Wir befinden
uns in einer eher ländlich wirkenden Gegend. Wir hören
Autos, die vorbei brausen und sehen den kirschroten Truck von
Frank Bobo, wie er auf leicht sandigem Untergrund direkt neben
einem Baum geparkt ist. Es wirkt so, als stünden wir an
einer abgelegenen Raststätte oder ähnlichem und wir
erkennen wir Frank, wie er gerade an den Felgen von Madison II
herum poliert.
Die Kamera
fährt näher und näher an Frank heran.
Näher.
Näher.
Bis sie direkt
hinter im Halt macht. Frank pfeift ein Liedchen und es passiert
erst einmal nichts. Der Kameramann räuspert sich. Jetzt
reagiert Frank dann endlich, er steht auf wie ein HB Männchen,
mit einer Hand reibt er sich den Hinterkopf und lächelt mit
geschlossenen Augen.
Frank:
"Euch hab' ich ja gar nicht erwartet, ne?"
Peinliche
Stille, denn der Kameramann antwortet logischerweise nicht.
Frank:
"Aber es trifft sich gut, dass ihr hier seid. Ich hab' da
nämlich was, was ich euch zeigen muss!"
Frank
präsentiert sein schwarzes, von Kautabak Konsum geprägtes,
Lächeln und an den Bildschirmen hoffen wir, dass es nicht
das ist, was er uns so dringen zeigen wollte. Wieder haben wir
eine kleine, peinliche Pause. Frank ist sichtlich nicht gewohnt,
dass er keine Reaktion bekommt, aber er versucht es zu
überspielen.
Frank:
"Habt ihr euch nicht schon immer gefragt: 'Wie zur Hölle
schafft es dieser Trucker so glänzende Felgen zu haben?' Ja,
habt ihr, ne?"
Man möchte
fast NEIN in den TV brüllen.
Frank:
"Ich werde nämlich andauernd auf die glänzenden
Felgen von Madison angesprochen! Und heute verrate ich euch, wie
auch ihr so glänzende Felgen kriegen könnt. Ganz
einfach!"
Der Trucker
greift sich eine Flasche seiner Politur, die er zuvor geschickt
hinter seinem Rücken platziert hatte. Es sieht fast gar
nicht gespielt aus. Eine Schauspieler-Karriere kommt für den
Trucker wohl nicht in Frage, wenn es im Ring nicht mehr für
ihn reichen sollte.
Frank:
"Franks Bobolitur ist ein altes Familienrezept in der ersten
Generation und nur wenige Tropfen..."
Er versucht
den kleinen Text von der Rückseite der Flasche abzulesen.
Frank:
"... reichen, um die glänzendsten Felgen zu bekommen!
Auftragen - Polieren - Glänzen! Mit diesen drei einfachen
Schritten werden ihre Felgen funkeln, wie noch nie zuvor, ne?"
Dann hält
er die Flasche in die Kamera. Ein kleines, aber feines
Fläschchen, offenbar mit großer Wirkung.
Frank:
"Auch für Titelgürtel geeignet!"
Der
Trucker grinst fröhlich weiter in die Kamera und die Szene
fadet langsam aus.
Singles
Match:
Zane
Levy vs. Kyle Douglas
Referee: Mike Kontrak
Wir
hören gerade noch die letzten Klänge von Kyles
Theme, wie sie von der dämpfenden Wirkung der unruhigen
Crowd geschluckt werden, da verdunkelt sich die Halle auch
schon, um die Bahn frei zu machen und den Vorhang zu öffnen
für seinen heutigen Gegner.
Sven:
„Willkommen zurück, liebe GFCW Galaxy und nachdem
wir schon fast befürchten mussten, diese beiden schaffen
es nicht bis hier her… Wir sind bereit.“
Es
sind unheilvolle Nebelschwaden, welche den Beginn von
Motionless in Whites „Headache“ begleiten, doch
als in den die Arena kaum erhellenden violetten Scheinwerfern
die Umrisse des Mannes auftauchen, der sich früher am
Abend fast schon hinter den Kulissen mit Kyle Douglas an die
Kehle gesprungen war, wird schnell klar, dass das hier nicht
so abläuft, wie es vermutlich im Ablaufplan der
Verantwortlichen stand.
Pete:
„Sven, seit wir bei…“
Begleitend
zu Petes Einleitung zu Zane Levy und der Situation, welche
sich entwickelt hatte bricht die alle in ein lupenreines
Pfeifkonzert aus. Die Zeit für Nuancen zwischen Zane und
Drake war vorbei. Die Reaktion ist die, welche Levy wohl
wollte. Also soll er sie bekommen. Zu beliebt, zu angesehen
ist die Douglas Dynasty in der Galaxy mittlerweile. Doch
weiter kommen wir auch nicht.
Keine
Ansage, keine Entrance-Kleidung, kein langsamer Gang –
weg mit der Prozedur. Levy sprintet durch den Vorhang und
schießt mit dem Schwung einer Abrissbirne unter dem
untersten Ringseil hindurch.
Nicht
gerade überrascht, und augenscheinlich erst recht nicht
unzufrieden, stürzt sich Kyle nach vorne, wo er von Levy
schon getroffen wird und wild knallen die Fäuste der
beiden an die Schläfen des Gegenübers.
DING
DING DING
Hektisch
läutet Mike Kontrak das Match an, während ähnlich
hastig Backstage dafür gesorgt wird, die Beleuchtung
wieder herzustellen. Mehr wohl zum Wohle der Kameras und
Zuschauer, den beiden Männern im Ring dürfte
herzlich egal sein ob es hell oder dunkel, in Himmel oder
Hölle ist. Wobei… vermutlich wäre ihnen
letzteres hier fast noch lieber. Wenn nur, um den anderen
dort zu lassen.
Pete:
„Mike Kontrak läutet das Match. Los geht’s!“
Sven:
„Ich hätt´s mir nicht schöner
vorstellen können! Ab geht die Post!“
Aus
dem ersten, wilden, Schlagabtausch ausbrechend, sprintet Zane
sofort wieder los, vermutlich will er seine Geschwindigkeit
als schärfste Waffe einsetzen. Kyle ist aber vorbereitet
und fährt den rechten Arm vertikal aus. Zane duckt sich
unter dieser wuchtigen Clothesline
aber hinweg, federt in die Seile und kommt mit einem
Tilt-a-Whirl Headscissors Takedown zurück,
der Douglas in einem wunderbaren Salto auf die Bretter
schickt. Wie eine Hyäne schmeißt er sich sofort
auf Kyle drauf und drischt mit Nägeln, Zähnen und
Fäusten auf diesen ein, bevor der gelernte Ringer seinen
Kontrahenten von sich stoßen kann.
Levy
bleibt aggressiv, federt erneut in die Seile und trifft
Douglas mit einem blitzschnellen Basement
Dropkick, als dieser gerade erst dabei war, auf die Beine zu
kommen. Donnernd trifft Kyles Ellbogen Zanes Lippe, als
dieser erneut auf ihn zuspringt, welche sich sofort öffnet,
was jedoch herzlich egal ist.
Douglas
steht jetzt auf den Beinen, als Levy versucht, sofort wieder
mit einer weiteren Attacke,
diesmal aus dem Springboard, Schwung zu holen.
Doch nun ist der Ringer am Start, fängt ihn in der Luft
ab und schleudert ihn mit einem zerstörerischen
Release Overhead Belly-to-Belly Suplex quer durch den Ring.
Levy kracht hart auf die Matte,
doch er rollt sich geschickt ab und springt direkt wieder auf
die Beine.
Sven:
„Zane ist so stabil, der hat nach so einem Move von
Kyle doch nur ein müdes Lächeln übrig.“
Pete:
„Adrenalin ist ne höllische Droge, so nen
Aufschlag registriert den Körper, wenn auch den Kopf
erstmal nicht. Wart´s ab. Ewig geht sowas nicht.“
Douglas,
beeindruckt von Levys Zähigkeit, doch nicht weniger
angefressen, stürmt auf ihn zu, aber Levy weicht
blitzschnell aus, taucht unter
einem Big Boot hindurch und setzt
mit einem Handspring
Elbow nach, der Douglas gegen die
Ringecke taumeln lässt.
Pete:
„Vielleicht kriegen wir doch die Wrestling-Show, die
wir uns erhofft hatten.“
Sven:
„Vielleicht, aber viele taktische Vorgaben werden hier
nicht eingehalten.“
Pete:
„Wir würden es nicht anders wollen.“
Levy
nutzt den Moment und springt in die Ecke auf Kyle zu, aber
Douglas hält ihn mit roher Kraft erneut fest und lässt
sich nicht werfen, treffen, treten oder was immer der
tollwütige Partner Drake Vaughns vorhatte. Stattdessen
hebt Douglas Levy mit purer Kraft auf seine Schulter und
zeigt einen brutalen
Alabama Slam, bei dem der
schmächtige Levy wie ein Stein auf den Boden knallt, der
Kopf eine Art Flummi immitiert.
Pete:
„Und diesmal geht’s hier alles andere als sofort
wieder auf die Beine!“
Douglas
schaut auf den am Boden liegenden Levy herab und packt ihn,
ohne zu zögern wieder hoch, während dessen Augen
glasig das Licht der Scheinwerfer reflektieren. Ohne größere
Mühe hebt er ihn für
eine Military Press über seinen Kopf
und wirft ihn wie eine Spielzeugfigur aus dem Ring. Levy
kracht unglücklich auf den Hallenboden.
Pete:
„Die körperliche Überlegenheit scheint doch
größer als ich dachte.“
Mit
einem lauten Schrei stapft Kyle aus dem Ring wie ein Troll,
der etwas gefunden hat, das er mit einer Keule zerschlagen
kann. Hektisch zerrt sich Zane an der Barrikade nach oben,
stolpert an dieser entlang, stößt dem ihn
verfolgenden Tag Team Champion noch die Ringstufen entgegen,
sowie einen Drehstuhl aus dem Zeitnehmerbereich. Während
Douglas rasend vor Wut den halben Ikea aus dem Weg räumt
stürzt sich der Purifier wieder in den Ring, nimmt
Anlauf und nutzt die Gelegenheit für
einen blitzschnellen Tope Suicida, der Douglas in die
Zuschauerabsperrung schleudert. Die Fans im Eissportzentrum
Westfalen toben, Zane hin oder
her, ob der wilden Action, während Levy das Momentum
nutzen will. Noch immer stolpert er ein wenig durch die
Gegend, stützt sich am Apron ab, doch weitergehen muss
es. Douglas würde bezahlen. Einmal durchatmend springt
er auf den Apron, scheint sich seines Gleichgewichts doch
sicher, denn es gibt den ASSAI MOONSAULT.
Douglas
reagiert, kassiert zwar viel der Wucht, doch kann sich nach
hinten werfen und so Levys Landung unschön verhindern.
Zane stürzt mit dem Hinterkopf in das Kommentatorenpult,
was zum ersten Mal so etwas wie Ruhe in das Match bringt, der
Tatsache geschuldet, dass beide flach atmend auf dem Boden
neben dem Ring liegen.
Kontrak
zählt beide an: 3……………….4…….
Levy
scheint aber keinen lamen Count-Out-Win forcieren zu wollen
und treibt Douglas mit wilden Hieben zurück in den Ring,
als sie sich langsam wieder aufgerafft hatten. Dort versucht
er die
Oberhand zu behalten. Er setzt Douglas mit einer Serie von
schnellen Tritten zu, die alte Leaviathan Schule, beendet mit
einem Enzuigiri gegen den Kopf. Douglas taumelt zurück,
was Levy die Chance gibt, ihn mit einem SPRINGBOARD
WHEELBARROW BULLDOG auf die Matte zu schicken. Doch Douglas,
so beeindruckend wie eh und je, rollt sich sofort wieder auf
die Knie und zeigt seine Kraft, indem er Levys Folgeangriff
schlicht ignoriert und ihn mit einem T-Bone Suplex abermals
quer durch den Ring wirft.
Sven:
„Wow! Kyle war nicht umsonst im olmpischen Turnier der
Schwergewichtsringer gemeldet!“
Pete:
„KEINE BREMSEN!“
Sven:
„Falscher Ringrichter.“
Als
Douglas sich ihm nähert, zieht Levy ihn mit
einem cleveren Drop Toe Hold auf
die Matte und schnappt sich seinen Arm.
Pete:
„Oh?“
Sven:
„Er sucht nach der Option für den Peacekeeper!“
Douglas
brüllt vor Schmerz, doch kann er sich nach ein paar
Sekunden wieder fokussieren. Levys Hold sitzt nicht perfekt
und Douglas muskuläre Kraft ermöglicht ihm, sich
aus dem Griff zu befreien, bevor es zu spät ist. Levy
wird mit einer einzigen Bewegung aufgehoben und über den
Kopf geworfen. Douglas steht langsam wieder vollständig
auf, knackt mit den Knöcheln und dem Nacken. Sidewalk
Slam!
Sven:
„Der halbe Ring wackelt mit.“
Pete:
„Halb?“
Cover?
Fehlanzeige. Hier ist lange nicht die Messe gelesen. Nene.
Douglas wirkt etwas genervt von Levys Gegenpressing über
weite Strecken und beginnt, noch härtere Geschütze
aufzufahren. Er greift Levy an den Haaren und zieht ihn auf
die Beine, nur um ihn mit einer Serie von brutalen
Forearm Smashes gegen die Brust zu
zermürben. Levy wankt, doch mit letzter Kraft duckt er
sich unter einem weiteren Smash. Kyles eigener Schwung reißt
ihn 180 Grad herum, was Levy ein Fenster gibt…
POISONRANA
Beide
Wrestler liegen erschöpft auf dem Boden, das Publikum
ist auch auf Betriebstemperatur.
Sven:
„Ich will ja schon fast sagen Instant Classic.“
Pete:
„Es gibt nichts besseres für uns, als grenzenlosen
Hass zwischen unseren Mitangestellten.“
Sven:
„Wilde Beschreibung unseres Jobs.“
Douglas
ist der Erste, der aufsteht. Er packt Levy und hebt ihn für
einen weiteren German Suplex, aber Levy schafft
es, sich in der Luft zu drehen und landet auf den Füßen.
Als Douglas sich überrascht umdreht,
wird er mit einem Pelé Kick erwischt, der ihn zurück
in die Ringecke taumeln lässt. Levy sprintet auf ihn zu,
springt auf die zweite Ringseil-Ebene und zeigt einen
schnellen Tornado DDT, der Douglas' Kopf
hart auf die Matte befördert. Doch auch das reicht nicht
aus, um Douglas in die Knie zu zwingen – er rollt sich
aus dem Ring, um Luft zu holen.
Sven:
„Da bist du nicht sicher vor Zane…“
Mit
einem blitzschnellen Anlauf rennt Zane auf die
gegenüberliegenden Seile zu, federt zurück
und springt mit einem Over-the-Top-Rope Corkscrew Plancha
über das oberste Seil auf
Douglas, der gerade wieder aufstehen will. Hektisch, etwas
unbeholfen, aber erfolgreich, schleudert sich Kyle aus dem
Weg, Levys Balance verlässt ihn und er taumelt bei der
Landung rückwärts, nur von der Absperrung aufrecht
gehalten.
Douglas
rauscht heran und wirft sein gesamtes Gewicht in Zane, der
zwischen dem Ringer und der Barrikade eingeklemmt wird.
Und
erneut.
Und
erneut.
Mit
viel Wucht schleudert Kyle Levy auf den Apron, von wo aus der
sich wieder in den Ring rollt und panisch nach Luft schnappt,
während Douglas sich langsam wieder nähert, als
würde er sein bestes Michael Myers Cosplay abliefern.
Grob
tritt er Zane einmal ins Gesicht, bevor er ihn aufgabelt, als
wäre er eine Europalette.
Sven:
„Was hat er denn…“
Pete:
„Nein!“
Raunen
geht durch die Zuschauer, als Kyle Zane in sitzender Position
aufs oberste Ringseil wuchtet. Seine eigenen Füße
platziert er auf dem zweiten Seil.
Sven:
„Uh Oh!“
Pete:
„Sowas geht selten gut aus!“
Douglas
blickt sich um. Seine Augen finden, was er sucht. Die
Ringstufen, die Levy außerhalb des Rings platziert
hatte. Er nimmt den Purifier in die Military Press.
Sven:
„Ohhhhhhhhhhhhhh…“
Ein
Schritt. Noch einer. Kyle hält Levy auf dem obersten
Seil in einer Military Press.
Pete:
„TU ES NICHT KYLE!“
Eine
Ansicht, die Zane teilt. Er kämpft. Strampelt. Kommt
frei. Mit Mühe hält er das Gleichgewicht. Ebenso
Kyle. Wohl eher instinktiv als absichtlich, retten sich beide
Männer vor dem womöglich fatalen Sturz.
…
Bis
Levy die Schultern zuckt.
SPANISH
FLY
Sven
& Pete: „NEIN!“
Donnernd
schlagen die beiden Kontrahenten auf den Stufen neben dem
Ring auf. Auch Mike Kontrak schlägt im Ring die Hände
über dem Kopf zusammen, stürmt aber sofort aus dem
Ring, wo auch der Ringarzt schon zur Stelle war.
Von
Jubel, über Aufschreie, zu einem stillen Staunen ist
alles im Publikum dabei, was jedoch in schallende Buhrufe
mündet, als der Ringrichter über seinem Kopf ein
„X“ formt und signalisiert, dass die Galaxy wohl
nie herausfinden wird, wer hier als Sieger vom „Feld“
gegangen wäre.
NO
CONTEST
Sven:
„Pete, ich…“
Pete:
„Ruhe, Sven, jetzt überschlägt sich hier
alles, wir gehen Backstage!“
Die Kamera schaltet direkt in den Backstagebereich. Hinter dem
Vorhang stehen Raymond Douglas und Drake. Die beiden ehemaligen
World Champions würdigen sich keines Blickes. Mit
verschränkten Armen stehen sie da und warten wie zwei
verfeindete Nachbarsväter, die ihre Söhne abholen
wollen. Chillig sind beide nicht gerade drauf, das Blut kocht
vermutlich in den Adern der beiden Superstats. Feuerkopf Morbeus
ist dann auch der erste, der die vermeintliche „Ruhe“
nicht mehr aushalten kann. Plötzlich dreht er seinen
Oberkörper zu Drake herüber und wie ein Feuerschlucker
vom Zirkus Krone spuckt er literally das Höllenfeuer heraus.
Morbeus: „WARUM MUSST DU IMMER ALLES
ZERSTÖREN?!“
Stille. Drake zieht nur kurz die Nase hoch und schlägt die
Hände gegeneinander, als wolle er Staub oder Dreck von Ihnen
wischen – oder sagen „Job erledigt“?
Morbeus: „Mein Leben ist ja schon
verkorkst, aber ich bin echt froh nicht DU zu sein. Was Du mit
den jungen Leuten Tag ein – Tag aus anstellst ist einfach
unterste Schublade. Eine kaputte Seele, die andere Seelen in den
Abgrund zieht. Bravo. Was für eine Lebensleistung. Und nun
zerstören sich Zane und Kyle. Damit alles im Gleichgewicht
bleibt, oder was? Du warst ein Soziopath, bist einer und wirst es
immer bleiben. Und dann brichst du immer Leute. Such dir doch mal
ne andere Beschäftigung. Wir sind doch beide in der Mitte
unseres Lebens angekommen und Geld war doch nie ein Thema für
dich. Kauf dir doch ein Rennrad für 15.000 € oder fahr
mal zwei Wochen durch die Eifel. Natur erleben. Oder mach ne
Kneipe auf. Oder bring den Leviathan-Gin auf den Markt. Mach
irgendwas, wo sich nicht Leute ständig versuchen,
UMZUBRINGEN! Capiche?!
Drakes Reaktion lässt selbstredend nicht lange auf sich
warten….
Drake: „Ich dachte du bist ENDLICH
mal zufrieden.“
Frustriert wirft Vaughn die Hände in die Höhe und
wendet sich Morbeus zu.
Drake: „Ich habe das doch FÜR
dich getan.“
Nahezu verneigend weißt er
mit einer Hand in einer eleganten Bewegung vor seiner Brust in
Richtung des Rings.
Morbeus: „Noch nie habe ich mich
weniger über eine dargebotene Aufmerksamkeit gefreut, wie
jetzt.“ Drake: „Schade.
War gut gemeint. Weißt du so als kleines freundschaftliches
Geschenk vor unserem gemeinsamen MEISTERWERK bei Brainwashed.
Spring Edition. Trademark.“
Als wolle er die Tagline in den Himmel schreiben breitet er beide
Hände in einer Krallenförmigen Form aus.
Drake: „Was hast DU denn jemals
anderes gewollt, als Kyle am Boden zu halten, hm? Also wenn du
jemals was anderes wolltest, dann hast du einen grauenvollen Job
gemacht. Der Mann hat absolut KEINERLEI Achtung vor sich selbst.
Korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Aber dein Golden Boy ist
nicht EINMAL in seinem Leben klar One on One besiegt worden.
Heute Abend stehen zwei Leute in einem No.1 Contender Match, die
entweder ein Jahr nicht hier waren oder vor ein paar Wochen ihre
Chance erst vergeigt haben. Aber Kyle? Nirgends zu sehen. Und
jetzt tu nicht so, als hätte Kyle aus gutem Willen
beschlossen, auf ewig in einem Tag Team zu stehen. Natürlich
ist er an der Spitze dieser Division, keine Frage, aber tun wir
nicht so: Das ist nicht, wozu er bestimmt war, als er mir damals
fast das Match abluchsen konnte.“
Morbeus: „ Wer im Glashaus sitzt,
sollte nicht mit Abrißbirnen werfen! Du unterjochst eine
ganze Bande an Menschen…seit Jahren. Wen hast du denn an
die Spitze gefördert? Erzähl kein Scheiß. Kyle
hat mir geholfen und ich ihm. Wir ergänzen uns besser als
gedacht. Der Lohn dieser Synergie ist das Gold um meine Hüften!
Ich werfe mich für ihn in den Staub. Du dagegen hast doch
nie die Drecksarbeit verrichtet. Fuck you!“
Gellend lacht Vaughn in einem Stile einer fast schon comichaften
bösen Hexe.
Drake: „Oh Morbi.“
Bereit
etwas sehr Schlaues zu sagen stützt Vaughn die Fingerspitzen
aneinander.
Drake: „Geholfen? Und wie ich hier um
mich werfe. Weil wir bei Leviathan bereit sind OPFER zu bringen.
OPFER FÜREINANDER. So wie Kyle seit Jahren seine Karriere
für dich opfert. So wie die Urban Ultras ihre Karriere für
dich geopfert haben. ICH zerstöre immer alles? Erinnerst du
dich überhaupt noch an die beiden? Erinnerst du dich nicht
mehr, WER damals „alles“ zerstört hat? Ich mag
dich besiegt haben, Morbi, aber nur auf dem Papier. Geschlagen
hast DU dich, weil du so paranoid warst, dass ich der Meister und
Herrscher von allen Fäden bin, dass du nicht daran gedacht
hast, dass es andere Leute geben könnte, die deinem
verdammten Treiben ein Ende setzen wollten. Du bist wie ein
schwarzes Loch, dass alles einsaugt, was an Hoffnung und Talent
um es schwirrt während MEINE Familie Erfolge auf ihren
eigenen Schultern tragen konnte, mit und ohne, wegen oder trotz
mir.“
Langsam tritt er einen Schritt auf Douglas zu.
Drake: „Ich mag gesagt haben, es geht
mir hier nur um mich. Nicht um Zane. Nicht um Kyle. Um mich und
meinen Sieg gegen dich. Aber ich kann nicht aus meiner Haut. Ich
kann es nicht ansehen. Also habe ich Kyle letzte Woche noch
einmal das Out angeboten. Eine Chance für ihn, dich ENDLICH
etwas ZURÜCKGEBEN zu lassen. Eine Chance für DICH ein
GLORREICHES OPFER ZU BRINGEN. ZU VERGEHEN UND ENDLICH FREI ZU
SEIN, doch Kyle…“
Ein breites Grinsen
und ein Schulterzucken.
Drake: „Wollte weiter der
Erstgeborene sein, der dem alten geopfert wird. Und sein Wunsch
ist mir Befehl. Ich habe Zane keinen Ton gesagt. Alles, was hier
passiert, ist sein eigener Wille. Wo wie ich einsehen muss, dass
es wohl auch Kyles ist. Wir sind hier beide Engel oder Teufel,
Morbi. Wir sind gleich. Fast. Wir alle haben dir eines voraus.
Kyle wollte mich bestrafen, als wir dich angriffen, Zane wollte
Kyle bestrafen, als er mich angriff, ich würde nicht zögern,
dich hinzurichten, solltest du Zane nur schief ansehen, aber du
stehst hier und schlägst mir vor ein Fahrrad zu kaufen. PS:
Wir sind nicht ansatzweise in der selben Lebensphase Großopa,
also tu endlich was gegen mich, du Feigling.“
Mit einem ruckartigen Stoß befördert er Morbeus auf
dessen Hinterteil.
Drake: „Vielleicht hast du ohne diese
bescheuerten Titel endlich nichts mehr, dass Kyle an der Leine
hält. Und einmal mehr bin ich der Engel, obwohl ich es nicht
einmal vorhatte.“
Morbeus: „Engel? Du bist Ikarus. Der
Tod des Übermütigen. Eine Wannabe der immer und immer
zu nahe an die Sonne fliegt und dessen Flügel dann
schmelzen…..wie jetzt gerade?!“
Ray Douglas holt zum großen Gegenschlag aus und trifft
Drake etwas unvorbereitet per Uppercut. Doch einen Knockout
stellt so ein Hieb natürlich nicht da, Drake erwidert direkt
und eine wilde Brawlerei im Backstagebereich entsteht.
Sven: „Und jetzt fliegen hier auch
noch Gegenstände durch die Gegend!“
Die Schlägerei artet ordentlich aus, kein Wunder bei den
Protagonisten. Dabei geht es hin und her und es wird gegenseitig
überhaupt nichts geschenkt.
Plötzlich werden nun Kyle und Zane an den beiden Kloppern
vorbeigeführt. Beide vorerst auf Tragen und ein
Krankenhaustransport ist für beide vermutlich, hoffentlich
nur zum Check, erstmal angesagt. Drake und Morbeus beenden ihren
Zwist widerwillig vorerst und wenden sich ihren Partnern zu.
Humpelnd laufen die beiden alten Schlachtrössern den Ärzten
hinterher und es muss überraschen, dass nicht alleine die
Atmosphäre um die Szenerie noch den Beton selbst zum
Streiten mit seinem Innenleben anstiftet.
Tammy:
“Guten Abend, Dortmund!”
Ein
recht breites und erfrischend ehrliches Lächeln umspielt die
Lippen der GFCW-Interviewerin, als sie direkt in die Kamera
blickt. Sie hat eine Menge Städte in Deutschland gesehen,
dutzende von fremden Ländern, aber nach Dortmund zu kommen –
nach Hause – ist immer etwas Besonderes.
So
man denn einen gewissen Hang zur Sentimentalität hat.
Tammy:
“Es dauert nicht mehr lange, und wir bekommen im Main Event
ein Duell um die No. 1 Contendership für den GFCW World
Title, festgelegt von Eric Fletcher bei der letzten Show. Luna
Rosario trifft dabei auf den folgenden Mann...”
Sie
macht demonstrativ einen Schritt zurück, auch wenn das wohl
nicht nötig gewesen wäre. Es ist genug Platz. Aber so
gehört es sich eben, scheint Tammy zu denken, als eine
große, dunkle Gestalt lautlos ins Bild gleitet.
Aiden
Rotari: “Hallo.”
Tammy:
“Guten Abend.”
Das
Lächeln der Interviewerin bröckelt nicht. Aiden Rotari
mag ein furchtbarer Dorn im Auge der wrestlenden Belegschaft
sein, aber mit dem Backstage-Staff hat er es sich nie verscherzt.
Es mag schwer sein, aus ihm gewisse Antworten herauszukitzeln,
aber ein zivilisiertes Gespräch ist immer möglich.
Tammy:
“Du trittst heute Abend gegen Luna Rosario an.”
Ein
knappes Nicken von Aiden, ansonsten keine Regung – mit
Ausnahme der linken Hand, welche eine Münze oder etwas
ähnliches zwischen den Fingern umhersurren lässt. Noch
immer scheint sie sich danach zu sehnen, den großen
goldenen Titel wieder an die Brust Rotaris drücken zu
dürfen.
Heute
Abend kann er dahingehend einen großen Schritt machen.
Tammy:
“Sie kommt mit einer Menge Momentum in dieses Match. Sie
hat alle ihre Matches seit ihrer Rückkehr gewonnen, unter
anderem gegen Robert Breads.”
Sie
wartet einen Moment lang, ob das eine Reaktion hervorruft. Tut es
nicht. Sollte Aiden davon beeindruckt sein, zeigt er es nicht.
Seine dunklen Augen verharren ruhig auf der Interviewerin. Mehr
eine Erlaubnis als eine Forderung, doch bitte fortzufahren.
Tammy:
“Und du musst sie heute besiegen, um den GFCW World Title
zurückbekommen zu können.”
Ihr
Blick huscht kurz zu seiner linken Hand. Das entgeht Rotari
nicht. Für einen kaum wahrnehmbaren Moment verlangsamt sich
das Surren der Münze zwischen seinen Fingern.
Aiden
Rotari: “Meinen
Titel.”
Er
spricht das ohne Aggression in der Stimme aus, eine bloße,
höfliche Korrektur der Faktenlage seinerseits.
Aiden
Rotari: “Ich räume ein, ich hatte selbst nicht
vermutet, so früh eine erneute, greifbare Chance zu
bekommen. Doch wenn Luna Rosario sie bekommt, gibt es keinen
Grund, dass ich sie nicht ebenfalls einfordern kann.”
Wie
viel davon wahr ist, lässt sich bei Aiden – wie immer
– schwer beurteilen.
Tammy:
“Dafür musst du sie allerdings heute erst einmal
schlagen. Und danach Ask Skógur.”
Aiden
Rotari: “Das wird nicht einfach.”
Das
zu leugnen wäre absurd.
Aiden
Rotari: “Deshalb werde ich mich mit Skógur erst
befassen, sobald ich Rosario geschlagen habe. Keines dieser
Duelle kann ich mit geteilter Aufmerksamkeit gewinnen.”
Er
bleibt nüchtern in seiner Analyse, und die Stärken
seiner Feinde korrekt einzuordnen ist ein elementarer Bestandteil
dessen, sie letztlich schlagen zu können.
Aiden
Rotari: “Heute Abend liegt mein Fokus einzig und allein auf
Luna Rosario.”
Tammy:
“Ihr beide habt eine längere Vergangenheit.”
Einen
Moment lang zögert sie.
Tammy:
“Dank ihr trägst du Narben auf dem Rücken.”
Aiden
Rotari: “Eine Trophäe, die sie indirekt jedes Mal zur
Schau stellen kann, wenn ich in den Ring trete.”
Ein
Frösteln scheint sich an jedes seiner Worte zu schmiegen.
Aiden
Rotari: “Einen solchen Trostpreis als Errungenschaft zu
zelebrieren zeugt von fehlgeleiteter Zielsetzung. Seien es die
eigenen Narben, oder diejenigen, die man anderen zugefügt
hat – ihnen zu huldigen ist albern und kindisch.”
Tammy:
“Luna dürfte das wohl anders sehen. Es geht um die
Bedeutung, die dahintersteht. Die Geschichte.”
Aiden
Rotari: “Sie mag sich für die Version der Geschichte
interessieren, in der sie die Chance hat, Fußnoten zu
epochalen Geschichten zu machen. Ich interessiere mich einzig und
allein für die Geschichtsbücher der GFCW – die
Ergebnisse, nicht ihr Hintergrund. Dort stehen zwei Matches gegen
Luna Rosario zu Buche, und ich habe beide gewonnen. Und meine
erste Regentschaft mit meinem Titel, während Rosario am
Gewinn dessen gescheitert ist.”
Tammy:
“Ich denke, sie glaubt trotzdem, dass sie dich heute
schlagen kann.”
Aiden
Rotari: “Sie glaubt, mich schlagen zu können. Ich
weiß, dass ich sie schlagen kann.”
Klack.
Der
frühere World Champion hebt den Blick, schaut an Tammy
vorbei, in Richtung von etwas, das nicht im Bild ist.
Klack.
Aiden
Rotari: “An Dinge oder Menschen zu glauben ist letztlich
eine weitgehend wertlose Fähigkeit. Entweder weiß man
etwas, oder man weiß es nicht.”
Klack.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Weise Worte.”
Nach
ihrem früheren Besuch beim GFCW-Förderkader ist die
Spitzenprädatorin der Lerbitz Performance Group nun an Tammy
und Rotari herangetreten. Die Absätze ihrer Schuhe lassen
sie über Tammy türmen. Die süffisant nach oben
gezogenen Mundwinkel in Richtung Tammy vermitteln ein Gefühl
von Herablassung.
Tammy:
“Was möchten Sie hier?”
Sie
hebt das Kinn kaum merklich. Ein kurzes Flackern huscht über
die Miene von Lerbitz, als hätte sie es mit einem besonders
lästigen Insekt zu tun.
Lerbitz
ignoriert Tammy und wendet sich Rotari zu. Er lässt nicht
den Verdacht aufkommen, begeistert über diesen Auftritt zu
sein.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Herr Breads hatte uns berichtet, Sie würden
es sich überlegen.”
Aiden
Rotari: “Und er würde Sie sicherlich niemals anlügen.”
Entrepreneurin
Lerbitz: “Unser Angebot steht. Seit Wochen. Sie melden sich
nicht.”
Aiden
Rotari: “Ich habe es mir überlegt.”
Das
Surren der Münze zwischen seinen Fingern stoppt.
Aiden
Rotari: “Und ich lehne ab.”
Der
Kiefer der Geschäftsfrau verkrampft sich.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Herr Breads hat uns versichert, er würde Sie
letztlich überzeugen.”
Aiden
Rotari: “Niemand ist unfehlbar.”
Entrepreneurin
Lerbitz: “Was wollen Sie?”
Mit
spürbarer Ungeduld in ihrer gedehnten Stimme kommt Lerbitz
zum Punkt.
Aiden
Rotari: “Die GFCW World Championship.”
Entrepreneurin
Lerbitz: “Bitte.”
Sie
schnaubt verächtlich.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Wir können Ihnen so viel mehr bieten. Geld.
Merchandise. Berühmtheit. Macht. So viel-”
Aiden
Rotari: “Nettes Beiwerk. Ohne meinen Titel für mich
aber wertlos.”
Entrepreneurin
Lerbitz: “Dann holen wir eben diesen Titel, mein Gott. Wie
schwer kann das mit unseren Mitteln schon sein?”
Aiden
Rotari: “Schwer genug, als dass Sie es noch nicht geschafft
haben. Und das, obwohl Sie den besten Wrestler aller Zeiten unter
Vertrag haben.”
Lerbitz
kneift die Augen zusammen. Meint er das als ernstes Lob an seinen
Mentor Robert Breads, und kritisiert die Lerbitz Performance
Group? Oder ist das Spott?
Entrepreneurin
Lerbitz: “Es ist im Moment nicht unser Fokus.”
Aiden
Rotari: “Stattdessen stecken Sie vielversprechende, junge
Wrestler in lächerliche Kostüme.”
Entrepreneurin
Lerbitz: “Wir würden Sie in gar nichts stecken, dass
sie nicht wollen. Und ich glaube Ihnen keine Sekunde, dass es
Ihnen nicht vollkommen gleichgültig ist, was wir dem Rest
unserer Produkte machen, solange Sie ihnen ausreichend
zuarbeiten.”
Ein
minimales Neigen des Kopfes seitens Rotari scheint zu
signalisieren, dass er nun – zum ersten Mal –
wirklich
zuhört.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Ich verstehe, dass vergangene Erfahrungen sie...
misstrauisch gemacht haben. Aber das Protokoll war Chaos. Das
waren Verrückte, denen die Macht zu schnell zu Kopfe stieg.
Sadisten. Mich interessieren nur Ergebnisse. Genau wie Sie.”
Klack.
Klack. Sie
tritt näher an Rotari heran. Da ist keinerlei Herablassung
mehr in ihrer Stimme, sondern Eindringlichkeit, nahe an der
Aggression.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Gut, Sie interessieren sich für die Zahlen
in der Titelhistorie der GFCW. Mich interessieren Klick-Zahlen,
Kontostände und Aktienkurse. Letztlich gibt es keinen Grund,
warum wir diese Interessen nicht bündeln können und
synergetische-”
Aiden
Rotari: “Ich fürchte, ich habe keine Zeit mehr für
Sie. Luna Rosario wartet auf mich.”
Ein
wenig entschuldigend, ob der kurzen Unterbrechung, nickt Aiden
Tammy zu. Abschließend wendet er sich an Lerbitz.
Aiden
Rotari: “Grüßen Sie Robert von mir.”
Und
so zügig, wie er zuvor erschienen war, entschwindet er nun
auch wieder. Entnervt seufzt die Entrepreneurin auf.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Gut, wir werden uns etwas Neues überlegen.”
Tammy:
“War das nicht eine ziemlich deutliche Abfuhr?”
Spöttisch
verzieht sich Lerbitz' Mund zu einer Grimasse, die mehr Zähne
zeigt, als ein echtes Lächeln je gewagt hätte.
Entrepreneurin
Lerbitz: “Liebes, das war lediglich die erste Runde
schwieriger Verhandlungen.”
Es
wird abermals backstage geschalten, wo wir nun den amtierende
GFCW World Heavyweight Champion ganz bodenständig und nahbar
durch die Gänge streifen sehen. Ein Champion des Volkes,
wenn man so will und kein König, der irgendwo auf seinem
Thron sitzt und wartet, bis die Anwärter zu ihm kommen.
Nein,
Ask ist einer und das hat er vor zwei Wochen bereits gesagt, der
gegen jeden kämpfen wird, der sich das auch irgendwie
verdient. Warum sich also verstecken? Er will ja den Kampf!
Und
nachdem er heute bereits ein Gespräch mit Drake Nova Vaughn
hatte, scheint er noch immer offen dafür zu sein, sich mit
seinen potenziellen Herausforderern zu unterhalten.
Und
dann bekommt er auch direkt schon Besuch. Er erkennt das noch
nicht sofort, aber, als er an da so durch den Backstagebereich
streift, tritt dieser gewisse jemand ins Bild.
James
Corleone: „Mister Skógur! Ich glaube ich hatte noch
keine Gelegenheit dazu Ihnen zum Titelgewinn zu gratulieren!“
Ask
bleibt stehen, sein Blick direkt in Skepsis gefärbt. Er
trägt den Titel gerade auf der Schulter und rückt ihn
sich noch einmal zurecht, als er zu Mister Corleone schaut, der
seinerseits den Gürtel mit seinen Augen manifestiert.
Ask
grunzt.
Ask
Skógur: „Hmm. Und ich habs trotzdem überlebt.“
Ask
hat inzwischen auch Zynismus gelernt, denn es ist mehr als
offensichtlich, dass Corleone nicht wirklich hier ist, um ihm zum
Titelgewinn zu gratulieren.
James
Corleone: „Nun denn, Mister Skógur, wie lebt es
sich, als neuer und unangefochtener Champion der GFCW?“
Ask
Skógur: „Lass den Mist, ehrlich. Ich hab kein Bock
auf Spielchen. Sag was du willst und lass uns das hier schnell
über die Bühne bringen.“
Ask
bleibt direkt – er will nicht um den heißen Brei
herumreden. Anders als bei Drake zuvor, gibt er Corleone hier gar
keine Chance ihn irgendwie einzulullen. Vielleicht hat Drake zu
viel von Asks Geduld für sich beansprucht, vielleicht
unterstellt Ask ihm aber auch eine deutlich feindseligere
Motivation, als es bei Drake der Fall war, den er nicht direkt
einschätzen konnte.
Corleone
scheint leicht beeindruckt, normalerweise muss er diesen Tanz, um
sein eigenes Anliegen zu verschleiern, länger durchführen.
Aber normalerweise hat er auch nicht mit Menschen zu tun, die
derart „einfach“ gestrickt sind, wie Ask.
James
Corleone: „Sie sind direkt, das gefällt mir. Aber
anders hätte ich es auch nicht von Ihnen erwartet. Also gut,
dann kommen wir direkt zum Punkt.“
Ask
schiebt sich den Titel erneut zurecht, er hat natürlich
schon eine Ahnung, in welche Richtung dieses Gespräch gehen
soll.
James
Corleone: „Ich… habe aufmerksam zugehört, als
sie in der letzten Show Ihre Bedingungen erläutert haben,
sofern ein Anwärter auf Ihre Krone seinen Titelanspruch
geltend machen will. Man muss es sich verdienen, richtig? Nun,
ich denke es erübrigt sich zu sagen, dass es wohl kaum
jemand mehr verdient haben dürfte, Sie um Ihren Titel
herauszufordern, als Aldo Nero.“
Corleone
verpackt dieses Gesuch so selbstverständlich als gegebenen
Fakt, wobei er keine Möglichkeit zulässt, das anders zu
sehen. Für ihn ist es glasklar, Aldo Nero sollte ein
Titelmatch bekommen und daran gibt es nichts zu rütteln.
Und
Ask wiederum sieht sich nun endlich in seiner Vermutung
bestätigt. Wahrscheinlich hat er Aldos Ansage von etwas
früher am heutigen Abend mitbekommen und ganz aus der Luft
gegriffen ist die Forderung ja wirklich nicht.
Ask
Skógur: „Naja…“
Ask
überlegt, in seinem Mundwinkel formt sich ein leichtes
Grinsen, es scheint, als wäre er nicht unbedingt unglücklich
darüber, dass Aldos Erfolg bedeutet, dass er End los ist.
Ask
Skógur: „Aldo hat The End besiegt, dagegen kann man
nichts sagen.“
Corleone
nickt zustimmend. Dagegen kann man wirklich nichts sagen, also
nun her mit dem Titelmatch.
Ask
Skógur: „Und ich weiß… dass der Junge
ne ganz ordentliche Entwicklung hingelegt hat. Der hat sich
gemacht. Stabile Leistung, viele Siege, sicheres Auftreten…
Aldo ist einer für die Zukunft, daran gibt’s keinen
Zweifel.
…
Allerdings…
ändert das nichts daran, dass er seine Chance auf einen
meiner Titel schon hatte. Und die… die hat er eindeutig
verloren.“
Ask
erinnert an eine Open Challenge, die er einst auf den GFCW
Intercontinental Championship gestellt hat. Die wurde von Aldo
Nero angenommen… und verloren. Seitdem mag viel Zeit
vergangen sein, das weiß und sagt Ask ja auch selbst, aber
es steht nun mal im Raum. Und so ein bisschen stänkern darf
ein Champion ja auch mal.
Ask
Skógur: „Davon abgesehen und glaub mir, ich
befürworte alles, was gegen Aiden Rotari geht, aber, auch,
wenn er da in seine Richtung geschossen hat, hat er auch den
nicht besiegen können.“
Corleone
wirkt ernüchtert. Er hatte sich dieses Treffen wohl leichter
vorgestellt.
Ask
Skógur: „Also, Jimmy… was mach ich jetzt mit
Aldo?“
„Jimmy“
ist wohl von dem Gespräch zwischen den Corleone-Brüdern
aus der letzten Show hängen geblieben. Da hat Salvatore ihn
so genannt und Ask hat das recht kek einfach mal übernommen.
Und Corleone scheint alles andere als glücklich darüber,
aber… er wäre nicht James Corleone, wenn er so
einfach aufgeben würde.
James
Corleone: „Sie haben recht. Vor Aldos… Wandlung…
hat er drei wichtige Matches verloren. Eines gegen Sie, eines
gegen Herrn Rotari… und eines… gegen The End.
NACH
seiner Wandlung hat er diesen Fauxpas berichtigt. Es ist eine
Frage der Zeit und Möglichkeit, wann er selbiges mit den
anderen Beiden tun wird. Der gegenwärtige Aldo Nero ist
nicht mehr der Aldo Nero von damals. Der von damals… war
schwach, ein Versager nahezu, der falschen Idealen nachgeeifert
ist.“
Mit
diesen falschen Idealen dürfte wohl Salvatore Corleone
gemeint sein.
James
Corleone: „Doch das ist er jetzt nicht mehr. Jetzt ist er
stark, jetzt wird ihn keiner aufhalten. The End hat das nicht
geschafft, Aiden Rotari würde das nicht schaffen und auch
sie haben keine Chance.“
Corleone
wirkt sehr überzeugt. Er steht hinter diese Aussage, von
Woche zu Woche mehr.
James
Corleone: „Und auch… Luna Rosario, im Übrigen.
Denn… wer sagt denn, dass tatsächlich sie der
Champion sein werden, den Aldo Nero herausfordert? Heute Abend
wird sich entscheiden, ob sie Ihren Titel gegen Luna oder Aiden
verteidigen müssen. Es… gibt also eine Vielzahl an
Möglichkeiten, wie diese Geschichte verlaufen könnte.
Aber es gibt nur eine Möglichkeit, wie sie enden wird.
Ob
Luna, Aiden oder Sie Champion sein werden, ist egal, denn am Ende
wird es Aldo Nero sein, der den GFCW World Championship sein
Eigen nennen darf. Sie entscheiden lediglich darüber, wem er
diesen Titel abnehmen wird.“
Es
dürfte recht gut ersichtlich sein, dass Ask dieses Gespräch
weitestgehend wenig ernst genommen hat. Aber das ist gefährlich,
als Champion sollte man jegliche Andeutung von Herausforderung
ernst nehmen. Und das erkennt er jetzt auch, denn vor ihm steht
James Corleone und der dürfte einer der gefährlichsten
Männer sein, die es in der GFCW gibt.
Ask
Skógur: „Passen sie auf, Mister Corleone. Ich werde
Aldo sein Talent nicht absprechen. The End zu besiegen ist eine
Leistung, die kaum ein anderer geschafft hat. Außer…
Aiden Rotari. Und selbst Luna war haarscharf dran End damals zu
besiegen. Jeder, dieser potenziellen Herausforderer ist eine
Gefahr für meinen Titel und bei jeden von ihnen würde
mir ein hartes Match bevorstehen. Aber wie ich es schon gesagt
habe, werde ich mich davor nicht verstecken. Ich bin nicht
Champion geworden, wenn ich mich derartigen Herausforderungen
nicht stellen würde.
Luna,
Aiden, Aldo… sollen sie alle kommen, ich bin bereit.
Bereit dafür DAS hier zu verteidigen.“
Ask
deutet nun erneut auf seinen Titel.
Ask
Skógur: „Mir ist egal, wie sie alle gegen andere
abgeschnitten haben, für mich zählt nur, was passiert,
wenn sie MEINE Gegner sind.
Und
Jimmy, ich kann dir sagen, was dann passiert…“
Ask
grunzt noch einmal laut auf. Corleone wirkt durchaus nicht
unbeeindruckt, behält die Fassung aber weiter aufrecht.
Ask
Skógur: „Dann werde ich sie allesamt besiegen. Ich
bin eine Bastion, die jeder Eroberung standhält.“
Während
James Corleone heute bereits Bezug auf Asks „Jahr des
Hirsches“ genommen hat, scheint Ask diese Spitze nun zu
erwidern, während er sich unbeeindruckt von „Aldos
Eroberung“ zeigt.
Ask
Skógur: „Wer auch immer heute gewinnen wird, wenn
ich fertig mit ihm oder ihr bin, dann reden wir weiter.“
Ask
grunzt noch ein letztes Mal, bevor er sich in einer aufbrausenden
Art von Corleone wegdreht und ihn wieder zurücklässt.
Wie
schon bei Drake zuvor gibt sich Ask mit Blick nach vorn, es zählt
nicht was war, sowohl für ihn oder für andere, es zählt
nur was sein wird.
Corleone…
schmunzelt. Der Ausgang dieses Gespräches scheint keine
eindeutige Zusicherung eines Titelmatches zu sein, aber er hat
den Hirsch zumindest schon mal aufgescheucht. Und damit ist der
erste Schritt in Richtung Titelmatch gemacht.
Zumindest
insofern, dass Ask Skógur den Titel überhaupt noch
haben sollte.
Pete:
„Liebe GFCW-Fans, ihr seht mich gerade ein wenig verwirrt.“
Der
Kommentator schaut in der Tat ratlos drein. Er sortiert seine
Moderationskarten, während er nervös nach den richtigen
Worten sucht.
Pete:
„Ich wollte soeben Viggo anmoderieren, der diesen Slot für
sich erbeten hatte. Doch wie wir gehört haben, ist Viggo…“
Sven:
„…einfach nicht aufgetaucht wie ein Tiefseefisch.
Sheesh und Scheiße, Pete. Darüber wird zu reden sein.“
Pete:
„Und ob, Sven, und ob. Meinem Kenntnisstand liegt keine
Verletzung vor. Man hat mit seiner Ankunft an der Halle
gerechnet, bis zuletzt auf ihn erwartet. Aber Viggo hat das
Zeitfenster schlicht kommentarlos verstreichen lassen. Eine
Nachwirkung seiner Traurigkeit von vor zwei Wochen?“
Sven:
„Was machen wir jetzt? Geht es direkt zum Main Event?“
Der
geile Kommentator blickt direkt in die Kamera. Seine Miene ist
vorwurfsvoll.
Sven:
„Ich erbitte Anweisungen von der Regie. Ich könnte
natürlich etwas improvisieren, aber dann würde sich
niemand mehr für das Wrestling interessieren. Was nun?“
Er
drückt sein Headset näher ans Ohr, als würde
dadurch die Antwort schneller kommen. Und tatsächlich: Kurz
darauf reißt Sven die Augen auf. Neben ihm tut Pete das
Gleiche. Das Duo blickt sich irritiert an.
Pete:
„Ich höre, dass…“
Sven:
„…Tammy etwas zu sagen hat? Wieso bleibt sie nicht
dort, wo sie hingehört?“
Die
Kamera schwingt herum und eine Naheinstellung vom
Entrance-Bereich wird gezeigt. Heraus tritt Tammy. Ein seltener
Anblick: Die Reporterin im Innenraum der Halle. Die Zuschauer,
die ihr Gesicht sonst nur von Videos sehen, empfangen die
GFCW-Legende mit Applaus und Jubel.
Aber
vielleicht liegt das auch daran, wie Tammy aussieht. So
herausgeputzt, das darf man guten Gewissens behaupten, war sie
wohl noch nie. Abendkleid, High Heels, aufwendiges Make-Up.
Tammy:
„Liebe Zuschauer. Natürlich bin ich traurig darüber,
dass Viggo verschwunden ist. Sofern er in zwei Wochen wieder
dabei ist, werde ich natürlich versuchen, die Grüne für
seine Abwesenheit herausbekommen. Aber…“
Sie
zögert. Beißt sich auf die rotgeschminkte Oberlippe.
Tammy:
„…diese unerwartete Pause gibt mir die Chance, mir
einen Lebenstraum zu erfüllen. Einen Wunsch, den ich schon
als kleines Mädchen hatte.“
Ihre
Worte sind emotional: Stimme und Gesichtsausdruck sind es nicht.
Oder zumindest nicht so, wie sie es sein sollten. Denn die
Emotionen sind entgegengesetzt zu dem, was sie sagt: Sie wird
traurig, zögerlich.
Tammy:
„Musikerin zu werden. Und heute, ja, heute darf ich…“
Wer
genau hingehört hat, dürfte bei „darf“ ein
unterschwelliges Seufzen bemerkt haben. Was ist mit Tammy los?
Auch die Zuschauer haben ihren Jubel eingestellt und blicken
einander fragend an, während sie den Worten lauschen.
Tammy:
„…mein erstes offizielles Lied singen!“
„OOOOH!“
Ein
unerwarteter Programmpunkt, den das Publikum freudig quittiert.
Doch Tammy nimmt den Applaus mit einem gebrochenen Lächeln
entgegen. Trotz ihrer bildhübschen Aufmachung wirkt sie
gebrochen.
Tammy:
„Begrüßt dafür bitte meine Band. Hier sind
die Tammyrellas!“
Ein
kurzer Jingle ertönt, dann treten verschiedene Musiker durch
den Vorhang. Man sieht einen Trompeter, eine Keyboarderin,
mehrere Sänger, die Mikrofone in der Hand tragen –
offenbar die Backgroundtruppe. Auch zwei Gitarristen sind dabei.
Die Musiker sind genau wie Tammy gekleidet, als wäre dies
hier ein festlicher Anlass. Sie alle blicken Tammy…mitleidig
an.
Tammy:
„Das Lied, welches ihr nun hört, heißt: Gott sei
Dank.“
Pete:
„Ich habe nicht gewusst, dass Tammy an Gott glaubt.“
Sven:
„Sie sieht mich seit mehr als einem Jahrzehnt alle zwei
Wochen, Pete.“
Das
Ensemble nimmt Aufstellung. Tammy nimmt von einer
Backgroundsängerin ein Mikrofon entgegen. Ihre Augen wirken
wässrig. Sicher nur die Aufregung. Oder? ODER?
Tammy:
„Zu diesem Lied werde ich nicht gezwungen. Es ist völlig
freiwillig und aus Ehrfurcht entstanden.“
Sie
nimmt Aufstellung im Ensemble. Vorne, so dass sie von allen
Zuschauern gut gesehen werden kann.
Tammy:
„Bitte genießt die Vorstellung. Es darf getanzt
werden. Und auch mitgesungen, der Text wird hier erscheinen…“
Mit
ihrer manikürten Hand deutet Tammy auf die Videoleinwand.
Als
der letzte Ton verklungen ist, senkt Tammy beschämt das
Haupt. Sie kann es kaum erwarten, sich endlich zurück in den
Backstagebereich verkriechen zu können. Die Zuschauer sind
sich uneinig: Sollen sie für die musikalische Leistung
applaudieren – oder das Switziverse Unlimited für
diese Farce ausbuhen? Doch von den Drahtziehern, ist keiner zu
sehen.
Aber
so ist sie, die neue Realität dieser Liga. Wer Fehler macht,
wird bestraft. Auch
du, wenn du nicht brav bist.
GFCW
World Title No. 1 Contender Match:
Aiden
Rotari vs. Luna Rosario
Referee: Bob Taylor
21st
Century Bitch
Worte,
die vielleicht schon fast einen etwas ikonischen Status in
der GFCW gewonnen haben. Die rauen Gitarren, die verzerrten
elektrischen Klänge, welche den Beginn von Holy Wars´
Song untermauern – sie alle stehen für einen
Aufstieg, wie sie die GFCW in den letzten Jahren so manches
Mal gesehen hatte. Es ist eine neue Generation. Und sie ist
ein Teil davon.
Grüne
und silberne Lichtkegel tauchen die gedimmte Halle in den
Schein, welchen sie so oft betreten, und zumeist erfolgreich
verlassen hat. Aufbrandender Jubel durch das gesamte Stadion,
förmliche Ekstase bei den Leviathan-Fanatikern, all das
gehört mittlerweile dazu.
Luna
Rosario. Mit ausgebreiteten Armen auf der Bühne, ein
Funkeln von Vorfreude in den Augen, das den Hang zur
Brutalität beinhaltet, jedenfalls nicht überspielen
kann.
Flugeinlagen,
Striking-Masterclass… all das Spielzüge aus ihrem
Playbook, doch wenn the Serpents Child in den Ring steigt
gibt es vor allem eines: Nackte Gewalt. Und eines nicht:
Gnade.
Aiden
musste es bereits feststellen in seiner Karriere. Doch am
Ende war es sein Sieg, der in den Büchern stand…
und das weiß wohl auch Rosario, als sie mit festem
Blick, ohne die übliche Feier mit den Fans, ohne die
WAHNSINNIG lässige Kippe im Mund zum Ring marschiert.
Waren
es Mitte der Woche noch die Rolle der Mentorin, eine
Lederjacke und ein Kleid, welche sie beim Gang in die GFCW
begleiteten, so sind es nun wieder die Rolle einer der wohl
gefährlichsten Personen der Liga, das kurze Top, die
MMA-Shorts. Blühend weiß wie eh und je, bereit von
Blut versaut zu werden.
Laura:
„Aus Hamburg, mit offiziellem Gewicht von 71
Kilogramm…“
Das Publikum
anpeitschend steigt Luna auf eine der Absperrungen.
Laura:
„Sie repräsentiert Leviathan…. THE SERPENTS
CHILD… LUNAAAAAAAAAAAAAA
ROOOOOOOOOOOOSAAAAAAAARIIIIIIIIOOOOOOOOOOO!“
Pete:
„Sie war in diese Sphären hier vorgestoßen,
bevor es ein End, ein Aiden Rotari, ein Ask Skogur waren…
Doch am Ende des Tages war sie die einzige aus diesem
Quartett, welche nie den größten Preis der Liga
erringen konnte.“
Sven:
„Eine Speerspitze einer völlig neuen Generation,
welche mittlerweile die Garde ZK, Jason Crutch, Alex Ricks,
Antoine Schwanenburg komplett abgelöst hat.“
Pete:
„Mit einem dicken Makel.“
Sven:
„Es wäre ihr dritter Versuch bereits, den World
Title mit nach Hause zu nehmen doch erstmal… Ja
erstmal…“
Pete:
„Ich würde es nichtmal Hürde nennen. Vielmehr
eine Vollsperrung fast.“
Sven:
„Ich bin ja so zufrieden mit dem schönen Narrativ
um Luna wie die meisten, aber wir müssen uns hier auch
einer Wahrheit stellen: Aiden Rotari ist vermutlich einfach
zu gut. Er ist schlauer. Er ist im Ring erfahrener. Er hatte,
wie wir bei Title Nights sahen, zweifelsohne den besseren
Mentor…“ Pete:
„Ohje…“
Sven:
„Und er hatte Luna schon damals besiegt, als er WEIT
weg von dem Mann war, der er heute ist.“
Pete:
„Und du meinst, Luna hat sich nicht weiter entwickelt?“
Sven:
„Ich glaube, dass du in einem Wolkenschloss lebst, wenn
du Rosario etwas anderes, als Außenseiterchancen
zusprichst.“
Pete:
„Na also hör ma…“
Er wird vom erneut
schwellenden Jubel unterbrochen, als Lunas Theme verstummt
und wir bereit sind… Bereit für den nächsten
Akt.
Vor
nicht allzu langer Zeit - es sind noch keine zwei Monate -
war dies die Einzugsmusik des amtierenden GFCW World
Champions. Doch es ist, wie das immer so um diese Jahreszeit
ist - Weihnachten, Silvester und Neujahr, ein Januar, der
sich wie Kaugummi zieht: alles kommt einem irgendwie länger
vor, als es tatsächlich ist, obwohl die Tage doch so
schrecklich kurz sind.
Man
kann deshalb nur erahnen, wie lang sich die Zeit für
Aiden Rotari ohne Titel letztlich angefühlt hat. Quälend
lange, vermutlich.
Der
Vorgänger von Ask Skógur als höchster
Würdenträger der GFCW tritt auf die Rampe und nimmt
den Ring ins Visier. Alles drumherum, die Dortmunder Fans,
werden weitgehend, wenn nicht sogar vollständig
ignoriert.
Er
scheint die Rampe eher hinunterzugleiten als zu laufen. Der
Mann bewegt sich fließend, wohlüberlegt und
zweifelsohne bedinungslos fokussiert. So wenig er sie als
Person schätzen mag, so sehr schenkt Rotari der
Wrestlerin Luna Rosario seine volle Aufmerksamkeit. Nur so
wird er eine Chance haben, wieder eine Chance auf den Titel
zu bekommen.
Seinen
Titel.
Mit
leisen Schritten, ohne zu Schleichen, steigt Rotari die
Ringtreppe empor und entert das Seilgeviert. Ein kurzer Blick
zu Referee Bob Taylor, ein etwas längerer Blick zu
Rosario. Sie schenkt ihm ein Lächeln, in dem keine Wärme
liegt, irgendwo zwischen Spott und Süffisanz.
Seine
glänzend schwarzen Augen hängen für einen
kurzen Moment an diesem Bild, als gäbe es hier
irgendeine neue Erkenntnis zu gewinnen, dann macht er einen
Schritt zurück.
Die
Finger seiner linken Hand zucken.
Beide
stehen sich in in verschiedenen Ringecken gegenüber. Der
Ringrichter gibt das Signal.
Die Glocke
läutet.
Luna
Rosario oder Aiden Rotari - einer von beiden wird No. 1
Contender auf die GFCW World Championship. Oder, um Eric
Fletcher miteinzubeziehen: Mindestens einer von beiden.
Das
Duell startet nicht unbedingt vorsichtig, aber bedacht und
recht langsam. Die Gravitas der Situation ist beiden bewusst.
Rotari will wieder zurück in den Olymp. Rosario will ihn
zum ersten Mal erklimmen.
Die
alten Götter sind tot, und wer neben The End zu den
neuen zählen wird, ist noch nicht entschieden. Ask
Skógur macht gute Anstalten. Aber da ist noch Platz
für mehr.
Natürlich
kennen sich die beiden. Es gab über die Jahre eine Menge
Berührungspunkte. Die tatsächlichen Singles Matches
sind allerdings eine Weile her. Sommer 2022 - kurz nachdem
Rotari Drake Nova Vaughn, damals Anführer von Leviathan,
mit einem Stuhlschlag aus den Shows genommen hatte.
Anschließend übernahm The End Leviathan, führte
das Stable erfolgreich, kämpfte gegen das Stable, Drake
kehrte zurück, wurde mitsamt Luna besiegt, verschwand
wieder für ein knappes Jahr, kehrte erneut zurück,
scheiterte an der gleichen Aufgabe wie Luna (das Besiegen von
Robert Breads) und tritt nun um die Tag Team Titles an.
Das
nur zur Demonstration, wie viel seit dieser Zeit vergangen
ist. Zweieinhalb Jahre, seit Luna Aiden im Ring ausgepeitscht
hat. Die Narben sind verblasst, und wenn man nicht weiß,
dass man darauf achten muss, sind sie kaum zu bemerken - doch
der Rücken von Rotari schimmert an manchen Stellen noch
immer unnatürlich, wenn das Licht in einem bestimmten
Winkel darauf trifft.
Das
Einzige, was die beiden seitdem verbunden hat, ist eine
Abneigung gegen Antoine Schwanenburg.
Wenig
überraschend beginnt das Ganze mit der erwartbaren
"Speed vs Power"-Dynamik. Rotari ist fast zwanzig
Zentimeter größer, etwa vierzig Kilogramm schwerer
und ein weitaus besserer Wrestler, als er das bei ihren
letzten Duellen war. Er weiß, wie man einen solchen
körperlichen Vorteil in die Waagschale wirft, ohne sich
ausschließlich darauf zu verlassen.
Aber
auch Luna ist mittlerweile eine gereifte Wrestlerin mit
großen Pay-Per-View Matches und Main Events im Gepäck.
Sie ist von Natur aus wilder, stürmischer und explosiver
als die recht methodische und kalkulierte
Rotari-Wrestling-Maschinere, aber sie lässt sich nicht
davon leiten, sondern nutzt diese Eigenschaften bewusst für
sich.
Es
gibt keine große Grappling-Sequenz zu Beginn. Beide
können zwar durchaus auf der Matte etwas, aber es ist
nicht die bevorzugte Art zu kämpfen.
Luna
versucht sich an schnellen, kleinen Nadelstichen. Rotari ein
wenig aus der Reserve locken. Aber das ist schwierig. Der
bleibt konzentriert, fokussiert sich aufs Blocken - er hat in
Training-Sessions so oft als Zielobjekt für die Kicks
von Robert Breads hergehalten, dass er ein paar Dinge darüber
weiß, wie man Tritte abwehrt - und versucht nicht
viele, schnelle Aktionen, sondern mit Kraft eine große
Aktion durchzubringen, die das Blatt zu seinen Gunsten
wendet.
Die
blitzartigen Tritte von Rosario werden zu großen Teilen
abgewehrt, aber nicht ausschließlich. Aiden bekommt
tatsächlich die Chance, zweimal zu kontern. Einmal mit
einer gewaltigen Lariat - Luna's Kopf befindet sich für
sie unglücklicherweise in perfekte "in die
Fresse"-Höhe - unter der Rosario sich geschickt
wegduckt, einmal mit einem schnell durchgezogenen German
Suplex aus dem Luna herausflippt und auf den Füßen
landet.
Das
nutzt sie als Opening.
Als
Aiden herumwirbelt, die Arme erneut in Position, um eine
Attacke gegen seine Beine oder Mid-Section abzuwehren,
springt Rosario in die Luft und bekommt Rotari zwischen den
Füßen mit einer Kopfschere zu packen. Die
Hurracanrana befördert Aiden mit Schwung durch die Seile
nach draußen, aus dem Ring heraus. Noch bevor dieser so
genau weiß, wie ihm geschieht, ist Luna schon auf dem
Top Rope, und springt nach draußen.
Der
Crossbody räumt Rotari ab und bringt Rosario einiges an
Applaus vom Dortmunder Publikum.
Der
Schweiß glitzert auf ihrer Schädeldecke. Ja, sie
hat nun die Oberhand gewonnen, aber allein das zu erreichen
hat einiges an Mühe und Geduld gekostet. Rotari ist kein
einfacher Gegner.
Nicht,
dass sie das erwartet hätte - dazu kennen sie sich zu
gut.
Einmal
mehr bedient sich Aiden eines sehr stumpfen, sehr simplen
Tricks, der ihm keine Sympathie einbringt, aber dafür
effektiv ist: Als Rosario ihn in den Ring werfen will, macht
er sich so schwer wie möglich. Der Gewichtsunterschied
ist verdammt groß, und frustriert muss Luna diesen
Versuch abbrechen.
Referee
Bob Taylor ist schon bei "sechs", und unweigerlich
kommt die Prophezeiung bezüglich des Match-Ausgangs
seitens Eric Fletcher wieder hoch.
Schön,
wenn Aiden da liegen bleiben will, soll er eben.
Mit
einem säuerlichen Ausdruck im Gesicht knallt Luna Rotari
den Schuh vor den Schädel. Rotari sinkt zu Boden, als
Luna sich allein zurück in den Ring rollt. Sie hätte
ihn lieber gepinnt, aber sie würde auch den Count-Out
mitnehmen - denn sie weiß, dass Aiden das auch tun
würde.
Allerdings
rollt er sich dann doch kurz vor "neun" wieder
zurück in das Seilgeviert.
Mund
abputzen, weiter machen.
Rosario
ist nun offensiv am Drücker. Sie ist sehr darauf
bedacht, Aktionen zu zeigen, die ihre Schnelligkeit und ihre
Athletik in den Vordergrund stellen, setzt eher auf ihr
High-Flying als auf ihr Striking.
Bei
letzterem ist Rotari ziemlich gut. Vielleicht nicht unbedingt
so gut wie Luna, aber er kann mithalten.
In
der Luft? Klarer Punkt für Rosario.
Ein
Enzuigiri bringt ihr eine knappe zwei vom Referee. Ein
Jumping Knee an den Kopf ebenfalls. Nah an der Niederlage ist
Aiden allerdings noch nicht. Da muss sie schon härtere
Geschütze auffahren.
Aber
das weiß Luna. Sie klopft ihn lediglich weich, weil sie
weiß, dass er geschwächt sein muss, bevor sie die
"Heavy Hitter" auffährt - denn Rotari kennt
sie, kennt ihr Move-Set. Er würde kontern, wenn er nicht
angeschlagen genug ist. Luna ist dahingehend weitsichtig
genug, und erkennt die Stärke ihres Opponenten an.
Schließlich
hält sie die Zeit aber für gekommen - und zeigt
einen Springboard Moonsault. Lunar Eclipse heißt die
Aktion, wenn wir Pete glauben dürfen. Und tatsächlich:
Sie geht durch. Das anschließende Cover ist dann schon
deutlich näher an der drei als an der zwei.
Die
Fans stehen hinter Luna. Natürlich hilft es da auch
etwas, dass Rotari nicht unbedingt der Liebling der Massen
ist, aber der Support ist dennoch unüberhörbar.
Luna
Rosario steigt auf das Top Rope.
Seit
ihrer Rückkehr hat sie eine neue Waffe - debütiert
gegen Robert Breads, noch einmal zur Schau gestellt gegen
Viggo, und aller guten Dinge sind bekanntlich drei.
Sie
springt mit einem Double Foot Stomp auf Rotari herab.
Der
sich aus dem Weg rollt.
Einmal
mehr hat Aiden aus den Fehlern seines Mentors gelernt, und
statt überall, außer auf dem Top Rope nach Luna zu
suchen, hat er von der Matte aus als Allererstes dort nach
ihr gesucht.
Das
rettet ihm hier den Hintern.
Luna
landet unsanft, das Sprunggelenk dürfte es ihr nicht
unbedingt danken, wirbelt aber sofort herum.
Und
läuft in die Lariat, die das Momentum kippt.
Die
eine, große Aktion, in die Aiden so gut wie alles legt,
um das Match an sich zu reißen. Er hat eine Menge
einstecken müssen, lange warten müssen, doch nun
hat es funktioniert. Er setzt sofort mit dem Cover nach, doch
Luna entkommt bei zwei.
Was
nicht heißt, dass Rotari mit seinem Latein am Ende ist.
Ganz
im Gegenteil.
Luna
liegt auf dem Rücken, Rotari beugt sich über sie.
Sie zieht schützend die Hände vor den Oberkörper.
Aiden
greift ihr rechtes Bein.
Grounded
Dragon Screw.
Luna
zischt laut auf, und als Rotari nachsetzen will, feuert sie
ihm das linke Bein entgegen, um die Attacke abzuwehren.
Das
sieht Aiden kommen und fängt es ab.
Grounded
Dragon Screw.
Auf
den unterdrückten Schmerzensschrei von Rosario folgt ein
klarer Plan von Aiden Rotari. An diesem Punkt wenig
überraschend zeigt sich einmal mehr, dass der
Ex-Champion ein cleveres Bürschchen ist. Er geht auf die
Beine von Rosario los - nicht einmal gezielt auf eines von
beiden, sondern immer im Wechsel, wenn sie es zu schaffen
scheint, einen Angriff zu antizipieren.
Was
sind die stärksten Waffen von Luna Rosario? Der New
Order Brainbuster. Rotari hat oft genug gegen Leviathan
gekämpft, um hier einen Konter zu wissen. Das war schon
gegen Breads ein Problem von Luna, das sie mit ihrem neuen
Finisher - dem Blackend, dem Double Foot Stomp - gelöst
hat.
Rotari
ist nicht so erfahren wie Breads mit Kicks, daher ist es
durchaus möglich, dass Luna mit dem Serpent's Kiss,
ihrem Spinning Heel Kick, gegen Aiden Erfolg haben könnte,
wo es gegen Breads nicht funktioniert hat. Oder aber sie
setzt auf den Blackend.
Beides
schwierig, wenn man angeschlagene Beine hat.
Und
so hämmert Rotari fröhlich mit Knee Drops, Elbows
und Stomps auf die Beine von Luna ein. Wenn sich die Chance
ergibt, streut er einen Dragon Screw ein, auch wenn Rosario
relativ schnell versteht, was Aiden da vorhat, und möglichst
vermeidet, ihm die Möglichkeit zu offenbaren.
Rotari
probiert gar kein Cover mehr an dieser Stelle. Es ist davon
auszugehen, dass er auf das Atlanta Clover Leaf hinarbeitet,
vielleicht auch auf eine andere Submission, aber darauf
deutet sein Plan hin.
Das
ist ziemlich offensichtlich. Auch für Rosario. Was nicht
heißt, dass sie es einfach vermeiden kann.
Sie
wird zunehmend verbissener, klammert und zerrt, wo sie kann,
sobald Rotari ihr nahe genug kommt. Allerdings hat Aiden
bereits während seines World Title Runs eine Sache
bewiesen: Er kann eine ganze Menge einstecken. Körperlich
muss man ihm einiges entgegenbringen, damit er einknickt.
Also
probiert Luna es psychologisch.
Als
er wieder einmal nach einem Bein greift, während Rosario
auf der Matte liegt - dem linken, diesmal, auch wenn beide
mittlerweile verdammt weh tun - wuchtet sie sich mit
beeindruckender Core Strength aus liegender Position hoch und
krallt sich in seinen Haaren fest.
Das
überrascht Rotari gerade lange genug, als dass Rosario -
quasi ohne jede Unterstützung ihrer Beine - an ihm
hochziehen kann, mit den Fingern in seine Schultern gräbt,
um den Hals, was ihn ins Wanken bringt, bis sie wie eine Art
Rucksack auf seinem Rücken hängt.
Es
sieht fast ein wenig albern aus, wie sie da an ihm hängt
wie ein rasiertes, wütendes Koala-Baby.
Dann
zeigt sie einen Back Rake.
An
sich keine übermäßig untypische Aktion. Nicht
unbedingt sportlich fair, klar, aber wir haben schon
dutzende, vermutlich hunderte Male gesehen, wie verzweifelte,
wütende oder gehässige Wrestler versuchen, anderen
den Rücken aufzukratzen.
Allerdings
noch nie so.
Luna
Rosario reißt buchstäblich
alte Narben wieder auf.
Das
klingt vielleicht martialischer als es ist. Im Endeffekt
hinterlässt sie in erster Linie tiefe, rote Streifen auf
der Haut. An einer Stelle jedoch schafft es ihr Fingernagel,
die Haut zu durchdringen. Nicht tief. Keine schwere
Verletzung. Aber genug, um ein wenig Blut
fließen zu lassen.
Ein dünner, roter Strom läuft Rotaris Rücken
herab, als er Luna endlich abschütteln kann und sie wie
ein Maikäfer in Rücklage auf der Matte landet.
Das
Blut
vermischt sich mit
Schweiß und jagt den Rücken von Aiden herab. Er
dreht sich zu Luna um.
Sie
streckt ihm, noch immer auf der Matte liegend, mit einem
gespielt-unschuldigen Lächeln den rechten Mittelfinger
entgegen.
Unter
dem Fingernagel schimmert sein Blut.
Luna
hat ihn tatsächlich ein wenig aus der Fassung gebracht,
und er attackiert sie direkt, ohne großen Plan, ohne
auf die Beine loszugehen - er will, in Ermangelung eines
besseren Ausdrucks, "die Fresse polieren".
Luna
braucht nicht mehr als diese eine, kleine Chance.
Sie
rollt blitzschnell zur Seite, stemmt den Körper hoch,
und wirft ihn dann nach vorne.
Der
Shining Wizard trifft Rotari am Kopf.
Doch
er hat seinen Preis.
Rosario
kann nicht nachsetzen. Der Schmerz in ihren Beinen
explodiert, als sie den Move durchzieht. Es scheint fraglich
zu sein, wer hier mehr Schaden genommen hat.
Bis
Luna humpelnd und mit zusammengebissenen Zähnen auf die
Füße hüpft.
Die
Crowd dankt es ihr mit Jubel. Ihr Körper dankt es ihr
nicht. Im Gegenteil.
Aber
was tut man nicht alles für diesen Titel.
Sie
stellt sich hin, in der exakt passenden Distanz. Das Publikum
kann erkennen, was sie vorhat. Sie wartet nur darauf, dass
Rotari sich aufrichtet. Dieser scheint sich erst nach links
abzurollen, überlegt es sich aus irgendeinem Grund aber
doch nochmal anders und rollt nach rechts. Dann steht er auf.
Luna
ist bereit. Sie weiß, dass das hier nach hinten
losgehen kann. Aber das Risiko muss sie eingehen.
Sie
feuert den Serpent's Kiss ab.
Und trifft.
Nur eben nicht ihren
Gegner.
Es
wird offensichtlich, warum sich Aiden mitten in der Bewegung
umentschieden hat - damit er näher bei Referee Bob
Taylor ist. Damit er im passenden Moment "das
Gleichgewicht verlieren" und "stolpern" kann.
Und, was für ein Zufall: Reflexartig klammert er sich an
Taylor fest. Reißt ihn "aus Versehen" zu sich
hin.
In
den Weg von Luna Rosario.
Sie
mäht Taylor um, auch wenn sie ihn nicht richtig trifft.
Der Referee ist ein gutes Stück kleiner als Rotari,
weshalb der Spinning Heel Kick den Ringrichter nur am Schädel
streift, anstatt ihn mitten ins Gesicht zu treffen.
Aber
es reicht, um ihn umzuwerfen.
Luna
knurrt wütend. Sie will sofort nachsetzen, aber das ist
ihr nicht möglich - das Bein verlangsamt sie.
Das
gibt Aiden genug Zeit, um ihr ziemlich stumpf den Ellbogen an
den Kopf zu knallen.
Nicht
kreativ, nicht elegant, aber funktional. Luna kippt hinten
über und scheint für einen kurzen Moment außer
Gefecht zu sein.
Bei
Aiden Rotari setzen sich währenddessen wie automatisch
die gewöhnlichen Prozesse in Bewegung.
Ein
kurzer Blick zu Bob Taylor, der sich stöhnend auf den
Bauch rollt - noch immer nicht in der Lage, das Match
weiterzuleiten. Als würde er mit einem Mal magisch davon
angezogen werden, läuft Rotari in die Ringecke.
Ein
Raunen geht durch das Publikum.
Er
beginnt, das oberste Turnbuckle Pad zu entfernen.
Es
sind schnelle, geübte Bewegungen, als er die Fäden,
die es an Ort und Stelle halten, entknotet. Eindeutig das
Werk eines Mannes, der das nicht erst einmal gemacht hat.
Aiden
ist schon so gut wie fertig, als er gestoppt wird.
Aber
nicht von Luna Rosario. Und auch nicht von Bob Taylor.
Das
Raunen in der Crowd gab es nicht deswegen, weil Aiden einmal
mehr betrügen wollte - sondern weil jemand die Rampe
hinunter hastete.
Jemand,
der noch eine Rechnung mit Aiden Rotari offen hat.
Der
ehemalige World Champion ist irritiert, als er seinen
früheren Herausforderer Rasmus Rantanen auf dem Apron
erblickt. Dieser hat die Hand auf das Turnbuckle Pad gelegt
und schüttelt leise lächelnd den Kopf, als er es an
Ort und Stelle hält.
Rotari
versteht nicht. Rasmus attackiert ihn nicht. Verhindert bloß,
dass er betrügen kann.
Das
kostet Aiden genug Zeit, als dass Luna sich wieder
hochwuchten kann.
Und
mit zitternden Beinen ihren ganzen Körper nach vorn
wirft.
Von
ihrer Position aus kann sie Rantanen hinter Aiden nicht
sehen. Er steht auf der Ringtreppe, Rotari mit seinem Körper
davor. Luna sieht bloß, dass Aiden sich am Turnbuckle
Pad zu schaffen macht.
Sie
knallt ihm einen Ellbogen in den Nacken.
Der
Absolute Zero in der Ringecke trifft.
Hastig
hüpft Rasmus herab, duckt sich hinter dem Apron weg und
schaut, ob Rosario ihn bemerkt. Das tut sie nicht. Sie ist
voll und ganz auf Rotari konzentriert, der wie eine
Bahnschranke nach hinten kippt.
Verstohlen
eilt Rasmus die Rampe herab, während der Blick von
Rosario zu Bob Taylor wandert.
Der
Referee macht Anstalten, sich wieder zu erheben.
Sie
beißt sich auf die Zunge. Dann beißt sie in den
sauren Apfel.
Alles
oder nichts.
Aiden
regt sich nicht. Ist er wirklich platt - oder stellt er sich
nur tot?
Zuzutrauen
wäre es ihm.
Luna
hat ihre Entscheidung getroffen.
Langsamer,
als sie es sonst tut, und mit einem Ausdruck in den Augen,
der wilde Entschlossenheit erkennen lässt, erklimmt
Rosario das Top Rope.
Bob
Taylor hat sich aufgerappelt.
Die
menschliche Zielscheibe Aiden Rotari liegt bereit. Das dunkle
Haar verdeckt sein halbes Gesicht. Bis auf die sich hebende
und senkende Brust gibt es kein Lebenszeichen.
Rosario
springt.
Ihre
Beine sind ziemlich im Eimer. Das hier ist ein "Killshot"
- für einen von ihnen, mindestens. Sie zeigt den Double
Foot Stomp, den Blackend, und weiß um das Risiko. Sie
kann diese Aktion nur einmal zeigen. Danach sind ihre Beine
Toast.
Wenn
sie trifft und Rotari besiegt? Dann war es das wert.
Wenn
er anschließend auskickt? Ist sie am Ende.
Wenn
er ausweicht? War es das für sie.
Für
sie und ihre Chance, GFCW World Champion zu werden.
Die
Zeit, die sie in der Luft zu stehen scheint, fühlt sich
zähflüssig an.
Als
warte man nur darauf, dass Rotari seinen Ausweg offenbart,
sie irgendwie drankriegt.
Aber
das bleibt aus. Luna landet auf Aidens Brust wie ein
Vorschlaghammer auf eine Gummipuppe.
Luna Rosario
trifft. Und
schreit.
Sie
schreit vor Schmerzen, aber das Adrenalin und pure
Willenskraft zwingen ihren Körper dazu, zur Seite zu
kippen. Mit zwei bebenden Händen drückt sie die
Schultern von Aiden Rotari auf die Matte.
Sie
schließt die Augen und hofft inständig, dass
dieser dreckige Bastard es nicht zustande bringt, sich noch
einmal zu befreien.
Alles
oder nichts. Jetzt zählt's.
Der
Referee zählt.
Rosario
hört, wie er auf die Matte schlägt.
Einmal.
Zweimal.
Rotari
atmet nach Luft schnappend ein. Halb Stöhnen, halb
Röcheln. Luna beißt sich auf die Zunge und drückt
ihn so fest sie kann nach unten.
Das
Herz rutscht ihr in die Hose.
Das
Leben kehrt in Aiden Rotari zurück.
Aber
es ist zu spät.
Dreimal.
Siegerin
des Matches durch Pinfall und somit No. 1 Contender für
die GFCW World Championship: Luna Rosario
Jubel
brandet auf. Dortmund springt und freut sich zu den
beginnenden Klängen von Holy Wars mit der neuen
Herausfordererin auf den wichtigsten Titel der GFCW. Bob
Taylor, selbst noch etwas groggy, will ihren Arm heben - aber
Luna bittet ihn, sich zu ihr auf die Matte zu setzen. Ihre
Beine schmerzen mehr denn je. Sie hat sich mit dieser letzten
Aktion selbst die untere Körperhälfte zerballert.
Sei's
drum, das war's wert. Einen Moment lang zögert der
Ringrichter, dann zuckt er mit den Schultern und lässt
sich ächzend neben ihr nieder. Rosario streckt stöhnend
beide Beine von sich, legt den Kopf in den Nacken, aber
schmunzelt leise, als der im Schneidersitz befindliche Taylor
ihren rechten Arm in die Höhe reckt.
Währenddessen
rollt Rotari sich aus dem Ring. Ein kurzer Blick zu Rosario,
dann aber Richtung Rampe. Richtung Rasmus Rantanen. Was ist
da passiert?
Das
gilt es wohl noch zu erfahren. Doch was wir jetzt schon
wissen: Luna Rosario wird Ask Skógur um die GFCW World
Championship herausfordern. Es ist ziemlich genau zwei Jahre
her, als sie Antoine Schwanenburg um denselben Titel
herausforderte - und verlor. Drake gewann ihn davor. Zane
gewann ihn danach.
Es
wird Zeit, dass sie mitzieht. Sie bekommt ihre zweite Chance,
die Nummer eins zu werden.
Drei
Matches, drei Siege seit ihrer Rückkehr. Zwei ehemalige
World Champions, ein ehemaliger Intercontinental Champion.
Wir sehen im Moment die beste Luna Rosario, die es je gab.
Nur
noch ein Schritt. Nur noch ein Match. Nur noch ein Sieg.
Nur
noch…
...er.
Mit
strammem Schritt, mit der Körpersprache, der
Ausstrahlung und dem Selbstverständnis dessen, was er
mittlerweile ist und repräsentiert… Ja: Mit der
Aura des World Champions tritt Ask Skogur durch den Vorhang.
Rotari? Vergangenheit. Rantanen? Vielleicht ferne Zukunft.
Zumindest für ihn, jetzt, hier. Das ist alles was zählt.
Der Titel auf seiner Schulter. Der heutige Tag. Der nächste
Kampf.
Unfähig,
sich standesgemäß auf die Beine zu schieben, sitzt
Rosario noch immer im Ring, mit den Armen hinter dem Rücken
abstützend, der Brustkorb hebt und senkt sich noch immer
in einem ungesunden Tempo… Doch eines funktioniert.
Mit der Ausstrahlung und dem Selbstverständnis dessen,
was sie jetzt erneut ist, weitet sich das Grinsen noch
einmal. Über Asks Schulter blitzt der GFCW Titel. So nah
und doch so fern war sie in zwei Niederlagen gegen Antoine
Schwanenburg.
Und
hier stand nun jemand, der fast so etwas wie ein ferner
Weggefährte war und ist und trug ihn. Ein Kämpfer
durch und durch. Eine Kriegerin durch und durch. Und der
Zeitpunkt der Schlacht war festgesetzt.
Langsam
tritt Skogur die Stufen hinauf und blickt mit einem
anerkennenden Nicken auf Luna, welche sich langsam,
schwerfällig, wankend auf die Beine begibt. Doch Ask
würde nicht über ihr stehen. Nicht heute. Nicht
morgen. Nicht bei Brainwashed. Eisern fixieren sich die
Blicke der beiden, Ask bricht den Augenkontakt nichtmal, als
er durch die Ringseile steigt. Nur wenige Zentimeter trennen
die Beiden, als Ask sich sicher vor ihr aufbaut und langsam
seinen Titel in die Höhe hält. Sie war keine
Feindin. Sie war eine Herausforderin. Nicht mehr, doch erst
Recht nicht weniger. Doch Rosario würdigt das Gold
keines Blicks. Sie blickt starr auf Ask.
Luna:
„Genieß sie… die letzten Wochen des
Hirsches.“
Und während Skogur
kommentarlos weiter seine Herausforderin in den Boden blickt,
fängt die herauszommende Kamera noch den ausgestreckten
Mittelfinger Rosarios ein, während neben den üblichen
Trademarks noch die Grafik aufflimmert: