Mike Müller erschreckt sich fast zu Tode, als er um die Ecke kommt.

Der wie gewohnt im Vergleich zur sonstigen Opulenz der Promotion spartanisch gehaltene Backstage-Bereich von Stranded innerhalb des Zelts gibt nicht genauso viel Platz her wie das bei einer Show in einer Halle der Fall ist, aber dennoch genug, als dass man sich aus dem Weg gehen kann, wenn man es denn möchte.


Mike Müller: “Ich... ich wusste nicht, dass du... hier bist.”


Und das erklärt, warum das nicht passiert ist. Müller ist bereits geduscht, umgezogen und trotz der Enttäuschung über seine erneute Niederlage nicht vollkommen ohne Optimismus. Seine Performances haben sich verbessert, seit er James Corleone begegnet ist, und das Match im Main Event zwischen dessen Schützling (oder Besitzer, je nachdem, wen man fragt) und Mikes altem Weggefährten Aiden Rotari wollte er sich wohl nicht entgehen lassen.

Nun aber steht ihm die eine Person im Weg, die er vermutlich am allerwenigsten sehen möchte.

Lorenz, der Marketing-Mensch.


Lorenz: “Oink, Oink, kleines Schweinchen. Schon wieder verloren?”


Sofort sinken die Schultern von Mike, der Blick geht in Richtung der eigenen Füße.


Mike Müller: “Es war...”


Müller trifft eine Entscheidung: Diesmal wird er es nicht so einfach hinnehmen.


Mike Müller: “Ich werde besser. Ich komme näher ran. Bald werde ich bestimmt...”

Lorenz: “Klingt nach den Ausreden eines Verlierers.”


Betont gelangweilt starrt Lorenz auf die Nägel seiner Finger, die mit dem Lanyard um seinen Hals spielen. Dabei schaut er durch seine Aviator Brille, schließlich ist in diesem Jahr die XL-Fliegerbrille einer der It-Trends und versprüht mit Farbverlaufsgläsern Bohemian Vibes. Dabei zeigen übergroße Acetat-Rahmen aus nachhaltigen Materialien große Wirkung! Alle Minimalisten setzen auf dezente Metall-Silhouetten, die ein Hauch von Raffinesse ins Gesicht zaubern. Perfekt zum Trend eignen sich unsere Transition-Gläser für einen #DayToNight Look. Die Fokusgruppe hat ergeben, dass Menschen zu 12,59 % bereiter sind, jemandem Glauben zu schenken, der ein solches Modell trägt, statt unbebrillt durch die Gegend zu stolzieren.


Lorenz: “Was weniger schlimm wäre, wenn du wenigstens “The Mirror” gut rüberbringen würdest. Das war der Deal, weißt du noch? Wir teil-finanzieren deinen GFCW-Vertrag, weil du – das möchte ich noch einmal betonen – nicht gut genug warst, um auf normalem Wege einen zu erhalten. Wir machen dich berühmt, mit unserer mächtigen Marketing-Maschine, zum Kult-Helden, zum Liebling der Massen, und dann erzählen wir einem Haufen anderer junger Talente, das wir das Gleiche für sie machen können, wenn sie uns doch nur ein hübsches Honorar bezahlen. Aber wenn du ein Loser ohne ansprechende Persönlichkeit bleibst, wird das schwierig. Es wäre ideal, wenn du den Teil mit dem Verlieren ändern könntest, aber da hatten wir nie viel Hoffnung. Deshalb solltest du zumindest- wirklich, das Allermindeste – an der öffentlichen Persona festhalten, die wir mit der Fokusgruppe entwickelt haben.”

Mike Müller: “Aber ich raff’s nicht! Ich soll immer nur Wörter oder Sätze sagen, die irgendwie deep klingen, irgendwas mit sozial und relevant und kritisch und post-modern oder so, und dann... ich raff’s nicht. Ich habe das Gefühl, ich rattere nur Stichwörter runter, die gar keinen Zusammenhang...”

Lorenz: “Buzzwords.”


Müller stockt.


Mike Müller: “Wie bitte?”

Lorenz: “Wir sagen “Buzzwords”, und nicht “Stichwörter”. Teil der Globalisierung von Sprache im Business-Sektor. Geh mit der Zeit.”


Einem Anfang 20-jährigen so etwas zu sagen ist irgendwo absurd, zumal Lorenz – den man optisch schwer einordnen kann – vermutlich älter sein dürfte.


Lorenz: “Und du hast Unrecht. Buzzwords sind ein Teil des großen Ganzen, ein synergetisches Konzept welches alles andere als inhaltslos ist. Du bist bloß zu dumm, um es zu verstehen.”


Das trifft Mike, und nun wird er doch wieder ein wenig kleiner. Sein Widerstand bröckelt. Seine GFCW-Karriere hat damit angefangen, dass er von Aiden Rotari nach Strich und Faden ausgenutzt und hinters Licht geführt wurde. Seitdem haftet ihm ein wenig das Image des Idioten an, das so schwer loszuwerden ist, und Müller ist eindeutig unsicher über die eigene Intelligenz.


Mike Müller: “Ich wollte nicht...”

Lorenz: “Ruhe. Wir haben genug gesehen. Du hattest ein paar Freiheiten, du durftest machen, und nun, da bewiesen ist, dass das zu nichts führt, und du sogar - während wir dich bezahlen, möchte ich anmerken – damit kokettierst, einem Typen wie James Corleone zu folgen statt unseren Anweisungen, wird es Zeit, die Leine nicht nur wieder anzulegen, sondern kürzer zu halten.”


Mike schluckt während Lorenz verächtlich schnaubt.


Lorenz: “James Corleone. Er hat nichtmal Social Media, soweit ich weiß. Was will man von so jemandem?”

Mike Müller: “Er... er hat seinen Klienten zum World Champion gemacht.”

Lorenz: “Da ist das Problem. Deine Prioritäten sind ganz falsch.”


Und damit hätten wir auch geklärt, worum es Lorenz geht – ein Titel ist für einen Wrestler kein Selbstzweck, sondern ein Weg zu mehr Reichweite, mehr Followern, mehr Likes.


Lorenz: “Wir sollten nicht so großzügig sein, aber an diesem Punkt haben wir genug in dich investiert, als dass wir dir noch eine zweite Chance geben. Aber lass dir die Details von meiner Begleitung empfehlen.”


Nun kriecht ein neuer Ausdruck in die sich weitenden Augen von dem Mann, der “The Mirror” wohl nun hinter sich lassen wird: Furcht.


Mike Müller: “Ist etwa... der Boss hier?”


In diesem Moment bewegt sich etwas im Hintergrund der Szene – und “Grund” ist ein gutes Stichwort (pardon, Buzzword), denn der Boden beginnt zu beben. Die Kamera schwenkt um, und einige Meter von Lorenz und Mike entfernt schießen Gliedmaßen aus dem Boden. Wie Tentakel schlingern sie umher, während der dazugehörige Körper nicht mit den eigenen Händen freigeschaufelt wird, sondern durch eine Art rhythmische Vibration Stück für Stück von Sand befreit wird. Die Kreatur, deren Schädel nun langsam sichtbar wird, trägt eine Sauerstoffmaske – wohl nötig, um diesen Entrance hinlegen zu können... wie lange liegt er da wohl schon? - und einen entsprechenden Tank auf dem Rücken. Das Monstrum richtet sich auf, reißt sich die Maske vom Gesicht, schmeißt den Tank mit voller Kraft, soweit er kann (nicht ganz einen Meter) und brüllt während es die Seeluft einatmet und seine Lungen nach einem vermutlich selbstverschuldeten Martyrium im Sand wieder ihren Job tun lässt.

Das alles sieht übertrieben scheiße und peinlich aus.


Maximilian Lunenkind: “Der Boss ist hier!”


Ob er damit sich selbst meint oder bloß Mikes Frage unabhängig davon beantwortet bleibt ungeklärt. Während er hechelnd zu den beiden jungen Männern marschiert tropft Speichel von seiner absurd langen Zunge auf sein vom Sand verkrustetes “Sagt einfach AserbaidJA!”-T-Shirt. Er beäugt Müller gründlich.


Maximilian Lunenkind: “Oink, Oink?”


Mike tritt einen Schritt zurück. Da er nicht fragt, was die personifizierte Peinlichkeit hier macht, kann man davon ausgehen, dass Müller es weiß - und Lunenkind legt in diesem Moment Lorenz locker und vertraut einen Arm um die Schulter. Lorenz schielt zu Lunenkinds Zunge und scheint froh zu sein, dass ihm zumindest diese erspart geblieben ist.


Maximilian Lunenkind: “Das Schweinchen antwortet nicht, Loredana.”

Lorenz: “Lorenz.”

Maximilian Lunenkind: “Wer?”

Lorenz: “Ich.”

Maximilian Lunenkind: “Achsoooooooooo.”


Lunenkind klatscht sich mit der Zunge vor die Stirn. Belustigt über seine eigene Vergesslichkeit schüttelt er den Kopf.


Maximilian Lunenkind: “Ich Dummerchen, kihihi.”


Lorenz löst sich so elegant wie möglich aus der Umklammerung und räuspert sich.


Lorenz: “Wir haben uns entschieden, Herrn Lunenkind...”

Maximilian Lunenkind: “Lorenzkind.”

Lorenz: “...wie bitte?”

Maximilian Lunenkind: “Dein Sohn.”


Lunenkind wiehert vor Lachen, aber eindeutig eher wie ein Zebra und nicht so ein Pferd. Von Seiten Lorenz wird dieser “Witz” nicht kommentiert und so gut es geht ignoriert.


Lorenz: “...ihn hinzuzuziehen. Du weißt schon Mike, als jemanden, dessen Name niemand je vergisst. Als eine Institution im Gedächtnis der GFCW-Galaxie. Als jemand, der viral gegangen ist. Und trotzdem einen Titel gewonnen hat, Mike.”


Das ist die Wahrheit. Lunenkind war im Jahr 2013 als Teil der “Mystery-Spasten-Zerficker" Tag Team Champion mit Max Mustermann, dem Mann, der eigentlich ein Schaf war, das eigentlich der Teufel ist. Nichts davon ist gelogen.


Lorenz: “Jemand mit First Hand Experience. Der Boss war entzückt von seinem neusten Vorschlag, und er wird dir hoffentlich genauso gut gefallen. Falls nicht... nunja... ist das dein Problem.”


Ein Vorschlag von Maximilian Lunenkind kann eigentlich nur furchtbar sein, aber bevor Mike reagieren kann, wird er bleich. Wir können es noch nicht sehen, aber der Blick von Müller ist fokussiert auf etwas oder jemanden außerhalb des aktuellen Bildes. Lunenkind und Lorenz teilen sich als wären sie die See um Moses hindurchzulassen, und auch hier machen sie Platz für eine beinahe mystische Gestalt, welche führt - den Boss.

Die Person tritt zwischen den beiden Männern hindurch. Sie mustert Mike Müller mit kalter Geringschätzung, bevor sie ihre Arme verschränkt und mit der Zunge schnalzt.


Mike Müller: “H-h-Hallo...”


Aus Gründen, die nun ein wenig offensichtlicher sind als zuvor, ist Mike furchtbar gestresst. Er steht kurz vor einer Panik, aber reißt sich so gut es geht zusammen. Der Blick der Person ist so eisig wie er herablassend ist, und bevor überhaupt ein Wort gesprochen wird fühlt Müller eine ungefilterte Welle der Enttäuschung und Wut, die ihm direkt ins Gesicht schlägt.


Maximilian Lunenkind: “Begrüßt man so Business-Luder Lerbitz?”


Die Ex-Frau von Markus Lerbitz verengt ihre Augen zu schlitzen, als Mike nichts erwidert. Sie ist der Boss, von dem geredet wurde.


Lorenz: “Den Teil des Brand-Namens benutzen wir nicht mehr. Die Fokusgruppe findet, es ist zu negativ konnotiert und könnte problematisch sein, auch wenn es “kultig” und “locker” rüberkommt.”

Maximilian Lunenkind: “Lerbitz?”

Lorenz: “Luder.”

Maximilian Lunenkind: “Selber.”

Lorenz: “Wir sagen jetzt “Entrepreneurin Lerbitz”, Herr Lunenkind.”

Maximilian Lunenkind: “Achsoooooooooo.”


Die kurze Diskussion zwischen ihren Untergebenen aufgreifend spricht sie zu Mike. Jedes Wort wirkt wie ein Schwerthieb.


Entrepreneurin Lerbitz: “Weißt du, warum ich den Namen “Lerbitz” behalten habe?”

Mike Müller: “W-w-weil sie... kein Bock auf Standesamt hatten?”


Erneut ein Schnalzen mit der Zunge. Sie schafft es mit dieser simplen Geste unglaublich wertend zu klingen – und scheint Mike nicht unbedingt zu schätzen.


Entrepreneurin Lerbitz: “Aus dem gleichen Grund, aus dem Krieger ihre Narben nicht entfernen lassen. Es ist meine Narbe. Es zeigt, was ich überlebt habe – die Ehe mit Markus. Und das soll allen eine Lehre sein: Wenn ich das überstanden habe, überstehe ich alles.”


Markus Lerbitz wird also auch weiterhin verbal unangespitzt in den Boden gerammt.


Entrepreneurin Lerbitz: “Ich habe die Hölle auf Erden durchgemacht, und nichts, aber auch nichts, was irgendjemand tut, wird mich je brechen, wenn diese Ehe es nicht geschafft hat, Mike. Ich habe es mit ganz anderen Kalibern zu tun gehabt als du. Du weißt nicht, wie gut du es hast. Du heulst herum, weil du ein- oder zweimal Dinge machen sollst, die dir nicht in den Kram passen, aber ignorierst, wie verdammt priviligiert du bist. Ohne uns könntest du deinen GFCW-Traum in die Tonne treten und sie anschließend gleich verbrennen, denn niemand außer uns wird jemals daran glauben, dass aus dir etwas werden kann.

Von nun an wirst du dich daran erinnern. Jeden Tag. Und erwische ich dich auch nur einmal bei irgendeiner albernen Undankbarkeit gegenüber mir, Lorenz oder Herrn Lunenkind...”

Maximilian Lunenkind: “Das bin ich.”

Entrepreneurin Lerbitz: “...werden wir dich austauschen.”


Die Dame lässt sich nun von Lorenz einen Beutel geben.


Entrepreneurin Lerbitz: “Der neue Charakter, den die Fokusgruppe für dich entwickelt hat, ist maskiert. Das heißt, dass du ersetzbarer denn je wirst.”


Eine eindeutige Drohung. Sie meint es ernst – sollte Müller noch einmal aus der Reihe tanzen, wird Entrepreneurin Lerbitz die Konsequenzen ziehen. Und wenn sie ihre Finanzspritze an die GFCW einstellt, um Mike nicht nur zu beschäftigen, sondern auch ins TV zu packen, dürfte es das für die Karriere eines Under-Performers gewesen sein.


Lorenz: “Die Merchandise-Verkäufe mit Masken im Pro-Wrestling können gigantisch sein. Kinder werden es lieben. Man kann die Maske weiterreichen, oder einen Spin-Off-Charakter kreieren, wenn wir die ersten jungen Fische an der Angel haben, um direkt eine Connection mit der Audience herzustellen und die lästige Etablierungsphase zu überspringen, die so furchtbar unprofitabel ist. Die Entwicklung dieses Charakters war eine grandiose Idee.”

Entrepreneurin Lerbitz: “Wobei “Entwicklung” nicht unbedingt das richtige Wort ist. Es ist mehr eine... “Wiederentdeckung”. Denn nichts ist momentan so sehr im Trend wie Nostalgie.”


Eifrig nickt Lorenz. Er trägt seine Fakten vor, als ginge es um sein Leben. Er hat sich eindeutig gut vorbereitet und liefert die Exposition zu Entrepreneurin Lerbitz’ Worten, ob aus Furcht vor den Konsequenzen, falls er das nicht tut, oder aus dem Wunsch heraus, sich beliebt zu machen. Lunenkind glotzt dämlich.


Lorenz: “Ganz genau. Die beliebtesten Songs enthalten Samples alter Hits. Die meisten erfolgreichen Filme sind Re-Makes oder Fortsetzungen. Nostalgie ist im Moment der Garant schlechthin für jede Art von Erfolg. Deshalb mussten wir einfach zuschlagen, als wir durch Zufall herausfanden, dass die IP eines alten GFCW-Wrestlers abgelaufen war – Herr Lunenkind hat uns darauf aufmerksam gemacht.”

Maximilian Lunenkind: “Jo.”

Entrepreneurin Lerbitz: “Niander Cassady-Taylor hatte mit Brainpain die richtige Idee, aber das Original war zu bekannt, und es war kein maskierter Wrestler. Das macht es so viel leichter, wie wir aus dem Lucha Libre lernen können... auch wenn dein neuer Brand eher... fernöstlich inspiriert ist.”


Lerbitz öffnet den Beutel in ihren Händen und hält die Maske hoch, die darin verborgen war. Müller steigen heiße Tränen in die Augen.


Lorenz: “Mach “Oink!”, du kleines Schweinchen.”

Maximilian Lunenkind: “Oink! Oink! Oink!”

Entrepreneurin Lerbitz: “Du, Mike... wirst die Reinkarnation des Great Pigster.”



GFCW World Championship Titlematch:

The End (c) vs. Aiden Rotari

Referee: Mike Kontrak



Main Event Time.

Beim letzten Pay-Per-View stand sein Mentor, Partner und vielleicht einziger Freund nach an seiner Stelle. Robert Breads ist nicht nur gescheitert, sondern seitdem vom amtierenden Champion noch einmal platt gemacht worden, vielleicht noch deutlicher als beim ersten Mal.

Das soll dem Herausforderer am heutigen Abend nicht passieren, wenn es nach ihm geht.

Aiden Rotari tritt auf die Stage, der Strand in Bayern in ein bläuliches Licht getaucht, und blickt stur zum Ring. Es gibt wenig bis gar keine Liebe für den Feigling, den Verräter, den Politiker, der sich dieses Match durch eine Mischung aus Glück und Verschlagenheit sichern konnte, nicht über ein No. 1 Contender’s Match oder ähnliches.

Dabei kann man glatt vergessen, dass Aiden Rotari in diesem Jahr alle seine Matches gewonnen hat. Ohne Ausnahme.

Das Problem: Keiner dieser Gegner war The End.

Ohne sich zu beeilen, marschiert Aiden drauf los. Er hat kein T-Shirt an oder sonstiges, ist bereits in voller Ring-Montur, und stampft durch den Sand. Es könnte der Weg zu seiner Hinrichtung sein. Oder zu seiner Krönung.

Eine ungemeine Diskrepanz, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Schon gar nicht gegen den GFCW World Champion, The End.

Rotari schlängelt sich den Strand entlang zum Ring, betritt diesen aber nicht. Stattdessen geht er um ihn herum, die Reaktionen der GFCW-Galaxie auf ihn ignorierend. Dort bleibt er stehen, hinter dem Ring, noch immer auf körnigem Boden, und den Blick nun stur Richtung Entrance gerichtet.

Das Produktions-Team scheint damit auch ein wenig überfordert zu sein. Sie spielen weiter die Musik, warten darauf, dass Aiden den Ring betritt, damit sie sie einstellen können, aber das tut er nicht. Er regt sich nicht. Offenbar gedenkt er, hier auf The End zu warten: Außerhalb des Schlachtfelds.

Er wird nicht eine Sekunde länger als nötig mit The End auf eben diesem stehen.

Schließlich verstummt der Theme Song. Die Lichter werden wieder auf die Standard-Einstellung zurückgestellt. Rotari reagiert auf keins von beidem. Er hat den Entrance-Bereich fest im Visier.

Er ist bereit für den Kampf seines Lebens.

Verglichen damit, wie dunkel Hallen oder Arenen werden, sobald alle Lichter und Beleuchtungen heruntergefahren und ausgeschalten werden, wird es hier, unter freiem Himmel, nicht derart dunkel.

Aber dunkel genug, damit die Atmosphäre aufkommen kann, die den aktuellen World Champion ankündigt. Die Sonne ist bereits runtergegangen, alle sonstigen Lichter werden nun auch ausgeschalten und so beginnt sie – die finale Ruhe vor dem Sturm.

Es wird noch einmal kurz zu Aiden Rotari geschalten, der sich außerhalb des Ringes positioniert hat. Solang er sich noch von The End fernhalten kann, wird er das auch tun. Es liegt eine Anspannung in der Luft, bei Aiden, beim Publikum, bei jedem.

Jede Sekunde könnte die Musik des Champions ertönen und sobald das der Fall ist, ist die Zeit des Weglaufens für Aiden Rotari vorbei. Dann wird es zu dem Match kommen, dass sich nun über Monate hinweg aufgebaut hat.

Und schließlich…

Ist es so weit.



Die Stage wird nun mit Rauch erfüllt, der durchleuchtet wird von einigen, wilden, roten Scheinwerferspots, passend zur musikalischen Untermalung von Ends Entrance Theme. Abgesehen davon erklingt nun auch das altbekannte Pfeifkonzert an Buh-Rufen.

Doch es dauert etwas, bis wir den Champion auch tatsächlich sehen. Wir können erkennen, wie eine Person in den Rauch hineintritt und erst, als dieser langsam etwas zurückfährt, mit dem Beginn des Gesangs im Theme des Champions, wird erkennbar, dass es sich dabei tatsächlich um The End handelt.

The Champ is here.


Dabei ergibt sich ein wahrlich beeindruckendes Bild, welches dem Champion gerecht wird. Es hat etwas Diabolisches, etwas Ehrfürchtiges, aber auch etwas Beeindruckendes.

End trägt seine schwarze jeans-artige Wrestlinghose und am Oberkörper lediglich die Jacke des „Eternal Champions“ die ihm einst von Drake vermacht wurde. Damals noch freiwillig, wie sich das entwickelt hat, ist aber hinlänglich bekannt. Aber für solch einen Anlass, kann man diese Jacke – sei es auch nur aufgrund dessen, dass er in Richtung Leviathan nachtreten will – ruhig mal rausholen. Vor allem aber sticht natürlich der GFCW World Title heraus, den sich The End um seine Hüften geschnallt hat. Und so schreitet der Champion nun seinen Weg zum Ring heran.

Während End seinen Weg zum Ring also beginnt, kann man bei Aiden Rotari Nuancen der Verwunderung erkennen, denn irgendwas scheint verwunderlich. Wo ist Corleone?

Erst als The End den Ring bereits erreicht hat, tritt aber auch dieser auf die Stage. Langsam, zurückhaltend und eher im Hintergrund folgt er seinem Champion und Klienten auf dem Weg ins Seilgeviert. Rotari ist… beruhigt?

Es bleibt alles weitestgehend dunkel, bis The End den Ring tatsächlich geentert hat. Der Champion wirkt fokussiert, sein Blick ist auf Aiden Rotari gebannt, der noch immer außerhalb des Ringes steht. Aber so ernst The End auch ist, ein süffisantes Grinsen kann er sich nicht verkneifen. Schließlich weiß er, dass Aiden Rotari „Angst“ vor ihm hat und dass das auch weniger gelogen ist, als es sich Aiden Rotari vermutlich eingestehen würde.

Wie auch immer. The End steht im Ring, auch Corleone hat diesen mittlerweile erreicht und ihn betreten, um sich hinter seinen Schützling zu stellen. Der Champion feiert nicht großartig, dafür ist dann noch Zeit, wenn er dieses Match gewonnen hat.

Er stellt sich provokant in Richtung Aiden Rotari auf und winkt diesen hinein. Rotari folgt dieser Aufforderung langsam, aber bestimmt.

Denn jetzt ist es so weit.

Jetzt wird gekämpft.

Die Glocke läutet. Es geht los.

Im gleichen Moment geht ein heftiger Windstoß durch die Menge an gespannten GFCW-Fans am Strand. Einige frösteln, andere ziehen zuvor abgelegte Jacken wieder an. Es wird nicht nur spät, es scheint fast so, als wolle das Wetter den Kompetitoren eine Vorwarnung geben.

Die Frage ist bloß, was die Message ist – und wem sie gilt.

Rotari ergreift die Initiative. Ungewöhnlich für ihn, wo er doch sonst ein sehr reaktiver Wrestler ist. Aber hier macht er den ersten Schritt, und zwar buchstäblich, indem er vortritt – und The End die Hand reicht.

Der Champion wechselt einen kurzen Blick mit Corleone am Ring, dann gilt seine volle Aufmerksamkeit Aiden Rotari. Das ist mal wieder eine so offensichtliche Falle, dass es vollkommen absurd wäre, sich darauf einzulassen – aber The End hat offen kommuniziert, dass er keine Angst vor Rotari hat. Also tritt er an Aiden heran, doch starrt ihm in die Augen statt auf seine Hand.



Rotari fährt sich durch die Haare, bevor er einen Schritt zurück geht und nickt. Auch das fällt wohl unter die Kategorie “versuchen muss ich es ja”. Das hat er bei dem Mann, der hier am Ring steht, aber seinen Gegner betreut, auch schon gesagt.

Währenddessen verweilt The End beinahe seelenruhig im Ring. Seine Körpersprache strahlt ein stilles Selbstbewusstsein aus, das nur jemand haben kann, der so lange und so dominant Champion gewesen ist wie The End. Seine Liste an Titelverteidigungen – oder Opfern – ist mit Hall of Famern und zukünftigen Hall of Famern gespickt. Aiden Rotari ist bislang nichts von beidem, und wären da nicht die Augen eines aufmerksamen Jägers könnte man fast annehmen, The End nähme Rotari kaum ernst.

Aber das tut er. Er ist sich lediglich der Tatsache bewusst, dass er hier am längeren Hebel sitzt. Solange er sein Ding durchzieht und Rotari keine Schwachstelle offenbart, keinen seiner Tricks anwenden lässt, wird er gewinnen. Das hat der Herausforderer selbst zugegeben.

Aiden Rotari könnte das perfekte Match wrestlen, und es würde nicht reichen, solange nicht irgendwo bei The End ein Fehler passiert. Vor allem deshalb hat Aiden im Vorfeld schließlich James Corleone ins Visier genommen.

Rotari hat eindeutig einen Game Plan, vermutlich sogar mehr als einen, und sein erster Schritt scheint darin zu bestehen, The End ins Grappling zu zwingen. Ein etwas überraschender Zug, doch End lässt sich drauf ein.

Beide sind gut auf der Matte, aber es ist keine Spezialität von einem von beiden. Was eindeutig offensichtlich wird: End ist zwar nur marginal größer und schwerer als Rotari, aber deutlich stärker. Aiden versucht das ungewohnt zu kompensieren: Er wird ein wenig fancy auf der Matte.

Shades of Schwanenburg” sind zu sehen, der Einzige der “Großen” der letzten Jahre, mit denen The End keinen großen Kontakt hatte. Mike Kontrak schaut genau hin, während Aiden wenig überraschend etwas überraschendes probiert: Schließlich muss er The End irgendwie auf dem falschen Fuß erwischen.

Das Problem ist, dass Aiden zwar weiß, wie die Holds funktionieren, die er von seinem Rivalen aus dem letzten Jahr – den er vor einigen Monaten noch aus der Liga entfernt – abkupfert, aber sie weder so schnell noch so technisch sauber hinbekommt. Er kann End damit immer wieder in die Nähe eines Submission Holds bringen, aber das Ganze nie vollenden – der Champion ist immer schnell genug, um die nicht ganz perfekten Griffe und Wendungen entweder kommen zu sehen oder sich herauszudrehen und zu wenden.

Dazu kommt, dass Rotari das Talent zur Improvisation bei diesen Manövern abgeht. Er hat sie eindeutig studiert und auswendig gelernt, aber kann sie nicht spontan kombinieren oder variieren, weshalb End nach einer Weile auf der Matte sogar die Oberhand gewinnt.

Ein kleiner moralischer Sieg zu Beginn und ein Statement: Rotari hatte grapplen wollen, The End hatte sich auf das Spiel seines Gegners eingelassen und ihn nun darin übertroffen.

Ein dominanter Champion. Ein starker Champion. Um sich bei einem alten bekannten von The End zu bedienen: Eternal Champion?

Momentan sieht es fast danach aus.

The End setzt nicht auf Finesse, sondern solide Basic Holds, dafür aber mit enormer Kraft und ganz bewusst eingesetzter Rücksichtslosigkeit. Referee Kontrak ist nah am Geschehen, und The End weiß ganz genau, wie weit er gehen darf um Rotari noch ein wenig extra Schaden zuzufügen, ohne, dass der Ringrichter dazwischen geht.

Er hat den Schmalen Grat zwischen “brutal” und “zu brutal” gefunden und wandelt mit schlafwandlerischer Sicherheit darauf.

Rotari versucht sich mit Elbows und Tritten aus Headlocks und Wristlocks zu befreien, doch The End steckt diese entweder weg oder weicht geschickt aus. Er hat nicht viele verschiedene Manöver am Boden zu bieten, aber die, die er hat, weiß er hervorragend einzusetzen.

Dennoch ist die Domäne von The End eher der Kampf auf den Füßen, also nutzt er die Sicherheit, die er hat, als er Rotari in einem besonders endgültig wirkenden Headlock gefangen hält, bei dem er mit der Faust über die Stirn seines Gegners reibt, um zusätzliche Schmerzen zu verursachen, und kommt mit dem Herausforderer im Schwitzkasten auf die Füße.

Dann sendet er ihn in die Seile, um den ersten echten Move des Matches vorzubereiten.



Das war wohl nichts. Der nächste Schritt von Rotari war ein Surprise Pin, und das ist natürlich immer eine veritable Waffe gegen einen überlegenen Gegner – Roll-Ups, Small Packages oder, wie hier versucht, ein Sunset Flip.

Zu dumm, dass The End das natürlich auch weiß und vorbereitet ist.

Auch das scheint keine sonderlich nützliche Waffe gegen die Übermacht zu sein, die sich The End nennt. Rotari hält sich die Brust, und der Champion setzt mit Tritten nach. Das sind keine technisch einwandfreien Kicks wie sie ein Robert Breads einsetzen würde (und damit an The End gescheitert ist), sondern stumpfe Anflüge von Gewalt. Rotari wird behandelt wie ein Hund, der The End verärgert hat.

Erneut geht eine eiskalte Böe über den bayrischen Strand. Rotari will sich aufrichten, wird aber jedes Mal auf halbem Wege von The End mit einem Schlag oder Tritt wieder unten gehalten. Er macht ein kleines Spiel daraus, lässt Rotari immer wieder ein Stück weiterkommen, gibt ihm jedes Mal ein bisschen mehr Hoffnung, nun doch nach oben zu kommen, nur um ihn wieder niederzuschlagen.

The End hat die volle Kontrolle, und das lässt er Rotari auf eine sadistische Art und Weise spüren.

Bis er vielleicht ein wenig zu sehr mit dem Essen spielt: Rotari, bereits jetzt im Gesicht und auf der Brust gezeichnet von diesem Kampf, kommt bewusst langsam hoch, um dann blitzschnell nach oben zu schießen, und den Platz auszunutzen, den ihm The End gewährt. Mit voller Wucht feuert er The End eine Lariat um die Ohren.

Der Champion duckt sich, und als Aiden vor lauter Schwung eine halbe Drehung macht, zieht The End ihm die Beine weg und Rotari kracht vor ihm auf den Rücken wie ein Maikäfer, laut stöhnend. Spöttisch lächelt der Champion.

Wer hier der bessere Wrestler ist, ist absolut keine Frage.

Rotari bleibt nur die Hoffnung, dass Wrestling nicht immer fair ist – und nicht immer der Bessere gewinnt. Momentan aber sieht es düster für ihn aus, und das nicht nur, weil die Dunkelheit abgesehen von der Beleuchtung der GFCW mittlerweile den Strand gefangen hält.

Mit einer schon fast genüsslichen Lockerheit greift sich The End den am Boden liegenden Rotari – oder besser gesagt dessen Arme. Mit einem Stirnrunzeln beobachtet James Corleone, wie The End seine Tortur von Aiden Rotari, die immer mehr zu einer öffentlichen Hinrichtung wird, mit müheloser Grausamkeit fortsetzt.



Mit beiden kräftigen Beinen im Rücken von Aiden biegt er ihn bis Rotari die Form einer Banane hat und sich die Schmerzensschreie nicht mehr verkneifen kann. Offenbar ist The End damit zufrieden, und als er Rotari schreien hört - vor Schmerz, aber auch vor Furcht - lässt er von ihm ab.

Corleone knetet ringside gründlich die Unterlippe mit den Zähnen durch. Eine solch dominante Performance sollte ihm sehr gefallen, doch es spricht für Aiden Rotari und den Eindruck, den er auf Corleone hinterlassen hat, dass er sich dennoch zu wünschen scheint, The End würde Rotari so schnell wie möglich aus dem Weg räumen und nicht so sorgfältig dafür sorgen, dass Aiden am nächsten Morgen auch wirklich ausnahmslos alle Knochen wehtun.

Das muss es sein, schließlich ist Corleone ja nicht auf der Seite von Aiden Rotari.

Er kann sich allerdings beruhigen, denn The End scheint sich entschlossen zu haben, dass mit Rotari zu spielen ihn nun langweilt. Er lässt den Mann aus Atlanta auf die Füße kommen, und lädt ihn sich ohne große Anstrengung auf die Schultern.

ENDLESS PAIN!

Gekontert!

Rotari ist geschwächt, aber nicht so geschwächt, als dass er nicht aus dem Move herauskommen würde, auf den er sich vermutlich am meisten eingestellt hat. Er rutscht hinten über, als The End ihn in beinahe beleidigender Manier ohne große Vorbereitung mit dem Endless Pain abservieren will. Aiden kann sich dann jedoch nur schwer auf den Füßen halten, eine Mischung aus Erschöpfung und fehlender Balance, und stolpert – vollkommen aus Versehen, sicherlich – in Mike Kontrak hinein.

The End wirkt davon eher genervt als alles andere, und marschiert auf Rotari zu, der sich vor dem heranmarschierenden Champion hinter dem Ringrichter zu verstecken scheint. Der Kontrast zwischen dem selbstsicheren Titelverteidiger und dem feigen Herausforderer könnte kaum größer sein.

Was nicht heißt, dass Aiden Rotari geschlagen ist.



Endlich ist The End einmal kalt erwischt. Damit hat er tatsächlich nicht gerechnet, und SOFORT ist Aiden bei ihm - weiß, dass er direkt nachsetzen muss, wenn er hier etwas reißen will. Diese kleine Unsportlichkeit hat ihm ein Fenster verschafft, und er muss es nutzen.



Sinnbildlich für das Duell der Beiden. Rotari feuert einen harten Schlag ab, doch The End fällt nicht. Ein Headbutt schafft es auch nicht. Rotari muss erst eine dritte Aktion hinterhersetzen, seine Lariat, sein verlässlichster Move im Arsenal, ehe er auch nur einmal schafft, den Champion zu Boden zu bringen.

Und dann kann er nichtmal so schnell attackieren, wie er möchte: Aiden braucht eine Atempause. Nur kurz, sicher, aber The End ist eben auch schon wieder auf bestem Wege, sich auf die Beine zu kämpfen. Rotari spürt den Gegenwind nicht nur metaphorisch, und es fühlt sich tatsächlich an, als würde ein Mensch gegen eine Naturgewalt kämpfen, als würde sich letztlich der Lauf der Dinge nicht ändern lassen, so wie man ein Erdbeben oder einen Vulkanausbruch nicht stoppen kann: Irgendwann wird The End genug Schaden anrichten, um ihn zu vernichten.

Es ist nur eine Frage der Zeit.

Doch solche Gedanken darf Rotari nicht zulassen, wenn er hier etwas reißen will. Ein Anflug von Verzweiflung schleicht sich auf sein Gesicht, als diese Triple-Combo The End kaum unten hält, und er hätte so gerne zumindest eine oder zwei Sekunden mehr, in denen er Luft holen und seine nächste Attacke planen kann, doch The End gibt ihm die nicht.

Rotari ist zur Stelle und greift The End am Kopf, zieht ihn zu sich heran, wird aber sogleich weggestoßen. Rotari taumelt einen Schritt zurück, und The End nutzt das, um ihm einen harten Schlag an den Schädel zu verpassen. Wankend sucht Aiden Halt, steht mit dem Rücken zu The End, der nun Anlauf nimmt, nur darauf wartet, damit Rotari sich umdreht, und dann stürmt er auf ihn zu.



Konter von Rotari!

The End geht zu Boden!

Sogleich der Pinfall von Aiden.

Eins...



Zwei...




Kick-Out!

Noch nicht wirklich nah an der drei, wenn wir ehrlich sind, eher ein 2,1 als ein 2,9. Und das realisiert Rotari natürlich auch, weshalb er mit zusammengebissenen Zähnen sofort wieder auf die Füße kommt. Er wirft Corleone einen Blick zu, der diesen stumm und ohne Regnung erwidert, ehe sich beide wieder auf das Zentrum ihrer Welt in diesem Moment konzentrieren: Den GFCW World Champion, The End.

Aiden packt sich seinen Gegner und hievt ihn nach oben, doch schon wieder stößt The End ihn direkt weg. Der ehemalige Leviathan-Leader gibt seinem Gegner keinen Zentimeter Raum, keine Sekunde Zeit, und sofort feuert Rotari zurück, frustriert und deswegen zu unüberlegt.

LARIAT!

Fool me once, shame on you. Fool me twice, shame on me. The End sieht es diesmal kommen, duckt sich weg, geht in die Seile, holt Schwung und setzt zum Angriff an.

SPEAR!

Rotari wird von den Füßen gerissen, und The End ist zur Stelle.

Eins...



Zwei...




Kick-Out!

Das ist schon deutlich näher an der so wichtigen “drei”. The End scheint in erster Linie verärgert darüber zu sein, dass Rotari es überhaupt wagt zu versuchen, ihn hier so zu besiegen, und beschließt offenbar, dass er dafür bestraft gehört. Die Konditionierung des Champions ist unglaublich, und die frische und kühle Luft im Gegensatz zur gewöhnlichen stickigen und heißen Halle tut dem keinen Abbruch, im Gegenteil. Mittlerweile tragen so gut wie alle Zuschauer Pullover, Hoodies oder Jacken, einige haben Regenjacken an, blicken hoch zum Himmel, der sich weiter verdunkelt, und das düstere Omen scheint im Moment eindeutig Aiden Rotari zu gelten.

Der wird von The End abgepasst. Als Rotari sich groggy wieder aufgerichtet hat darf er sich nicht einmal eine halbe Sekunde lang darüber freuen, bis er erneut niedergemäht wird.

SPOTLIGHT ATTACK!

The End walzt weiter ohne Mitleid über seinen Gegner hinweg. Rotari klatscht auf den Rücken und wird sogleich erneut gepinnt.

Eins...




Zwei...




Kick-Out!

Nebst seiner Affinität für die Dehnbarkeit des Regelwerks ist Rotari in seiner Karriere vor allem für eins bekannt: Dass er einstecken kann. Das mag in den letzten Monaten nicht so relevant gewesen sein, wo er mit Mike Müller oder Renegade doch in erster Linie als Favorit agierte, aber wir erinnern uns an Schlachten mit Luna Rosario oder Kämpfe mit Ricksenburg. Aiden Rotari ist die Kakerlake des Wrestlings, auch wenn er sich selbst als Schakal bezeichnet, und versucht so lange zu überleben, bis sich die Chance bietet, irgendwie den Sieg zu stehlen.

Das gelingt ihm erstaunlich oft, und James Corleone scheint sich dessen immer noch sehr bewusst zu sein, denn er wird trotz der anhaltenden Stärke von The End immer nervöser. Es könnte natürlich auch mental bedingt sein: Gewinnt The End hier clean und eindeutig kann er die ganze Chose, die mit Breads begann und mit Rotari eskalierte, hinter sich lassen, und vielleicht wieder in eine stabilere Beziehung mit The End eintreten, auch wenn die Dynamik sich geändert hat.

Das ist das Problem mit Kakerlaken: Es ist so schwer, sie endgültig loszuwerden.

The End bleibt am Ball, was den Job als Kammerjäger angeht, und sieht mit etwas, das nicht ganz als “Anerkennung” durchgehen würde, zu Rotari hinab. Dann zieht er ihn zu sich. Aiden wehrt sich dagegen nicht wirklich, ist zu geschwächt, und wird in die Höhe gerissen.

APOCALYPTIC POWERBOMB!

The End wirbelt Rotari herum, der verzweifelt mit den Armen wedelt – und dabei (vollkommen unabsichtlich, versteht sich) Referee Mike Kontrak mit der Rückhand am Kopf erwischt. Man kann ihm da keine garantierte Absicht unterstellen, und “Es ist Aiden Rotari” ist eben kein Beweis, aber es ist schon ein glücklicher Zufall, dass der Referee zu Boden gegangen ist, als Aiden auf die Matte geballert wird.

The End hat mitbekommen, was passiert ist, und setzt dementsprechend erst gar nicht den Pin an, der mit Sicherheit hier hätte folgen sollen. Stattdessen richtet er sich auf und will zum Ringrichter gehen, weniger aus Nächstenliebe und Sorge um dessen Gesundheit als vielmehr damit das Match weitergehen kann.

Er wird jedoch aufgehalten – von James Corleone.

Sein Manager steht mit einem Mal auf dem Apron, und The End runzelt die Stirn, als James ihm etwas entgegenstreckt. Klein, golden, gefährlich: Ein Schlagring.

Corleone redet auf The End ein, dass dies die Chance sei, Rotari endgültig zu erlegen, bevor es zu noch einer Situation kommen kann, in der er gefährlich wird. The End scheint das als Affront aufzufassen, und fragt Corleone, ob er nicht glaube, dass er Aiden auch ohne seine Hilfe besiegen kann.

Ob Corleone glaube, The End würde ihn brauchen.

Der Manager verneint das, aber bittet weiterhin darum, die Waffe einzusetzen – klar ist es sehr wahrscheinlich, dass The End Rotari so oder so besiegt, aber er sollte auf Nummer sicher gehen. Ihn jetzt wirklich erlegen.

The End schweigt und starrt Corleone bloß an. Er nimmt den Schlagring nicht, während Mike Kontrak sich wieder erhebt und Aiden Rotari die ganze Szene von der Matte aus beobachtet. Corleone wirft End noch einen letzten Blick zu, beinahe flehend, dann steckt er das Stück Metall wieder in den Anzug und klettert vom Apron herab, damit Kontrak nichts mitbekommt.

Der Blick des Champions ist verächtlich, als er James Corleone anstarrt, der darauf plädiert nur das Beste zu wollen. Kopfschüttelnd dreht sich The End um, zu Aiden Rotari, der die ganze Sache beobachten konnte – und nun daraus Kapital schlagen will.

INSIDE CRADLE!

Eins...




Zwei...




Kick-Out!

Diesmal ist es wirklich knapp. Beinahe hätte die kurze Episode mit Corleone End den Sieg gekostet, und das wäre wirklich bitter gewesen - für Corleone genauso wie für End. Aber der Champion entkommt dem typischen Rotari-Finish, bei dem er sich den Sieg wie bei einem Raubüberfall aneignet.

Beide springen auseinander, doch der angeschlagene Aiden ist einen halben Schritt langsamer als der noch immer nicht allzu sehr bearbeitete Titelverteidiger. Als Rotari wieder steht, ist The End schon da – und tritt ihm in den Magen.

Er zögert keine Sekunde und hebt Aiden sogleich aus.



PILEDRIVER!

Die gleiche Aktion, die Robert Breads aus dem Spiel genommen hat. Mehr als nur symbolisch, und auch wenn diese Aktion nicht auf den Titelgürtel geht und der Schädel von Rotari “bloß” unangespitzt in die Matte gerammt ist es trotzdem ein Killer. Aiden wird von The End auf den Rücken gerollt und die Titelverteidigung wird anvisiert.

Eins...





Zwei...





Rotari greift in die Seile!

Als The End ihn umgewälzt hat ist Aiden ein wenig zu nah an das unterste Ringseil gekommen, und so kann er die Niederlage noch einmal abwenden. Frustriert rutscht The End ein Stück zurück und will sogleich wieder attackieren, doch Mike Kontrak geht dazwischen: Rotari ist in den Seilen, und da darf man ihn nicht attackieren.

Tatsächlich zieht Aiden sich angeschlagen und röchelnd mit den Armen an den Seilen zum Apron, rollt sich dann zur Seite und fällt unter dem Bottom Rope auf den Sand außerhalb des Seilgevierts.

The End macht sich auf den Weg, Rotari zu folgen, welcher nun versucht, sich an James Corleone hochzuziehen. Der will auf gar keinen Fall eine DQ riskieren, das würde sicherlich unangenhme Folgen seitens The End für ihn haben, also stößt er Aiden nicht weg, sondern hebt bloß deutlich sichtbar die Hände und versucht rückwärtszulaufen, doch Rotari klammert und reißt zu sehr an seinem Anzug und ist dann schließlich auf Augenhöhe mit James, wenn auch nicht ohne ihn weiterhin als Stütze zu verwenden.

Rettung naht jedoch in Form von The End, der außerhalb des Rings Anlauf nimmt.

SPOTLIGHT ATTACK AN DEN HINTERKOPF!

Der Champion knallt seinem Rivalen erbarmungslos das Knie an den Schädel, und Rotari fällt nach vorn um wie ein Baum – wobei er auf James Corleone landet, diesen mit zu Boden reißt und mit seinem Ellbogen so unglücklich (?) auf ihm landet, dass James anscheinend für einen Moment nicht so genau weiß, was eigentlich los ist, während Rotari sich die anscheinend verrutschte Hose richtet.

The End scheint das gleich zu sein. Er reißt an Rotari, der sich an Corleone klammert wie an seine Rettungsleine, aber zu schwach ist, um sich allzu sehr zu wehren. Der Primus der Promotion hat kaum Probleme damit, seinen Feind in die Luft zu stemmen, und noch weniger damit, ihn wieder herabsegeln zu lassen.




Es ist nicht so schlimm, wie es das in einer Halle wäre. Der Boden ist kalter Sand, und der ist härter, als man sich das vorstellt, aber eben auch kein Beton. Dennoch reicht es, damit The End erneut vollends die Kontrolle erlangen kann, die er in diesem kompletten Match immer nur temporär abgeben musste. Er ist eindeutig im Fahrersitz, und Rotari liegt gefesselt im Kofferraum.

Mike Kontrak ist mittlerweile bei sieben, sodass The End Aiden vom Strand aufsammelt und wieder in den Ring wirft. Ein kurzer Blick zu Corleone, der sich aufrichtet und dabei stöhnend den Schädel hält, immer noch nicht komplett orientiert, aber The End entschließt sich auch dagegen, ihm großartig zu helfen.

Stattdessen rutscht er selbst wieder in den Ring hinein, wo Aiden nicht einmal Anstalten macht, von allein auf die Füße zu kommen. The End kann sich ein wenig Zeit lassen sich aufzurichten und auf seinen gefallenen Challenger zu blicken.

Er hat sich nicht schlecht geschlagen. Er hatte ein paar gute Tricks. Er hat beinahe den Fehler von Corleone ausnutzen können - zumindest, wenn es nach The End geht. Aber all das reicht nicht, wenn man es mit dem Besten zu tun hat.

In der Ferne hört man leises Donnergrollen.

The End nimmt sich Aiden Rotari und schickt ihn auf die letzte Reise.



APOCALYPTIC POWERBOMB!

Diesmal gibt es keinen Ref Bump, kein Wedeln mit den Armen. Rotari wird einfach auf den Boden gehämmert, mit Schwung und ohne Rücksicht. End rutscht noch ein Stück zurück, zieht Aiden von den Seilen weg, um zu verhindern, dass er sich dort erneut befreien kann, und setzt dann das finale Cover an.



The End ist zum ersten Mal an diesem Abend ein wenig aus der Fassung. Das hätte nun wirklich reichen müssen. Zwei Spotlight Attacks, zwei Apocalyptic Powerbombs, ein Spear, eine Powerbomb draußen... das sollte Rotari unten halten, doch er kickt nicht nur aus, er tut es beinahe trotzig, zeigt etwas wie “Fighting Spirit”, als hätte er auf einmal Hoffnung, dieses Match doch noch zu gewinnen.

Ungerechtfertigte Hoffnung, wie The End weiß.

Noch ein Donnergrollen. Lauter, diesmal.

Der Champion hat noch mehr auf Lager, und wenn Rotari nicht einfach liegen bleiben will, dann ist er selbst Schuld, wenn er weiter leiden muss.

Keuchend sucht Aiden nach einem Punkt, an dem er sich orientieren kann, während er erneut versucht, seine Hose richtig zu ziehen. Doch als er halbwegs orientiert scheint ist er schon auf halbem Wege nach oben – auf die Schultern des Mannes, den er nie besiegen konnte. Das vierte Match, und zum vierten Mal wird Aiden Rotari keinen Weg finden, The End klar zu schlagen.

In der Ferne zuckt ein Blitz am Himmel.

ENDLESS PAIN!

The End geht getroffen zu Boden.

Nicht vom Blitz, natürlich. Von Aiden Rotari.

Als er ihn von seinen Schultern schleudern will, zum zweiten Mal an diesem Abend, kann Aiden mitten in der Bewegung mit der linken Hand an den Kopf von The End kommen, und ihm einen Schlag versetzen, der dafür sorgt, dass The End das Gleichgewicht verliert.

Mehr noch: Die Besinnung, wie es scheint.

Rotari hat exakt an der Schläfe getroffen, und es war ein stabiler Punch, aber ob er nach dieser Tortur noch die Kraft hat, The End auszuknocken?

Nein.

Nicht ohne Hilfe.

Nicht ohne Schlagring.

Und damit wird klar, was hier in den letzten Minuten passiert ist.

Aiden hat die Diskussion zwischen Corleone und The End mitbekommen, und er hat die Waffe gesehen – im Gegensatz zum Referee, dem das entgangen ist. Also hat er sich anschließend bei der nächsten Chance selbst nach draußen befördert, und im Chaos um Corleone und bei der ganzen Klammerei irgendwie den Schlagring an sich genommen. Das mehrfache Fixen seiner Hose? Verstauung. James Corleone hatte er angeknockt, genug, als dass dieser nicht orientiert genug war, um direkt nach dem Schlagring zu suchen.

Corleone wollte nur helfen, und das hat am Ende alles nur schlimmer gemacht – oder besser.

Je nachdem, wem Corleone hier wirklich helfen wollte.

Da Kontrak nicht von der Waffe weiß, sucht er auch nicht nach ihr, und der Körper von Rotari – mitten in der Luft beim Endless Pain – verdeckt den schnellen Schlag an eine Stelle, an der ein solcher Punch mit etwas Glück (oder Pech, je nach Standpunkt) einen Knockout verursachen kann.

The End fällt auf Rotari, beide krachen zu Boden, und in einer flüssigen Bewegung schleudert Rotari den Schlagring hinter seinem Kopf beim Aufprall durch die Seile in den Sand, wo er niemandem auffallen wird, der nicht gezielt darauf achtet und weiß, wonach er Ausschau halten muss.

Kontrak ist bei den beiden Kämpfern, und Rotari kämpft sich unter dem reglosen Champion nach oben. Der Referee will checken, ob bei The End alles in Ordnung ist, aber Rotari tut das, was Corleone von The End verlangt hat: Auf Nummer sicher gehen.

Er wartet nicht, bis Kontrak The End checken kann. Wer weiß, vielleicht wacht er in wenigen Sekunden wieder auf? Überraschen würde es niemanden, nach der puren Dominanz, die The End heute gezeigt hat.

Stattdessen reißt er ihn mit sich. Den Protest des Referees ignoriert er. Erst machen, dann um Entschuldigung bitten – das hier ist zu wichtig, als dass er Rücksicht auf irgendwas oder irgendjemanden nehmen könnte, schon gar nicht The End.

Es geht um die GFCW World Championship.

Aiden Rotari ist so nah dran. Er muss nur noch eines tun.



The End wird vom Backdrop Driver gefällt, wie so viele vor ihm. Doch keiner ist wie er – er kann aus allem auskicken. Er ist der Beste. Er ist der Champion. Er ist...

Eins...




Zwei...





Drei!

Sieger des Matches durch Pinfall und NEUER GFCW World Champion: Aiden Rotari

Es beginnt zu regnen.

Chaos bricht um den Sieger herum aus. Kontrak hechtet zu The End, um nach ihm zu sehen. Der Zeitnehmer geht zum Titelgürtel, um ihn Rotari reichen zu können. Pete schreit sich die Seele aus dem Leib, spricht von unwürdigen Champions und Sportsgeist, während Sven betont, wie zäh unser neuer World Champion heute Abend war. Überall werden Regenschirme geöffnet, Kapuzen aufgesetzt. Es raschelt und knistert. Der Wind bläst stärker. Das große Zelt flattert ein wenig. Rotari fliegen die Haare ins Gesicht.

Nur er selbst ist völlig ruhig, inmitten des Chaos.

Er verliert nicht die Ruhe, auch wenn um ihn herum die Hölle losbricht. Er setzt sich auf und spürt die nassen, kalten Tropfen, die auf seine geschundene Haut niederprasseln, als wäre dies eine verdrehte, düstere Version von Konfetti für den Sieger – die Art von Konfetti, die ein so unehrenhaft errungener Sieg verdient. Statt seiner Musik hört man den Donner und eine anschließende Warnung über die Lautsprecher, nicht in Panik zu verfallen, nur, weil es blitzt, denn die ersten Fans werden unruhig.

Der eigentliche Grund zur Panik sitzt im Ring.

Zumindest für den Rest der GFCW.

Während James Corleone sich zu The End gesellt, gleichermaßen besorgt um ihn als auch darum, was mit ihm selbst passieren wird, erhebt sich Aiden Rotari. Er ächzt, er verzieht das Gesicht, und seine hungrigen Augen werden mit dem gefüttert, was sie sehen wollen – man reicht ihm den GFCW World Title.

Er hält ihn nicht hoch in die Luft und posiert damit. Er schnallt ihn sich nicht um oder hält ihn gehässig Corleone vor die Nase. Stattdessen drückt er ihn fest an seine Brust, dort, wo sein Herz ist, und geht auf die Knie.

Er hat es geschafft. Im Regen von Bayern krönt sich der Usurpator selbst und zelebriert ohne Freunde oder Fans, ganz allein, nur mit sich selbst und der Krone, die er dem besten Champion aller Zeiten, dem Mann, den niemand sonst schlagen konnte, eigenhändig und ohne fremde Hilfe entrissen hat. Wie er das geschafft hat... darüber kann man diskutieren. Doch den neuen höchsten Würdenträger wird nicht kümmern, zu welchem Schluss man kommt.


Aiden Rotari ist GFCW World Champion. Das ist alles, was zählt.


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Danke an alle Schreiber!!!