausblenden und sich nur auf
seinen Gegner konzentrieren. Dann nickt er. Und tatsächlich.
Das Mundwinkelzucken verwandelt sich in das bereits angesprochene
Lächeln Nr. 08! Crutch ist zufrieden!
Jason
Crutch: „Ich glaube, das ist es, was ich brauche. Ich
glaube, das ist genau diese Motivation, die mir noch gefehlt hat.
Ich brauche einfach ein Match, fernab vom Switziverse oder
irgendwelchen Stipulation, die mit ihnen zusammenhängen. Und
weißt du was? Ich akzeptiere! In zwei Wochen, Ask, treffen
wir uns in diesem Ring. Und niemand sonst wird dort sein, außer
du, mir und dem Referee und die Frage: wer ist bessere Mann?“
Er
will sich schon abwenden. Dann hält er aber doch nochmal
inne. Und sein Lächeln Nr. 08 verwandelt sich plötzlich.
Es ist dieses fiese Lächeln, das etwas schelmische. Und er
wendet sich noch einmal an Ask.
Jason
Crutch: „Obwohl ich die Antwort auf diese Frage schon
kenne. Denn, vertrau mir: ich BIN besser als du.“
Dieser
freundschaftlich gemeinte Seitenhieb in Form seiner jahrealten
Catchphrase musste einfach sein.
Ask
scheint zufrieden. Keine Ahnung, das wie vielte Lächeln das
ist, aber es ist Asks Lächeln, mit dem er auf Crutchs
Annahme des Matches reagiert. Ein Lächeln, das man in Fehden
gegen Aiden Rotari, Luna Rosario und Aldo Nero schon lange
vermisst hat.
Aber
wo würde es sich besser anbieten, als wenn sich ein so
gewaltiges Match für eine War Evening Ausgabe anbahnt?
Ask
Skógur,
der aktuelle GFCW-Champion
Vs. Jason
Crutch,
der Rekord-Champion
6
Men-Tag Team-Match:
LPG
(Das Sprachrohr & Maximilian 'The Greatest Pigster'
Lunenkind & Marc Hill) vs. Förderkader (Bene Zampach
& PJ Smidt & Ethan Carlyle)
Referee: Mike Kontrak
Der
wabernde Song der Snow Strippers kündigt das Team der
Lerbitz Performance Group an – inklusive neuem
Mitglied.
Der
Greatest Pigster tritt zuerst heraus, in voller Montur,
während er begeistert grunzt. Nach seinem Triumph bei
Aurora lässt er es sich natürlich nicht nehmen, ein
T-Shirt mit dem bei der Pressekonferenz zur Schau gestellten
Bild darauf in die Luft zu halten, und etwas von „nur
44.99 € plus Versand!“ in die Menge zu brüllen,
während er ohne Erfolg mit den Fingern das
GILDAN-Etikett verdecken möchte. Begleitet wird er von
Monica Shade, sichtlich entschlossen den Pigster bei seinem
Duell am heutigen Tag zu unterstützen, die natürlich
das Gehirn hinter der gesamten Operation – Lady Rosi –
mit sich trägt.
Darauf
folgt der Auftritt des neuen Mitglieds – Marc Hill. Er
ist muskulös, er hat ein breites Grinsen im Gesicht, und
er ruft „POWER!“, während der Pigster auf
das Shirt von Hill deutet und etwas von „genauso
günstig wie ein HSV-Trikot!“ brüllt. Mehr
kann man nicht wirklich hören, die Musik ist zu laut.
Es
folgt zu guter Letzt das Sprachrohr. Das Sprachrohr sieht aus
wie immer und guckt wie immer und ist halt das Sprachrohr.
Das ist ein FAKT.
Diese
seltsame Truppe macht sich nun auf den Weg zum Ring, wo der
Förderkader sie mit einer Triade von finsteren Blicken
mustert. Das scheint den Jungs von Lorenz aber in diesem Fall
egal zu sein, sie scheinen das sogar gut zu finden. Sollten
sie hier gewinnen hätten sie auch bei Robert Breads mit
Sicherheit ein Stein im Brett. Ein Stein im Breads? Ist das
was? Nein? Egal. Also, wäre halt gut, ihr checkt schon.
So
oder so, die Partizipierenden stehen entweder auf dem Apron
oder – im Falle von Bene Zampach und dem Sprachrohr –
im Ring.
Es
geht los.
Zampach
ist deutlich aggressiver als das Sprachrohr, was vermutlich
durch die Ereignisse beim PPV gut erklärbar ist. Dort
hat Bene gelernt dass er das Sprachrohr definitiv besiegen
kann, aber das Sprachrohr hat eben auch aus dem Duell mit
Zampach gelernt. Es ist heute besonders provokant mit seinen
athletischen Ausweichmanövern, völlig unnötig
und gewollt spektakulär, aber jedes Mal applaudieren der
Pigster und Hill auf dem Apron.
Das
sorgt nur noch mehr dafür, dass Bene dem Rohr endlich
eine reinwürgen will, während er Hill wütende
Blicke zuwirft. Das genügt dem Sprachrohr, einen
DDT-Konter zu setzen, und dann Marc Hill einzuwechseln, der
sich genüsslich seinen alten Partner nimmt und durch die
Luft wirbelt, bevor er ihn per Slam zu Boden klatscht.
„POWER!“
Der
Pigster und das Sprachrohr schreien dieses Wort begeistert,
als Hill seinen Move durchbringt. Das Cover funktioniert
natürlich noch nicht, aber dass Marc überhaupt
glaubt hier schon gewinnen zu können ist irgendwie
Provokation an sich.
Bene
will sichtlich unbedingt mit Marc kämpfen, aber ist im
Hintertreffen, und so muss sich Ethan selbst einwechseln, um
das Match für den Förderkader zu retten. Auch Ethan
ist wütend, hat er selbst doch gerade den Deal von Hill
abgelehnt, aber bei ihm äußert sich das nicht in
Punches oder wilden Attacken, sondern in dem Versuch,
aggressives Grappling anzubringen, um Hill auf die Matte zu
kriegen.
Das
Problem dabei ist, dass Ethan als Ringer eine viel bessere
Technik als Marc hat – und das auch ausspielt –
aber Hill zumindest muskulös und kräftig genug ist
um durch manche Aktionen schlicht durchzupowern. Dazu kommt,
dass Robert Breads sicherlich den einen oder anderen Tipp an
Hill gegeben hat, wie man mit Ethan umzugehen hat, während
Carlyle von allen Förderkader-Wrestlern am wenigsten
Zeit mit Marc im Training verbracht hat.
Carlyle
kann sich langsam, verbissen und wütend, einen Vorteil
erarbeiten, und genau an diesem Punkt taggt sich der Pigster
ein. Sofort geht er mit dreckigen und miesen Attacken auf
Ethan los, wenig spektakuläre Aktionen wie Clotheslines
oder Punches, aber immer mit einem Kratzen, Ziehen oder
anderem kleinen miesen Trick dabei. Von Seiten von Monica und
Lady Rosi gibt das trotzdem (in Teilen stummen) Support.
Man
sollte dabei nicht vergessen, dass Lunenkind der einzige
Veteran im Ring ist, mehr als zehn Jahre Erfahrung und eine
Menge Selbstvertrauen durch den Sieg beim Pay-Per-View. Und
immer, wenn Ethan irgendwie die Kontrolle zu erringen
scheint, ruft Marc Hill etwas vom Apron, und die
Aufmerksamkeit von Carlyle wechselt.
Es
ist ziemlich ersichtlich, dass die LPG einen kohärenten
Plan hat – die Tatsache ausnutzen, dass jeder im
Förderkader in erster Linie Hill in die Finger kriegen
will – und als Team arbeitet, um das umzusetzen.
Währenddessen ist so etwas beim Förderkader nicht
zu erkennen, das sind drei Einzelwrestler mit einem eigenen
Plan, aber keiner davon ist im Rahmen eines Six Man Tags zu
Ende gedacht.
Mangelndes
Coaching für ein paar Rookies, könnte man annehmen.
Währenddessen hat die Gegenseite einen Lunenkind im Ring
und einen Breads im Hintergrund, dem sicherlich sehr viel
daran liegt, wie dieses Match hier ausgeht.
Schließlich
gelingt es Ethan, den Pigster mit einem kraftvollen Suplex
lange genug von sich zu werfen, um in die eigene Ringecke zu
gehen, und PJ Smidt einzuwechseln. Der hat die Augen schon
auf Marc Hill fokussiert, der gerade dem Pigster auf den
Rücken schlägt. Das wertet Smidt als Wechsel, hat
aber nicht gesehen, dass das Sprachrohr sich bereits
eingewechselt hat, weshalb die Berührung von Marc nichts
bedeutet. Der Fokus auf den Verräter ist zu groß.
Und
so stürmt PJ auf Hill zu, der vom Apron herabspringt, um
dem brutalen Forearm auszuweichen, und das Sprachrohr rollt
PJ Smidt von hinten ein!
Bei
2,9 kommt er nochmal heraus, aber das wirklich knapp, und
dass niemand vom Förderkader-Team auf das Sprachrohr
geachtet hat, während die LPG ein cleveres kleines Set
Piece vorbereitet hat, unterstreicht noch einmal den in
diesem Match deutlich werdenden Unterschied.
Man
muss PJ allerdings zu Gute halten, dass er sich gegen das
Sprachrohr wirklich stark schlägt. Das Sprachrohr ist
kein Wrestler mit einer starken Offensive und nicht besonders
clever was Strategie angeht, aber es überhaupt erstmal
in die Finger zu kriegen ist nicht leicht. PJ stellt ein paar
Fallen, stellt sich schwächer als er ist, und das
Sprachrohr traut ihm so ein Level an Tricks nicht zu, weshalb
er das eine oder andere Mal in die Falle tappt.
Das
sehen auch der Pigster und Hill, weshalb sie das eine oder
andere Mal versuchen, für Ablenkung zu sorgen, und Smidt
ist bislang der Fokussierteste auf das In-Ring-Geschehen,
kann sich aber ebenfalls ein paar Side Eyes Richtung Marc
Hill nicht verkneifen. Schließlich wechselt er Bene
Zampach ein, der bei Aurora bereits beweisen konnte, dass er
das Sprachrohr besiegen kann.
Das
Problem ist auch hier: Das ist oberflächlich und nicht
zu Ende gedacht. Beim PPV hat das Sprachrohr einen La
Magistral Cradle probiert, wurde ausgetrickst und überrascht
und so konnte Bene gewinnen. Dieses Mal versucht das
Sprachrohr diesen Move erst gar nicht, und so ordentlich die
Offensive von Zampach auch ist, ihr fehlt die Wucht von
Carlyle und Präzision von Smidt.
Letztlich
hat das Sprachrohr einen ähnlichen Stil und weiß,
wie man aus gewissen Moves heraus kommt. So kontert das
Sprachrohr schließlich einen Crossbody mit einem
Dropkick – und wechselt Marc Hill ein.
„POWER!“
Das
jault der Pigster vom Apron, als der Verräter in den
Ring steigt. Mit einem Grinsen schnappt sich Hill den
angeknockten Zampach, und wie um ein Zeichen zu setzen wirft
Marc seinen ehemaligen Partner durch den Ring direkt vor die
Füße von Carlyle und Smidt.
„POWER!“
Begeistert
von dieser Kraftdemonstration kreischen das Sprachrohr und
der Pigster wieder vom Apron, und sowohl Ethan als auch PJ
strecken die Arme aus, wollen eingetaggt werden und es mit
Hill aufnehmen.
Aber
Zampach schüttelt den Kopf und meint, das ist seine
Sache.
Und
stürmt blind auf Hill zu – der ihn direkt mit
einem Snap Powerslam abfängt, bei dem er sein ganzes
Gewicht auf Bene drückt.
„POWER!“
Der
begeisterte Schlachtruf erklingt erneut, aber nicht mehr vom
Apron. Das Team der LPG hat antizipiert. PJ und Ethan wollen
gerade den Ring stürmen, als sie von hinten herunter vom
Apron gezogen werden – da sind das Sprachrohr und der
Pigster. Sie setzen keine vernichtenden Aktionen, sie
verwickeln die Rookies bloß in einen Brawl, um sie
abulenken.
Das
sollte reichen.
Hill
ist nämlich im Ring am Drücker, und zieht Bene am
Arm hoch, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Doch Bene
kennt Marc – und dessen Angewohnheit, zu früh
siegessicher zu sein. Und deshalb zieht Zampach ihm die Beine
weg, greift mit den Armen zu, und fängt Marc Hill in
einem Inside Cradle!
Der
geht bis kurz vor drei.
Beide
springen auseinander, aber Zampach musste etwas mehr
einstecken und ist einen Moment langsamer. Das reicht, damit
Hill ihm in den Magen treten kann.
Der
Verräter zieht Zampach zu sich heran. Stemmt ihn in die
Luft.
POWERBOMB!
Bei
Brainwashed war dieser Move noch ein Triumph des
Förderkaders. Hill fährt den ersten Sieg ein, gegen
die LPG – es fühlt sich an, als wäre das eine
Ewigkeit her. Hier ist es nun eine Art trauriger Sargnagel,
eine Perversion von etwas das hätte sein sollen, aber
nicht ist. Hill pinnt Zampach, während der Pigster und
das Sprachrohr Carlyle und Smidt davon abhalten, in den Ring
zu klettern. Und dabei schreien beide wie verrückt diese
eine Wort.
Eins…
„POWER!“
Zwei…
„POWER!“
Drei!
Sieger
des Matches durch Pinfall: Lerbitz Performance Group (Marc
Hill, The Greatest Pigster & Das Sprachrohr)
Referee
Mika Kontrak hebt den Arm des grinsenden Marc Hill, ehe
dieser blitzartig aus dem Ring rollt. Ethan und PJ sind
herein geslidet, um sich Hill zu packen, aber der ist clever
(oder feige) genug, um direkt zu fliehen. „Die richtige
Entscheidung!“, brüllt Marc, deutet auf sein Team,
und das Sprachrohr untermalt das mit einem „FAKT!“.
Monica sieht währenddessen nach dem Greatest Pigster,
der Lady Rosi ein glückliches „POWER!“
entgegen brüllt. Die seltsame Truppe holt den Sieg, das
neueste Mitglied würgt dem Förderkader einen rein –
eine gute Woche für die Gruppe, die sich nun verzieht
und die Verlierer allein zurücklässt.
Die
Kamera schwenkt herum. Während im Hintergrund noch der
Triumph der LPG zu sehen ist, der von dem Trio ausgiebig bejubelt
und mit POWER-Rufen untermalt wird, tritt der Förderkader in
den Vordergrund.
Bene
Zampach, PJ Smidt und Ethan Carlyle sitzen auf der Matte, teils
mit dem Rücken an die Ringseile gelehnt. Ihre Gesichter sind
voller Frustration, die Blicke leer. Zwei Scheißwochen für
die Nachwuchstruppe enden mit dem bisherigen Höhepunkt. Im
negativen Sinne. Nichts ist geworden aus der Rache an Marc Hill –
nein, der Verräter hat sie geschlagen und deutlich gemacht,
dass seine Entscheidung pro LPG möglicherweise der richtige
Weg ist.
Sven:
„Sie wurden von Marc Hills POWER zu Boden gebracht. Pete,
das passiert sonst nur, wenn ich im Bett mit deiner Mu…-„
Pete:
„Die Frage ist: Welchen Einfluss hatte das Fehlen von
Mirkan Uysal? Wir haben es zuvor gehört: Zwei Wochen lang
war er nicht aufzufinden. Und auch jetzt ist keine Spur von ihm.“
Eine
Frage, die nicht beantwortet werden kann. Die Spekulation bleibt.
Denn jetzt ist die Messe gelesen, das Ergebnis offiziell
eingetragen. Und es müßig, darüber zu
diskutieren, ob es sich anders entwickelt hätte, wenn Mirkan
Uysal seine Jungs am Ring unterstützt hätte. Wenn der
Trainer seinen Aufgaben nachgekommen wäre.
Langsam
erheben sich die Drei vom Förderkader. Zampach und Smidt
schauen einander an, unisono zeigen sie ein frustriertes
Kopfschütteln. Dann stemmt sich auch Ethan Carlyle hoch. Der
Kanadier stemmt die Hände in die Hüften und schaut sich
im Hallenrund um. Zwei Wochen nach seinem bisherigen
Karrierehöhepunkt, als er vor Tausenden gut gegen Robert
Breads mithielt, ist er in seine erste Krise geschlittert. Seine
Bilanz lautet: 0-3.
Alles
sieht aus, als ob die Show zu Ende geht.
Da
erscheint auf der Rampe eine Person.
…
…
…
Sven:
„Mirkan Uysal!“
Die
Fans bemerken es jetzt auch. Blicke wandern hinüber zur
Rampe, je mehr Zuschauer auf das unerwartete Auftauchen
aufmerksam werden, umso lauter wird das Gemurmel in den Reihen.
Uysal
sieht auf den ersten Blick aus wie immer: Unauffälliges
Shirt. Jeanshose. Die Haare mit viel Gel nach hinten gezogen.
Doch sobald die Kamera näher kommt, wird deutlich, dass sich
etwas verändert hat.
Mirkan
Uysal…sieht gebrochen aus.
Mit
einem Blick, der ins Nirgendwo geht, der kaum das Trio im Ring
erfasst, starrt er vor sich her. Die Schultern sind nur aus
Gewohnheit hochgezogen, in der Körpersprache liegt kein
gesundes Selbstbewusstsein mehr. Und in seiner Hand wiegt er ein
Mikrofon hin und her, so als wäre es schwer und aus Stein.
Mehrmals
setzt er an, etwas zu sagen. Mehrmals gibt er auf.
…
…
…
Dann
endlich führt er das Mikrofon zum Mund. Er nimmt den Mut
zusammen, der ihm geblieben ist. Er wagt einen Blick zu den
verbleibenden Drei im Ring.
Und
sagt, was er zu sagen hat.
Mirkan
Uysal: „Ich habe versagt.“
Unruhe
im Publikum. Manche wollen Uysal widersprechen und ihn
aufmuntern. Andere nehmen die klare Aussage einfach mit
Überraschung hin. Schadenfreude gibt es kaum. Sein
Verschwinden heute hat nicht dazu geführt, dass Uysal viele
Sympathien verloren hat.
Mirkan
Uysal: „Ob bei Rasmus oder bei Marc. Ob im Ring gegen
Robert Breads. Und vielleicht auch bei den vorherigen
Generationen des Förderkaders. Niemand von meinen damaligen
Jungs hat den Sprung an die Spitze geschafft.“
Seine
Stimme wird mit jedem Wort fester. Er begann brüchig, nun
spult er die Worte ab, die er sich offenkundig länger
zurechtgelegt hat.
Mirkan
Uysal: „Vielleicht habe ich den Mut verloren. Vielleicht
auch mein Gespür.“
Er
blickt zu Boden, atmet schwer. Die Schultern heben und senken
sich.
Mirkan
Uysal: „Nur eine Sache werde ich nie verlieren: Mein
Verantwortungsgefühl.“
Dann
heben sich seine Augen wieder. Sie suchen erst die Kamera, dann
wandert der Blick zurück zum Trio im Ring. Schweigend
verfolgen Smidt, Zampach und Carlyle, was ihr Trainer zu sagen
hat. Der Coach, der zwei Wochen für sie nicht erreichbar
war.
Mirkan
Uysal: „Und mein Verantwortungsgefühl sagt, dass es
nur eine Konsequenz geben kann.“
…
…
…
Mirkan
Uysal: „Ich trete mit sofortiger Wirkung zurück.“
„OOOOOH!“
Dumpfer
Klang über die Lautsprecher, als das Mikrofon auf die Rampe
fällt. Uysal steht einen Augenblick zusammengesunken dar.
Dann wendet er sich ab und geht mit hängendem Kopf, ohne
einen letzten Blick zurück, durch den Vorhang.